Intubiert ohne Betäubung: Die Corona-Lage in Brasilien verschärft sich weiter - jetzt werden die Medikamente knapp

Die ohnehin schon desolate Lage in den brasilianischen Krankenhäusern verschärft sich weiter, wie hier im Pedro Dell Antonia Municipal Campaign Hospital in Santo Andre im Statt Sao Paulo. Derzeit breitet sich die zweite Pandemiewelle in Brasilien aus. Vor allem Menschen unter 40 Jahren gehören zu den Infizierten. Sauerstoff und nun auch Medikamente werden zunehmend knapp.

Die ohnehin schon desolate Lage in den brasilianischen Krankenhäusern verschärft sich weiter, wie hier im Pedro Dell Antonia Municipal Campaign Hospital in Santo Andre im Statt Sao Paulo. Derzeit breitet sich die zweite Pandemiewelle in Brasilien aus. Vor allem Menschen unter 40 Jahren gehören zu den Infizierten. Sauerstoff und nun auch Medikamente werden zunehmend knapp.

Seit Wochen warnen Gesundheitsexperten davor, dass in brasilianischen Krankenhäusern wichtige Medikamente knapp werden. Nun gibt es erste Berichte, wonach Klinikmitarbeiter Patienten ohne Beruhigungsmittel intubieren müssen. Im städtischen Albert-Schweitzer-Krankenhaus in Rio de Janeiro hatten die Beschäftigten zuvor über Tage hinweg Sedativa verdünnt, damit die Vorräte länger reichen, wie ein Arzt der AP sagte. Seit diese aufgebraucht seien, müssten Krankenschwestern und Mediziner neuromuskuläre Blocker nutzen und Patienten an ihren Betten fixieren.

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„Man entspannt die Muskeln und führt die Prozedur leicht durch, aber wir haben keine Beruhigungsmittel mehr“, erklärte der Arzt, der bei dem heiklen Thema nicht namentlich zitiert werden wollte. „Manche versuchen zu reden, wehren sich. Sie sind bei Bewusstsein.“

Der Mangel an notwendigen Medikamenten ist das jüngste Problem, mit dem Brasilien infolge von Covid-19 zu kämpfen hat. Das Land steht aktuell im Zentrum der Pandemie, die Intensivstationen sind voll. Täglich sterben im Durchschnitt hier etwa 3000 Menschen und damit ein Viertel aller Covid-19-Toten weltweit.

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São Paulo: Katastrophale Lage in den Krankenhäusern

Sogenannte Intubations-Kits enthalten üblicherweise Betäubungs- und Beruhigungsmittel und andere Medikamente, um schwerkranke Patienten an Beatmungsgeräte anzuschließen. Das Gesundheitsamt von Rio erklärte, gelegentliche Engpässe im Albert Schweitzer seien auf Lieferprobleme am Weltmarkt zurückzuführen. Die Mittel würden so ersetzt, dass bei der Behandlung kein Schaden entstehe.

Die Tageszeitung „O Globo“ berichtete am Donnerstag über ähnliche Zustände in weiteren Krankenhäusern im Großraum Rio. Angehörige telefonierten verzweifelt andere Kliniken ab, um an Beruhigungsmittel für ihre erkrankten Verwandten zu kommen. Auch in anderen Regionen warnen Experten vor bevorstehenden Knappheiten.

Im bevölkerungsreichsten Staat São Paulo sprach der örtliche Gesundheitsminister Jean Carlo Gorinchteyn am Mittwoch von einer katastrophalen Lage in den Krankenhäusern. Am Donnerstag standen nach offiziellen Angaben mehr als 640 Häuser vor dem Kollaps, Engpässe drohten innerhalb weniger Tage. Gorinchteyn bat die brasilianische Bundesregierung um Hilfe. „Das ist keine Notwendigkeit für São Paulo; es ist eine Notwendigkeit für das ganze Land“, sagte er. Die Gesundheitsämter in seinem Staat beantragten über einen Zeitraum von 40 Tagen neun Mal Intubationsmedikamente beim Gesundheitsministerium. Die jüngste Lieferung reichte nur für sechs Prozent des monatlichen Bedarfs, wie Beamte der AP sagten.

Deutlich mehr Sauerstoff als im Vorjahr benötigt

Der neue brasilianische Gesundheitsminister Marcelo Queiroga erklärte am Mittwoch, binnen zehn Tagen sei eine Lieferung von Beruhigungsmitteln zu erwarten. Diese geht auf einen Vertrag mit der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation zurück. Zudem bemüht sich die Regierung laut Queiroga auf zwei weiteren Wegen auf dem internationalen Markt um Arzneimittel, „um diesen täglichen Kampf zu beenden“.

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Ein weiteres Problem waren wochenlang logistische Hindernisse zur Verteilung von Sauerstoff an Krankenhäuser im ganzen Land. Die Situation bereite immer noch täglich Sorge, sagte Queiroga. Aufgrund der Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante P.1 in diesem Jahr brauchen Patienten nach Angaben von Ärzten und Schwestern deutlich mehr Sauerstoff als im vergangenen Jahr.

Zur Überwindung der Engpässe sprang auch die Privatwirtschaft ein. Eine Gruppe aus sieben großen Unternehmen spendete 3,4 Millionen Dosen an Intubationsmitteln an das Gesundheitsministerium. Diese reichen für 500 Betten über einen Zeitraum von sechs Wochen aus.

Privatkliniken sind ebenfalls von Medikamenten-Misere betroffen

Die Knappheit ist nicht auf den öffentlichen Sektor begrenzt. Der Verband der brasilianischen Privatkliniken veröffentlichte am Donnerstag eine Umfrage, wonach neun von 71 Häusern nach eigenen Angaben nur noch für fünf Tage oder weniger Vorräte haben. Etwa die Hälfte erklärte, noch genug für eine Woche zu haben. Die privaten Krankenhäuser bemühen sich dem Verband zufolge um Importmedikamente aus Indien, brauchen dafür aber noch eine behördliche Genehmigung.

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Die Stadt Itaiopolis im südbrasilianischen Staat Santa Catarina meldete einen Mangel an Beruhigungsmitteln und Sauerstoff, auch im benachbarten Rio Grande do Sul wurden die Bestände knapp. Die Gesundheitsministerin von Rio Grande do Sul, Arita Bergmann, sprach am Donnerstag von einer verzweifelten Situation: „Das Gesundheitsministerium muss schnell die Vorräte der Krankenhäuser auffüllen, sonst können intubierte Patienten ohne Medikation aufwachen, und das wäre furchtbar.“

RND/AP

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