Jugendexperte: Corona betrügt Fridays-for-Future-Generation ein zweites Mal um ihre Zukunft
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Auf dem Flur der Gesamtschule in Münster hängt ein Schild mit der Aufschrift „Bitte Masken tragen“. Dass Kinder sich in der Pandemie einschränken, um Ältere zu schützen, findet Kurt Bylla vom Winnicott-Institut in Hannover ungerecht.
© Quelle: Guido Kirchner/dpa
Hannover. Viele Kinder und Jugendliche wachsen mit der Angst vor dem Klimawandel auf. Verantwortlich dafür sind die älteren Generationen, die in ihrem Leben oftmals aus dem Vollen geschöpft haben – und nun in der Pandemie laut rufen: „Schützt uns!“ Im Interview mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ) erklärt Jugendexperte Kurt Brylla: „Das ist ein weiterer Bruch des Generationenvertrags und eine weitere Belastung für die Jugend.“
Laut dem Kinder- und Jugendtherapeuten ist der erste Bruch bereits mit der Klimakatastrophe begangenen worden. Der Generationenvertrag solle eigentlich den Schutz der Grundrechte für Kinder auf Gesundheit, Entwicklung und Zukunft durch die Erwachsenen sichern. Doch Brylla sagt: „Es ist schon lange deutlich, dass das nicht klappt.“ Zwar würden die Themen der Jugend mithilfe der Fridays-for-Future-Bewegung nun ernster genommen werden – doch im Umgang mit der Corona-Pandemie in Deutschland sieht der Jugendexperte den nächsten „Angriff auf die Zukunft der Kinder“.
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Ausgerechnet von der sträflich vernachlässigten Enkelgeneration wird in der Corona-Pandemie Verantwortung für die Alten erwartet, findet Psychotherapeut Kurt Brylla.
© Quelle: Jan Philipp Eberstein
„Die Pandemie macht Kinder und Jugendliche krank“
Konkret kritisiert Brylla, dass den Kindern und Jugendlichen die Verantwortung für die Gesundheit der Älteren übertragen werde: „Kinder müssen Masken tragen, Abstände einhalten, möglichst die Großeltern nicht mehr besuchen, um sie vor Ansteckung zu bewahren.“ Schutz verlange nun eine Großelterngeneration, die „selbst wenig zum ökologischen Schutz der Enkelgeneration beigetragen hat“. So kehre sich das Generationenverhältnis um.
Viele Kinder seien heutzutage bereits durch die Veränderungen der Umwelt seelisch belastet. Nun komme noch die Corona-Pandemie dazu, die unmittelbar Einschränkungen für ihr tägliches Leben bedeute – und psychische Folgen haben könne. Bei seiner Arbeit im Winnicott-Institut in Hannover beobachte er verstärkt Sprach- und Konzentrationsstörungen, Schlaf- und Bewegungsmangel sowie ADHS und Adipositas. „Nehmen Sie welche aktuelle Studie Sie wollen: Es ist absolut offensichtlich, dass die Pandemie Kinder und Jugendliche krank macht“, betont Brylla.
Eltern sollten ihren Kindern in der Pandemie Struktur vorgeben
Den Kindern und Jugendlichen fehle es angesichts von geschlossenen Schulen und Kitas und Kontaktverboten an Alltagsstruktur. Eltern müssten in der Krise deshalb besonders auf ihren Nachwuchs eingehen. „Sie sind in ihrer haltgebenden Funktion viel gefragter als zuvor“, sagt der Experte. Dabei könnten Tagespläne helfen, klare Einteilungen in Frühstück, Schulzeit und Freizeit. Manche Eltern neigten dazu, ihre Kinder mit exzessivem Medienkonsum ruhigzustellen – doch „die vielfältigen irrationalen Ängste in der Pandemie bleiben“, betont Brylla.
Stattdessen sollten Eltern keinesfalls aufhören, auch mal „Nein“ zu sagen – und ihre eigenen Ängste nicht auf die Kinder übertragen. Denn manche Eltern haben sich laut dem Jugendexperten im ersten Lockdown selbst isoliert. „Die Kinder mussten mitmachen“, so Brylla. Er betont: „Kinder sind nicht dazu da, um uns von unseren Befürchtungen zu befreien oder diese mit uns zu teilen. Sie brauchen unseren Schutz und die Eltern unsere Unterstützung.“
RND/HAZ/jo