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Belastetes Hähnchen

Multiresistente Keime im Fleisch: Wie gefährlich ist das?

Wiesenhof will künftig bis zu 230.000 Hähnchen täglich schlachten.

Geflügelfleisch ist besonders häufig mit Keimen belastet, darunter auch multiresistente Erreger.

Die Tierschutzorganisation Albert-Schweitzer-Stiftung hat in vielen Geflügelfleischproben der Discounterkette Lidl antibiotikaresistente Keime nachgewiesen. Der Lidl-Konzern betont, dass bei normaler Zubereitung keine Gesundheitsgefahr von den Produkten ausgeht. Welche Risiken bestehen für Verbraucher und Verbraucherinnen wirklich und wie häufig ist Fleisch anderer Anbieter belastet? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Wie oft ist Fleisch im Supermarkt durch Keime belastet?

„Keime auf dem Fleisch sind keine Neuigkeit, das hat es schon immer gegeben“, sagt Bernd-Alois Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Besonders oft kämen diese bei Geflügelfleisch vor. Tatsächlich haben Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt, dass Fleisch sehr häufig mit Keimen belastet ist. So hatte die Umweltorganisation Germanwatch im Jahr 2020 in ganz Europa Hähnchenfleisch der drei größten EU-Geflügelfleischkonzerne untersucht. Dabei war jede zweite Probe mit Keimen belastet. Bei der deutschen PHW-Gruppe, die nicht nur Discounter, sondern etliche große Supermarktketten beliefert, galt dies sogar für 59 Prozent. Laut Jahresbericht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) von 2019 waren damals fast 50 Prozent der untersuchten Hähnchenfleischproben mit dem Keim Campylobacter belastet. Laut Albert-Schweitzer-Stiftung wurden Campylobacter-Bakterien nun in 18 Prozent der untersuchten Hähnchenfleischproben der Eigenmarke von Lidl nachgewiesen.

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Der Stiftung zufolge wurden zudem in 71 Prozent der untersuchten Hühnerfleischproben multiresistente Keime nachgewiesen, also Erreger, bei denen davon auszugehen ist, dass mehrere Antibiotika gegen sie wirkungslos sind. Dabei soll es sich vor allem um Escherichia-coli-Bakterien gehandelt haben. Auch resistente Keime im Fleisch sind allerdings kein neues Problem: Laut einem Bericht von Germanwatch von 2019 war Hähnchenfleisch aus industrieller Fleischerzeugung schon damals zu 56 Prozent mit resistenten Keimen belastet.

Ist es gefährlich, mit resistenten Keimen belastetes Fleisch zu essen?

„Wenn ich das Fleisch gut durchgare – und das würde ich besonders bei Hühnerfleisch, aber auch bei anderen Fleischarten empfehlen –, werden die Keime unschädlich gemacht. Dann spielt es für mich keine Rolle, ob diese multiresistent waren oder nicht“, sagt Bernd-Alois Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Deshalb sei es wichtig, das Risiko durch den richtigen Umgang mit Lebensmitteln zu minimieren. Auch wenn es doch zu einer Infektion kommt, gilt: „Ob die Erreger multiresistent sind oder nicht, merken Sie zunächst nicht“, sagt Tenhagen. Lebensmittelinfektionen mit E. Coli oder Campylobacter-Bakterien führen zu Durchfallerkrankungen, diese würden in der Regel aber nicht mit Antibiotika behandelt, sodass die Resistenzen auch bei der Therapie keine Rolle spielen.

Normalerweise heilen solche Infektionen auch ohne weitere Folgen aus. Theoretisch besteht bei E. Coli zwar ein gewisses Risiko, dass sich die resistente Variante dauerhaft im eigenen Darm ansiedelt. Zu einem späteren Zeitpunkt, etwa wenn das Immunsystem geschwächt ist, könnte dies dann Probleme verursachen und eine Therapie könnte bei resistenten Keimen erschwert sein. Allerdings haben Bakterienstämme meist eine Affinität zu bestimmten Wirtstieren, sagt Tenhagen. Die Gefahr, dass sich Keime aus dem Fleisch im menschlichen Darm dauerhaft ansiedeln sei also eher gering. „Insgesamt gilt aber natürlich, man sollte die Aufnahme der resistenten Keime besser vermeiden“, so Tenhagen.

Welches Fleisch ist besonders belastet?

„Vor allem Geflügel ist besonders häufig mit Keimen und auch öfter mit resistenten Keimen belastet“, sagt Tenhagen vom BfR. Das liege daran, dass Geflügel häufiger mit Antibiotika behandelt wird, und zum anderen am Schlachtprozess. Bei der Rindfleischproduktion werde die Haut entfernt und bei der Schweinefleischproduktion die Hautoberfläche abgeflämmt, wodurch die Keimbelastung reduziert wird. Das sei bei Geflügel so nicht möglich.

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Was hat die Haltungsform damit zu tun?

Indirekt kann die Keimbelastung teilweise mit der Haltungsform zusammenhängen. Allerdings ist hierbei zu unterscheiden zwischen einer allgemeinen Keimbelastung und der Belastung mit antibiotikaresistenten Keimen. In der industriellen Fleischproduktion werden viele Tiere auf engem Raum gehalten. Daher werden in der intensiven Haltung viele Antibiotika eingesetzt, was die Entstehung von Resistenzen fördern kann. Hierbei gilt, dass in Biobetrieben deutlich weniger Antibiotika eingesetzt werden und Biofleisch deshalb weniger mit resistenten Keimen belastet ist. Keimfrei ist auch Biofleisch aber keinesfalls.

„Grundsätzlich enthält Biofleisch wahrscheinlich genauso viele Keime wie Fleisch aus konventioneller Haltung“, sagt Tenhagen vom BfR. „Auch wir haben aber in Untersuchungen festgestellt, dass die Keime auf Putenfleisch aus Biobetrieben seltener resistent waren.“ In jedem Fall sollten auch beim Biofleisch unbedingt die Hygieneregeln beachtet werden, um Infektionen zu vermeiden.

Was sollte ich beim Kauf beachten?

Eine Keimbelastung kann man beim Kauf normalerweise nicht erkennen, erst recht nicht, ob es sich um eine Belastung mit resistenten Keimen handelt. Auch die Frische spielt bei Einhaltung des Mindesthaltbarkeitsdatums und ordnungsgemäßer Lagerung keine große Rolle, sagt BfR-Experte Tenhagen: „Wichtig ist allerdings vor allem bei den wärmeren Temperaturen, dass ich das Fleisch nach dem Kauf möglichst kühl nach Hause bringe und nicht noch drei Stunden lang in der Hitze liegen lasse“, sagt Tenhagen.

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Wie bereite ich Fleisch sicher zu?

Bernd-Alois Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt: „Man sollte rohes Fleisch immer grundsätzlich so behandeln, als ob es mit Keimen belastet wäre.“ Dabei sei es wichtig, dass Teller, Bretter und Schneidewerkzeuge, die für die Fleischbearbeitung benutzt wurden, nicht mit anderen Lebensmitteln in Kontakt kommen, ehe sie gründlich gereinigt wurden.

Das BfR gibt konkrete Tipps für den Umgang mit Geflügelfleisch, diese lassen sich aber auch auf den Umgang mit anderen Fleischsorten übertragen: Gerätschaften und Oberflächen, die mit rohen Geflügelprodukten in Berührung gekommen sind, sind danach gründlich mit warmem Wasser und Spülmittelzusatz zu reinigen und Verpackungsmaterialien, Auftauwasser und Ähnliches sofort zu entsorgen. Geflügelfleisch sollte man außerdem nicht abwaschen, da durch das Spritzwasser Keime verteilt werden können. Besser ist es, dieses direkt zu verarbeiten oder mit einem Papiertuch abzutupfen und dieses danach zu entsorgen. Geflügelspeisen sollten vollständig durchgegart werden, um möglicherweise vorhandene Krankheitserreger zu inaktivieren. Um komplett durchzugaren, muss die Temperatur von Fleischstücken in deren Kern für zwei Minuten mindestens 70 Grad Celsius erreichen.

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