New South Wales: Australiens „ideale Fallstudie“ für den Omikron-Verlauf
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Autofahrer stehen am 26. Dezember vor einem Krankenhaus an Sydneys Bondi Beach Schlange, um sich vor dem Strandbesuch einem PCR-Test zu unterziehen.
© Quelle: imago images/AAP
Im australischen Bundesstaat New South Wales, in dem Sydney liegt, ist Omikron innerhalb weniger Tage zur dominanten Covid-Variante geworden. Von wenigen hundert Neuinfektionen pro Tag explodierten die Zahlen am 27. Dezember auf 10.186 Fälle täglich. Doch Daten zeigen, dass die Patientenzahlen mit schweren Verläufen bisher nicht gleichermaßen zunehmen. Auch die Einweisungen ins Krankenhaus sind bisher moderat.
Dies sei „erfreulich“, kommentierte selbst der deutsche Virologe Christian Drosten vor einigen Tagen auf Twitter. Denn dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass Omikron trotz der höheren Infektiosität weniger gefährlich ist als die bisher dominante Delta-Variante.
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Drosten bezieht sich dabei auf die Analysen von Andrew Lilley, einem Wirtschaftswissenschaftler und Doktoranden an der Harvard Universität in den USA. Dieser postete seine Auswertungen der australischen Daten auf Twitter und schrieb: „New South Wales ist die ideale Fallstudie, um den Schweregrad von Omikron zu messen.“
Als Gründe dafür führte er an, dass nur 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung bisher eine Covid-Infektion und nur wenige Menschen bisher eine Auffrischimpfung hatten. Außerdem waren die Delta-Fälle in der Region bis November stabil, was eine solide Basis für die Quote der Krankenhausaufnahmen schaffte.
Moderate Zunahme der schweren Verläufe
Anfängliche Daten zeigten, dass Omikron die Quote der Krankenhausaufnahmen gegenüber Delta um mehr als die Hälfte reduzierte. Drosten wies in seinem Statement aber bereits darauf hin, dass ein schneller Inzidenzanstieg diesen Effekt wieder zunichte machen könnte. Letzteres zeigte sich dann tatsächlich über die Weihnachtsfeiertage, als mit einem rasanten Anstieg der Neuinfektionen in und um Sydney plötzlich auch die Einweisungen ins Krankenhaus zunahmen.
So verzeichnete der Bundesstaat New South Wales trotz eines 36-prozentigen Rückgangs der Tests am Weihnachtstag einen neuen Höchststand von 6394 neuen Covid-19-Fällen. Am Montag lagen die Fallzahlen ebenfalls bei über 6300. Die Krankenhauseinweisungen stiegen über Weihnachten von 388 auf 458 und am Montag auf 520. Die Zahl der Patienten auf der Intensivstation erhöhte sich mit 55 Patienten (Stand Montag) dagegen nur leicht.
Mehrheit der Fälle auf der Intensivstation ungeimpft
Vonseiten der Gesundheitsbehörde NSW Health hieß es, dass die Mehrheit der Fälle auf der Intensivstation wohl nicht mit Omikron in Zusammenhang stehen. „Es wird angenommen, dass der Großteil der Fälle auf der Intensivstation Delta ist“, sagte eine Sprecherin der Behörde. Der Gesundheitsminister des Bundesstaates, Brad Hazzard, betonte am Wochenende zudem, dass die Mehrheit der Menschen auf der Intensivstation ungeimpft sei.
Gleichzeitig warnte er aber vor der hohen Ansteckungsgefahr der neuen Variante. „Unter dem Strich gehen wir davon aus, dass irgendwann jeder in New South Wales Omikron bekommen wird“, sagte Hazzard. „Wenn wir alle Omikron bekommen, so ist der beste Weg, dem zu begegnen, indem wir eine vollständige Impfung einschließlich unserer Auffrischimpfung haben.“ In dem Bundesstaat sind bisher über 90 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren zumindest doppelt geimpft.
Lilley, dessen Analyse keine Peer-Review durchlaufen hat, betonte auch im Interview mit dem Sender Al Jazeera nochmals, dass er „ziemlich zuversichtlich“ sei, dass die Variante milder sei. „Der genaue Prozentsatz ist schwer abzuschätzen, bevor wir mehr Daten über die Zunahme der Fälle erhalten, die Durchbruchinfektionen sind“, sagte Lilley. „Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es weniger virulent ist.“
Normale Evolution für eine Infektionskrankheit
Auch Ivo Müller, ein Epidemiologe, der am medizinischen Forschungsinstitut Wehi in Melbourne forscht, interpretiert die derzeitige Datenlage ähnlich wie Lilley. „Omikron scheint eine mildere Variante zu sein, doch unklar ist bisher, ob sie halb so schwer ist wie die Delta-Variante oder ob sie beispielsweise zehnmal milder ist“, wie er in einem Telefoninterview sagte.
Müller verwies zudem auf Analysen aus Südafrika, Dänemark und Großbritannien. Diese deuten ebenfalls darauf hin, dass Omikron zu einem milderen Krankheitsverlauf führt. Insgesamt sei die derzeitige Situation eine „normale Evolution für eine Infektionskrankheit“, sagte der Forscher. „Die Viren werden infektiöser, aber die Erkrankungen weniger schwer.“
Ein hohes Infektionsgeschehen könnte die absoluten Zahlen bei den Krankenhauseinweisungen jedoch trotzdem über kurz oder lang in die Höhe treiben und das Gesundheitswesen belasten, vor allem wenn auch ein Teil des medizinischen Personals erkranke oder sich isolieren müsse, meinte der Experte. Deswegen seien zumindest einige Restriktionen weiter nötig, bis ein Großteil der Bevölkerung eine Auffrischimpfung erhalten habe.
Trotz des Rückschlags, den die Welt derzeit durch die Omikron-Variante erlebt, ist der Epidemiologe zuversichtlich, dass 2022 „den Anfang des Endes der Pandemie“ bringen wird. Daraufhin würde nicht nur die mildere Omikron-Variante hindeuten, sondern auch der Immunitätsstand der Bevölkerung beispielsweise, wie Müller sagte.