Periodenarmut: Petition fordert kostenlose Tampons und Binden in Deutschland
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Kostenfreie Binden und Tampons in öffentlichen Einrichtungen, das fordert der Verein Social Period.
© Quelle: Matka_Wariatka/Getty Images/iStockphoto
Drei Schnapsgläser voll Blut verliert eine Frau in etwa pro Periode. 60 Milliliter, das klingt nach einer kleinen Menge. Doch das Bluten kann zu einem großen Problem werden – insbesondere für arme Menschen oder Obdachlose. Denn einigen fehlt das Geld, um regelmäßig Tampons und Binden zu kaufen.
Constanza Vera-Fluixá möchte die Situation verbessern. Zusammen mit Katja Dill und Undine Mothes vom Verein Social Period hat sie eine Petition gestartet, die sich an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey richtet. „#Periodenarmut: Freier Zugang zu Menstruationsprodukten in öffentlichen Einrichtungen“, fordern die Aktivistinnen. Sie finden: Tampons und Binden sollten auf öffentlichen Toiletten genauso selbstverständlich vorhanden sein wie Toilettenpapier – und das kostenlos. Knapp 15.000 Menschen haben die Petition bereits unterzeichnet.
Menstruationstasse ist keine Alternative
Das Schlagwort Periodenarmut beschreibt, dass einige Menschen sich keine Menstruationsprodukte leisten können. Darunter fallen Obdachlose genauso wie Menschen, die nur sehr wenig Geld besitzen. Rund 59.000 Frauen in Deutschland haben laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe keinen festen Wohnsitz. Knapp 1,3 Millionen Frauen beziehen Hartz IV.
16,42 Euro pro Monat dürfen Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung aktuell für Gesundheitspflege rein rechnerisch ausgeben. Darunter fallen Shampoo, Duschgel, Medikamente und eben auch Tampons. Mehrfach verwendbare Produkte wie Tassen oder Periodenunterwäsche, die nur einmal Geld kosten, sind insbesondere für Obdachlose keine Alternative. Denn sie haben oft keine Möglichkeit, sich regelmäßig die Hände zu waschen und die Menstruationsartikel zu reinigen.
Jede Zehnte hat kein Geld für Tampons
Eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Ratgeberportals Sparwelt.de zeigt: Knapp die Hälfte der Menstruierenden zahlt pro Monat weniger als 5 Euro für Periodenprodukte. Ein Drittel gibt an, zwischen 5 und 10 Euro zu bezahlen. Was hier nicht einkalkuliert ist: Schmerzmittel gegen Unterleibskrämpfe. „Die Kosten, die entstehen, sind für Menstruierende ganz unterschiedlich. Aber wir von Social Period denken, dass jeder Euro für Menstruationsprodukte einer zu viel ist, wenn man finanziell Schwierigkeiten hat“, sagt Vera-Fluixá. Der Verein Social Period steht im engen Kontakt zu vielen Initiativen, die Obdach- oder Wohnungslosen helfen. Oft gebe es von den Helfenden die Rückmeldung, dass Tampons oder Binden nur selten unter den Spenden seien.
Periodenarmut ist laut Aktivistin Vera-Fluixá eine physische und psychische Gefahr. Die 17-Jährige weist auf eine britische Studie von Plan International UK hin. Jedes zehnte britische Mädchen kann sich laut der Umfrage keine Periodenprodukte leisten. Manche würden deshalb der Schule während ihrer Tage fernbleiben, berichtet sie. „Die Probleme, mit denen Mädchen und Frauen durch ihre Periode zu kämpfen haben, sind bisher noch viel zu wenig beachtet worden – dabei schließen sie sie vom gesellschaftlichen Leben aus“, sagt Maike Röttger, Geschäftsführerin von Plan International Deutschland. Hierzulande ist noch nicht statistisch erfasst, wie viele Menschen kein Geld für Binden und Tampons haben.
Gefahr für die Gesundheit
Den Passus zur Gesundheitsgefahr von Periodenarmut haben Vera-Fluixá, Dill und Mothes mittlerweile nach einem Hinweis des Berufsverbandes der Frauenärzte (Bvf) aus ihrer Petition gestrichen. Ursprünglich stand dort: „Im schlimmsten Fall versuchen die Betroffenen die Blutung mit vermeintlichen Alternativen wie Socken, Plastiktüten oder Zeitungspapier aufzufangen, was schwere gesundheitliche Folgen haben kann.“
Materialien zum Auffangen des Blutes, die nicht in die Vagina hinein gelangen, seien nicht so gefährlich wie unreine und zu lange benutzte Tampons, sagt Gynäkologe Dr. med. Christian Albring. “Beim Wechseln von Hygieneartikeln werden normalerweise auch der Intimbereich gereinigt und anschließend die Hände gewaschen. Sind diese üblichen Hygienemaßnahmen nicht möglich und werden ungereinigte Hygieneartikel verwendet, besteht die Gefahr, dass sich unerwünschte Keime auf der ungereinigten Haut vermehren”, erklärt der Präsident des Bvf. Es würde nicht reichen, hygienische Einmal-Menstruationsprodukte zur Verfügung zu stellen. “Eine regelmäßige Reinigung der Hände und des Intimbereichs ist zur Senkung der Gesundheitsrisiken ebenso wichtig und grundlegend”, sagt Albring.
Die Pressestelle des Bvf verweist zudem auf die Vereinten Nationen, die sich auch dem Thema „Menstruation und Menschenrechte” widmen. „Der fehlende Zugang zu den adäquaten Menstruationsprodukten kann zu einem höheren Infektionsrisiko führen”, bestätigt das Dossier. Die Vereinten Nationen verweisen auf eine Studie, laut der Frauen häufiger Harnwegsinfektionen oder andere urogenitale Infektionen bekommen würden, wenn sie ihre Menstruationsprodukte nicht regelmäßig reinigen oder wechseln können. Aber: „Ein klarer Kausalzusammenhang besteht nicht. Allerdings werden solche Infektionen häufiger durch externe als durch interne Infektionen verursacht.”
Schottland als Vorbild
Periodenarmut betrifft nicht nur Entwicklungsländer. Ihre Petition haben die Aktivistinnen gestartet, nachdem Schottland vergangene Woche ein neues Gesetz verabschiedet hat. In dem Land gibt es Binden und Tampons bald genauso wie in Großbritannien kostenlos an Schulen und Universitäten. Darüber hinaus kann die schottische Regierung weitere öffentliche Einrichtungen verpflichten, solche Produkte zur Verfügung stellen zu müssen.
Deutschland ist davon weit entfernt. Erst dieses Jahr hat der Bund den Mehrwertsteuersatz für „Erzeugnisse für Zwecke der Monatshygiene“, wie es im Gesetzestext heißt, von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt. Binden, Tampons, Menstruationstassen, Periodenschwämme und Menstruationsunterwäsche werden nun steuerlich also immerhin nicht mehr als Luxusgüter, sondern als Güter des täglichen Bedarfs klassifiziert. Zu dieser Gesetzesänderung führte eine Petition mit dem Titel: „Die Periode ist kein Luxus“.
Vera-Fluixá von Social Period freut es, dass durch solche Initiativen immer mehr öffentlich über die Menstruation gesprochen wird. Denn Bildung kommt ihrer Meinung nach bei diesem Thema zu kurz. „Meine Lehrerin hat einen Tampon in ein Glas voll Wasser gehalten, um zu zeigen, wie viel Flüssigkeit der aufnehmen kann. Das war fast alles, was ich im Sexualkundeunterricht über die Menstruation gelernt habe“, erzählt die Aktivistin, die in diesem Jahr Abi gemacht hat. Sie schlägt vor, dass Sexualpädagoginnen und -pädagogen umfassender über die Periode aufklären: „Dann wird die Menstruation hoffentlich endlich entstigmatisiert.“
Das ist der Verein Social Period
Mit den Problemen menstruierender Wohnungsloser kennen sich die Mitglieder von Social Period aus. Der Verein will für sie den Zugang zu Menstruationsprodukten vereinfachen. Dafür stellen die rund 30 Ehrenamtlichen Spendenboxen in Supermärkten und Drogerien auf, in die jeder Tampons oder Binden, aber auch Shampoo oder Seife werfen kann.
Die Produkte bekommen Notunterkünfte und andere Anlaufstellen, die sie kostenlos an obdach- und wohnungslose Frauen verteilen. Bisher gibt es das Projekt nur in Berlin. Der Verein sucht aber Kooperationspartner in ganz Deutschland. Außerdem bieten die Ehrenamtlichen Workshops an und leisten Aufklärungsarbeit über Periodenarmut.