Nachhaltig verzaubern und verführen: Die Oper Leipzig setzt 2023/24 auf Vielfalt
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Intendant Tobias Wolff
© Quelle: André Kempner
Leipzig. Mit Mary Stuart geht es los: „Mary, Queen of Scots“ von Thea Musgrave firmiert als erste klimaneutrale Produktion der Oper Leipzig. Sagt Chefdramaturgin Marlene Hahn bei der Präsentation der kommenden Spielzeit auf der großen Bühne. „Den Begriff ,klimaneutral‘ vermeide ich lieber, widerspricht ihr Intendant Tobias Wolff freundlich lächelnd. Denn natürlich wird „Mary“ nicht klimaneutral. Aber, so Wolff, „wir versuchen bei dieser Produktion so wenig neues Material wie möglich zu benutzen. Und wir werden genau protokollieren und Daten sammeln, damit wir hinterher wissen, wo die Hindernisse stehen auf dem Weg eines Theaters zu Klimaneutralität.“ Dabei sollte die Kunst nicht aus dem Blickfeld geraten. Denn die US-Schottin Musgrave ist die große alte Dame des angelsächsischen Musiktheaters. Für die Premiere hat sie ihr Kommen zugesagt, was angesichts ihrer dann 95 Jahre keine Selbstverständlichkeit ist.
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Gruppenbild mit Bürgermeisterin: Chefdramaturgin Marlene Hahn, Operndirektorin Cornelia Preissinger, Musikdirektor Christoph Gedschold, Intendant Tobias Wolff, Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, Ballettchef Mario Schröder, Verwaltungsdirektorin Lydia Schubert und MuKo-Hausherr Torsten Rose. (v.l.)
© Quelle: Andre Kempner
Sie ist eine Frau, Mary Stuart war eine, und starke Frauengestalten prägen, sagt Hahn, die nächste Saison. In Leipzig kommt sogar, verspricht Cornelia Preissinger, die Operndirektorin des Intendanten, „die erste starke Frau des Musiktheaters“ auf die Bühne. Die ist überraschenderweise nicht Ottavia, Poppea, Dido, das ist Pamina. Womit immerhin geklärt wäre, dass Leipzig eine neue „Zauberflöte“ bekommt. Es inszeniert Matthias Davids, und dem geht es, führt Preissinger aus, um grundsätzliche Neubefragung. „Wir haben von Kind auf gelernt, dass die Königin der Nacht für das Böse steht und ihre Tochter Pamina für das Gute. Aber die Sache ist viel komplizierter.“ Mag sein. Doch Davids steht mit seiner Handschrift dafür ein, dass es trotzdem märchenhaft wird und Musiktheater für die ganze Familie.
„Unfassbar schöne Musik“
Märchenhaft ist auch das größte Versprechen der Saison: Im März ’24 kommt ein neuer „Rosenkavalier“, Richard Strauss‘ und Hugo von Hofmannsthals so witziger wie weiser, melancholischer wie handfester Abgesang auf die Zeit. Die gute alte wie die eigene. Preissinger sieht MeToo in Vollendung, Musikdirektor Christoph Gedschold freut sich auf „unfassbar schöne Musik“, die mit dem Gewandhausorchester gestalten zu dürfen eine Gnade sei. Sie unter seiner Leitung zu hören, gewiss auch.
Ansonsten springt auf der großen Bühne noch Schostakowitschs sarkastischer Rausch „Lady Macbeth von Mzensk“ dem Publikum an Gurgel und Zwerchfell, auch eine starke Frau. Und im Publikumsraum gibt‘s zu Beginn, da wird auf der Bühne noch gebaut, an Obermaschinerie und Inspizientenanlage, zwei Kammeropern Peter Maxwell Davies’: „Miss Donnithornes Maggot“ und „Eight Songs For a Mad King“, inszeniert von Hahn.
Saukomische Geschichte des schlechtesten Musicals aller Zeiten
Mario Schröders Compagnie steuert drei große Ballette bei: „Paradise Lost“ zu Haydns herrlicher Nelson-Messe und Musik von David Lang, choreographiert vom Chef. Cayetano Soto widmet Tschaikowski ein getanztes Biopic mit Musik von Tschaikowski, und Schröder arbeitet sich an einem der berühmtesten Handlungsballette des Repertoires ab: „Giselle“ mit Musik von Adolphe Adam, kombiniert mit der Leipziger Frauenformation Sjaella.
Die Musikalische Komödie eröffnet mit einem der schrägsten Musicals des Genres: Mel Brooks’ „The Producers“, die saukomische Geschichte des schlechtesten Musicals aller Zeiten und eines ebenbürtigen Produktionsteams. Ausbalanciert wird dies mit einer neuen „Fledermaus“, „Peter Pan“ als Produktion des Kinder- und Jugendchors und Lortzings „Hans Sachs“.
Zuwendungen garantiert
Damit werfen die Lortzing-Festtage der Oper im Jahr 2026 ihre Schatten voraus. Zuerst allerdings ist das Ballett dran mit einem Mai-Festival im kommenden Jahr. Dazwischen lädt das Gewandhaus zu Schostakowitsch-Festspielen, in die die neue „Lady“ integriert wird.
Zur Begrüßung freut sich Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Die Linke), dass das Publikum zurückkehrt in Leipzigs Kulturinstitutionen, „es ist neugierig, will sich verzaubern und verführen lassen“. Und damit die Oper auch verführen kann und verzaubern, hat die Stadt ihren Kultureinrichtungen für die nächsten vier Jahre die Zuwendungen garantiert.
Nicht nur darum konstatiert Intendant Tobias Wolff zufrieden: „Wir haben gerade eine gute Zeit.“ Aktuelle Produktionen laufen gut: „Anatevka“ in der MuKo und „Don Giovanni“ im großen Haus sind ebenso gut besucht bis ausverkauft wie das Ballett „Der kleine Prinz“. Verwaltungsdirektorin Lydia Schubert: „Wir sind in etwa wieder auf dem Niveau von vor Corona“, was eine Auslastung von knapp 75 Prozent bedeutet – und Maßstab für die neue Saison ist. Für die gilt: Da müsste für jeden was dabei sein. Der Vorverkauf beginnt am 1. Juni, Abonnentinnen und Abonnenten dürfen sofort ran.
Premieren 2023/24
Oper
Peter Maxwell Davis: Majesty & Madness; Musikalische Leitung: Samuel Emanuel, Regie: Marlene Hahn, Premiere: 21. September
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte; Jonathan Darlington, Matthias Davids, 28. Oktober
Thea Musgrave: Mary, Queen of Scots; Matthias Foremny, Ilaria Lanzino, 16. Dezember
Richard Strauss: Der Rosenkavalier; Christoph Gedschold, Michael Schulz, 30. März
Dmitri Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk; Christoph Gedschold, Francisco Negrin, 25. Mai
Ballett
Paradise Lost, Ballett von Mario Schröder, 17. November
Tschaikowski, Ballett von Cayetano Soto, 27. Januar
Giselle, Ballett von Mario Schröder, 20. April
Ballettfestival Leipzig tanzt, 21.–29. Juni
Musikalische Komödie
Mel Brooks:The Producers; Christoph-Johannes Eichhorn, Dominik Wilgenbus, 14. Oktober
Johann Strauß: Die Fledermaus; Tobias Engeli, Peter Lund, 10. Februar
Albert Lortzing:Hans Sachs; Tobias Engeli, Rahel Thiel, 13. April
George Stiles:Peter Pan; Sophie Bauer, Stefan Ebeling/Jan Jochymski,14. Juni
www.oper-leipzig.de
LVZ