Rote Corona-Warn-App: Wie aussagekräftig ist die Risikowarnung?
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Die Bluetooth-Daten, mit denen die Corona-Warn-App Risikokontakte ermittelt, beinhalten einige Ungenauigkeiten. So kann die App etwa nicht unterscheiden, ob sich Handys auf unterschiedlichen Stockwerken oder in unterschiedlichen Wohnungen eines Mehrfamilienhauses befinden.
© Quelle: Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa
Ob in der Bahn, im Restaurant oder im Treppenhaus: Bei anhaltend hohen Infektionszahlen in Deutschland kommt es immer wieder auch zu Begegnungen mit Personen, die später positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Wenn es sich bei diesen Menschen um Unbekannte handelt, wird man über einen solchen Risikokontakt nur durch die Corona-Warn-App informiert. Vorausgesetzt natürlich, man hat diese auf dem Smartphone installiert und die infizierte Person entscheidet, die Kontaktpersonen per App über das positive Testergebnis zu informieren. In der vergangenen Woche haben das im Schnitt mehr als 32.000 Menschen pro Tag getan (Stand 26.01.).
Kontaktermittlung mit Ungenauigkeiten
Zeigt die Corona-Warn-App auf dem Smartphone Rot, sind viele Menschen erst einmal verunsichert. Wie groß ist die Gefahr, dass man sich infiziert hat? Ab wann ist ein Test sinnvoll? Und wie sollte man sich als geimpfte oder geboosterte Person bei einer roten Meldung auf dem Smartphone verhalten?
Kein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften
Immer wieder kommen dabei auch Zweifel an der Aussagekraft der Warnmeldung auf. Etwa, wenn Risikokontakte an mehreren Tagen in Folge auftauchen, obwohl man nicht ständig unterwegs war. Oder wenn Treffen nur mit Bekannten und Familienmitgliedern stattgefunden haben, aber keiner positiv getestet wurde. Kann sich die Corona-Warn-App also auch irren?
Risikokontakte einfach „erfinden“ kann die Corona-Warn-App nicht, klärt ein Anruf bei der Hotline der Corona-Entwickler auf. Allerdings gebe es gewisse Ungenauigkeiten, was die Reichweite angehe. Die Kontaktermittlung erfolge anhand des Bluetooth-Signals und erfasse Kontakte im einem Bereich zwischen fünf und zehn Metern, erklärt der Software-Experte. Auch die Dauer des Kontakts wird hierbei berücksichtigt. Allerdings könne die App etwa in einem Mehrfamilienhaus nicht erkennen, ob sich zwei Handys auf unterschiedlichen Stockwerken, in verschiedenen Wohnungen oder etwa vor dem Hauseingang befinden.
Um zu bewerten, wie plausibel eine rote Meldung in der App ist, muss man sich also möglichst an seine Aktivitäten an dem betreffenden Tag erinnern. Wohnt man in einem Mehrfamilienhaus und die Warnmeldungen treten an vielen Tagen in Folge ohne viele verschiedene Kontakte auf, steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Nachbar oder eine Nachbarin infiziert hat. In diesem Fall können im Fahrstuhl oder Treppenhaus Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Eine rote Meldung bedeutet nicht, dass man sich infiziert hat
Das RKI erklärt auf seiner Website, man habe aufgrund der hohen Infektionszahlen den Text der roten Warnung aktualisiert, und verweist darauf, dass die Meldung nicht automatisch auch bedeutet, dass man sich angesteckt hat. Zudem empfiehlt die App, sich auch ohne Symptome testen zu lassen – allerdings nicht notwendigerweise mit einem PCR-Test. Wer in der Corna-Warn-App eine Warnung mit der Statusanzeige „erhöhtes Risiko“ hat, hat Anspruch auf einen kostenlosen PCR-Test.
Die Corona-Warn-App macht bei den Empfehlungen jedoch keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Personen. Zwar wird auf dem Blog zur App darauf hingewiesen, dass vollständig Geimpfte sowie kürzlich Genesene von der gesetzlichen Quarantäne ausgenommen sind. Dennoch empfiehlt die App allen Nutzerinnen und Nutzern mit einer roten Meldung: „Begeben Sie sich, wenn möglich, nach Hause bzw. bleiben Sie zu Hause.“ Weiter unten heißt es gar: „Wenn Sie nach Hause kommen, vermeiden Sie auch Begegnungen mit Familienmitgliedern und Mitbewohnern.“
Die Corona-Warn-App basiere auf einem datensparsamen Ansatz und wahre jederzeit die Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer, erklärt Wolfgang Scheida von der Pressestelle des RKI. „Die Information, ob jemand geimpft, genesen und geboostert ist, wird nicht mit den Handlungsempfehlungen verknüpft.“ Das Bundesgesundheitsministerium ergänzt auf Anfrage: „Personen mit einer roten Warnung sollten unabhängig von ihrem Impf- oder Genesenenstatus entsprechende Vorkehrungen treffen.“ Weil es sich um einen Kontakt mit erhöhtem Risiko in den letzten 14 Tage handele, empfehle das RKI Geimpften und Geboosterten eine freiwillige Selbstquarantäne, so Scheida.
Datenschutz: Keine Angabe von Ort und Uhrzeit bei Risikobegegnungen
In einer Mitteilung vom 21. Januar erklärt das Robert Koch-Institut (RKI) zudem, warum die Uhrzeit und der Ort einer Risikobegegnung in der App nicht genauer angezeigt werden. Es habe dazu in den vergangenen Tagen immer wieder Anfragen gegeben, so das RKI. Eine Angabe der Uhrzeit und des Ortes seien in der App aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Denn gewarnte Personen könnten mit diesen Informationen zurückverfolgen, wer sich nachweislich infiziert und die Warnung ausgelöst habe. „Damit wäre die Anonymität dieser Person nicht mehr gewahrt. Die Aufdeckung der Identität eines positiven Falles könnte zu persönlichen Nachteilen führen und damit die hohe Akzeptanz der Corona-Warn-App gefährden“, schreibt das RKI. Allerdings hätten Kneipen und Restaurants die Möglichkeit, den Ort der mutmaßlichen Begegnung freizuschalten.
RKI: Nutzer nehmen rote Warnung sehr ernst
Wie sollte man sich also bei einer roten Meldung in der Corona-Warn-App verhalten? Zuerst einmal sollte man sich an den betreffenden Tag erinnern, um herauszufinden, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Risikokontakt stattgefunden haben könnte. Bei einer roten Warnung sollte man seine Kontaktpersonen seit dem betreffenden Tag informieren, „aber vor allem auch Kontakte reduzieren, sich testen und auf Symptome achten“, rät Scheida. Die Situation in Arztpraxen und Gesundheitsämtern sei im Moment aufgrund der hohen Infektionszahlen kritisch. Daher solle man sich am besten bei einem Testcenter testen lassen.
Dass die Warnungen in der App von den Nutzerinnen und Nutzern nicht ernst genommen werden, weil sie sich von den gesetzlichen Vorgaben unterscheiden, sieht Scheida nicht als großes Risiko an. „Wir gehen davon aus, dass die rote Warnung von den Nutzern der Corona-Warn-App sehr ernst genommen und das Verhalten angepasst wird.“ Eine Evaluation habe ergeben, dass ein Großteil der Teilnehmenden nach einer roten Warnung weitere Verhaltensmaßnahmen ergriffen habe. Dass die App mittlerweile über 40 Millionen Mal heruntergeladen worden sei, spreche für eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, erklärt auch das Bundesgesundheitsministerium. Ob künftig eine Aktualisierung der App geplant ist, bei der der Impfstatus der Nutzerinnen und Nutzer in die Handlungsempfehlungen einbezogen wird, ließ das Ministerium unbeantwortet.