Übergewicht: Erhöht eine operative Magenverkleinerung das Darmkrebsrisiko?

Übergewicht begünstigt Krankheiten wie Darmkrebs und Diabetes. In manchen Fällen hilft eine Magenverkleinerung. Aber was, wenn die ebenfalls Risiken birgt?

Übergewicht begünstigt Krankheiten wie Darmkrebs und Diabetes. In manchen Fällen hilft eine Magenverkleinerung. Aber was, wenn die ebenfalls Risiken birgt?

Solna. Eine operative Magenverkleinerung könnte das Risiko für Darmkrebs erhöhen. Das zeigt eine Untersuchung von mehr als 500.000 Menschen mit Übergewicht, die ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „International Journal of Cancer“ vorstellt. Die Ursache sei bisher nicht bekannt.

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Deutsche Experten sehen die Ergebnisse kritisch. Es sei unklar, ob das erhöhte Risiko mit der Auswahl von Patienten für die Operation zusammenhänge, sagt etwa Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. „Klinisch hat die Studie sehr wenig unmittelbares Potenzial für neue Entwicklungen.“

Übergewicht erhöht das Darmkrebsrisiko

Übergewicht zählt zu den bekannten Risikofaktoren für Darmkrebs. Unklar war bislang, ob eine chirurgische Magenverkleinerung – und der daraus resultierende Gewichtsverlust – das Risiko für Darmkrebs senkt. Einige kleinere Studien hatten überraschenderweise ergeben, dass das Darmkrebsrisiko eher zunimmt. Andere negative Folgen von Übergewicht wie Diabetes, Bluthochdruck und bestimmte Krebserkrankungen bessern sich Studien zufolge häufig nach einer Magenverkleinerung.

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Die Wissenschaftler um Jesper Lagergren vom Karolinska University Hospital in Solna (Schweden) hatten nun Daten von mehr als einer halben Million übergewichtigen Menschen aus Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen und Island ausgewertet. Knapp 50.000 von ihnen hatten sich im Untersuchungszeitraum zwischen 1980 und 2015 einer Magenverkleinerung unterzogen, die meisten hatten einen Magen-Bypass bekommen. Dabei wird der Magen operativ verkleinert.

Forscher verglichen Daten von Übergewichtigen

Die Forscher verglichen zum einen das Darmkrebsrisiko der operierten und nicht operierten Übergewichtigen mit dem der Allgemeinbevölkerung. Zum anderen verglichen sie das Darmkrebsrisiko der übergewichtigen Operierten mit dem übergewichtiger Nichtoperierter. Sie unterschieden dabei zwischen Krebs im Dickdarm (Kolonkarzinom) und im Mastdarm (Rektumkarzinom). Vier Risikofaktoren für Darmkrebs berücksichtigten sie bei ihren Analysen: Ob die Patienten Diabetes oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung haben, ob sie rauchen und ob sie Alkohol trinken.

Die Auswertung zeigte erwartungsgemäß, dass die übergewichtigen Probanden insgesamt ein höheres Risiko für Dickdarmkrebs hatten als die Allgemeinbevölkerung. Bei den operierten Patienten war der Zusammenhang besonders deutlich: Mindestens zehn Jahre nach der OP gab es in ihrer Gruppe zweimal so viele Darmkrebspatienten wie in der Vergleichsgruppe. Auch für Mastdarmkrebs fanden die Forscher ein erhöhtes Risiko, allerdings war dies nicht statistisch signifikant.

Gründe für höheres Krebsrisiko nach der OP sind unklar

Faktoren wie beispielsweise Veränderungen am Mikrobiom, also der mikrobiellen Zusammensetzung im Darm, sind noch nicht so systematisch untersucht, dass man hier leicht weitere Antworten finden kann.

Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)

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Die Probanden mit einer Magenverkleinerung hatten nach der OP auch ein höheres Darmkrebsrisiko als die nicht operierten Übergewichtigen, auch dieser Zusammenhang war statistisch nicht bedeutend, nahm allerdings über den Beobachtungszeitraum hinweg zu.

Die Gründe für den Anstieg des Krebsrisikos seien nicht bekannt, schreiben die Wissenschaftler. Experten diskutierten eine Veränderung der Darmflora nach der Operation, Entzündungsprozesse oder ein übermäßiges Wachstum bestimmter Schleimhautzellen als mögliche Gründe. „Faktoren wie beispielsweise Veränderungen am Mikrobiom, also der mikrobiellen Zusammensetzung im Darm, sind noch nicht so systematisch untersucht, dass man hier leicht weitere Antworten finden kann“, Halama.

Forscher kritisieren die Studie aus Schweden

Halama zufolge sind mögliche Risikofaktoren für Darmkrebs von den Forschern nicht ausreichend berücksichtigt worden. „Es ist denkbar, dass die Gruppe der operierten Patienten sich in bestimmten Merkmalen von den nicht operierten unterschied und sie aufgrund dessen ohnehin ein noch höheres Krebsrisiko haben. Sie könnten zum Beispiel besonders stark übergewichtig gewesen sein oder sich in anderen Faktoren erheblich unterscheiden. Die Auswahlkriterien für und wider eine solche Operation sind wichtige Einflussfaktoren.“ Angaben zum Body-Mass-Index (BMI) lagen von den Patienten nicht vor.

Das Fehlen dieser Angaben sieht auch Christian Pox von der Medizinischen Klinik am St.-Joseph-Stift in Bremen als größtes Manko der Studie. Sie sei vor allem deshalb „schwer einzuordnen“. Auch die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit sei mit drei Jahren nicht besonders lang. Pox hat die Arbeit im sogenannten Peer-Review-Verfahren vor ihrer Veröffentlichung begutachtet. „Nichtsdestotrotz sind das Daten von sehr vielen Patienten, die man nicht einfach so vom Tisch wischen kann.“

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Magenverkleinerung hat auch positive Effekte

Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Übergewicht das Darmkrebsrisiko erhöht.

Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)

Der Experte der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) betont die positiven Effekte einer Magenverkleinerung, die durch Studien klar belegt seien. Bevor man aus der aktuellen Untersuchung irgendwelche Schlüsse ziehe, seien weitere Untersuchungen nötig.

Die Autoren schlagen vor, Patienten nach einer OP engmaschiger zu kontrollieren, etwa per Darmspiegelung, um Darmkrebs gegebenenfalls frühzeitig zu entdecken – ein Vorschlag, den Halama kritisch sieht. „Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Übergewicht das Darmkrebsrisiko erhöht. Im Grunde genommen muss man unter diesem Gesichtspunkt alle übergewichtigen Menschen engmaschiger überwachen. Aber hier sind weitere Untersuchungen nötig, um ein gutes Verhältnis zwischen Risiko und Nutzen zu finden."

RND/ dpa

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