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Um „Corona-Inseln“ zu vermeiden: Warum auch Kinder geimpft werden sollten

Werden bald auch Kinder gegen das Coronavirus geimpft? (Archivfoto)

Werden bald auch Kinder gegen das Coronavirus geimpft? (Archivfoto)

Kinder und Jugendliche sind vorerst diejenigen, die auf noch nicht absehbare Zeit ungeimpft bleiben. So schnell wie möglich müssten Zulassungsstudien für kindgerechte Impfstoffe vorangetrieben werden fordert hingegen der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Rund 11 Prozent der Mädchen und 16 Prozent der Jungen unter 17 Jahren hätten eine chronische Erkrankung, erklärte der Verband am Montag.

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Dazu zählten Herzfehler, Krebserkrankungen oder neurologische Krankheiten wie etwa Epilepsie. Diese Vorerkrankungen könnten bei einer Corona-Infektion zu einem schweren Krankheitsverlauf führen.

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Impfstoffe, die ab einem Alter von 16 Jahren zugelassen sind, sollten sofort an Jugendliche mit schweren chronischen Erkrankungen verimpft werden, forderte der BVJK-Präsident Fischbach. Infrage kommt dabei in Deutschland derzeit nur der mRNA-Impfstoff von Biontech. Auch für Jüngere müsse es so schnell wie möglich einen geeigneten Impfstoff geben. Es brauche die komplette Durchimpfung aller Kinder und Jugendlichen. Nur so lasse sich ein ausreichender Bevölkerungsschutz erreichen.

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Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Covid-19-Risiko

Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité machte bereits Anfang Februar darauf aufmerksam, dass es Corona-Impfungen auch bei jungen Menschen brauche. Es sei zu erwarten, dass in Abwesenheit eines Impfstoffes Kinder in großer Zahl infiziert werden – wie auch in anderen Altersgruppen. Und Kinder nur zu impfen, um die Erwachsenen zu schützen, sei eine zu einfache Überlegung. „Es gibt viele Kinder, die ein Grundrisiko haben und bei denen man nicht möchte, dass diese sich mit diesem Virus infizieren“, betonte der Virologe im NDR Info-Podcast.

Im Altersvergleich erkranken Kinder und Jugendliche zwar statistisch gesehen nicht so häufig an Covid-19 wie Erwachsene und haben meistens mildere Symptome. Aber auch Kinder können sich mit Sars-CoV-2 anstecken und es verbreiten – was ein Knackpunkt ist, wenn es neben dem individuellen Schutz auch um die Bekämpfung des Virus als Ganzes geht. Oder um es noch eindeutiger zu formulieren: Wenn es um das Ende der Pandemie geht.

Laut dem Statistischen Bundesamt machen die unter 20-Jährigen in Deutschland rund 15 Prozent der Bevölkerung aus. Solange Kinder und Jugendliche also nicht geimpft werden, muss der Anteil der Impfbereitschaft unter Erwachsenen deutlich höher ausfallen, um die Infektionsdynamik mit starkem Effekt zu bremsen.

Ende der Pandemie durch Corona-Impfungen bei Kindern?

Auch die US-Virologin Angela Rasmussen erachtet Corona-Impfungen bei Kindern und jüngeren Jugendlichen auch ohne Risikofaktoren als notwendig in der Pandemie. „Kurzfristig könnte es reichen, nur Erwachsene und Jugendliche zu immunisieren, um die Virusverbreitung so weit in den Griff zu bekommen, dass man die Maßnahmen lockern kann. Es wird dann immer noch kleinere Ausbrüche geben, die man aber wahrscheinlich relativ schnell wieder eindämmen kann“, erklärte die Wissenschaftlerin gegenüber dem „Spiegel“. „Um die Impfung von Jugendlichen werden wir aber nicht herumkommen, sie haben viele Kontakte außerhalb ihres eigenen Haushalts, viel mehr als, sagen wir, ein Sechsjähriger.“

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Und nur so verhindert man, dass Inseln, etwa Schulen, übrig bleiben, von wo sich das Virus dann doch wieder ausbreiten kann.

Virologin Angela Rasmussen

Wenn irgendwann die meisten Erwachsenen geimpft sind, werde sich das Virus vor allem in Kindern vermehren. Rasmussen zufolge sei es auch denkbar, dass sich der Erreger mithilfe von Mutationen versuchen könne, weiter an jüngere Menschen anzupassen – sodass es möglicherweise auch bei ihnen vermehrt zu schwereren Verläufen kommen könnte. Einen Großteil der Weltbevölkerung inklusive der Kinder gegen Sars-CoV-2 zu impfen, hält die Virologin deshalb langfristig „für die einzige Strategie“, um die Pandemie wirklich zu beenden.

Nach derzeitigem Kenntnisstand müssen Virologen zufolge auch jüngere Kinder geimpft werden, um die angestrebte Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen. Nur wenn auch junge Menschen mitmachen, ließen sich 80 bis 85 Prozent gegen Covid-19 Geimpfte in der Bevölkerung erreichen. „Und nur so verhindert man, dass Inseln, etwa Schulen, übrig bleiben, von wo sich das Virus dann doch wieder ausbreiten kann“, erläuterte Rasmussen im „Spiegel“-Gespräch.

Corona landet auch nach der pandemischen Phase bei den Kindern

Sollte die pandemische Phase dann irgendwann durch Herdenimmunität beendet sein, bleibt Sars-CoV-2 höchstwahrscheinlich in der Welt und wird nicht vollständig eliminiert. Der Erreger landet auch dann vor allem bei den Jüngsten unter uns. Davon gehen inzwischen viele Fachleute aus. Das zeigt auch eine an der Emory University in Atlanta durchgeführte Studie um die Infektiologin Jennie Lavine, die Mitte Februar in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde. Im Modell der Wissenschaftler zeigte sich, dass im Übergang von der epidemischen zur endemischen Dynamik mittels Impfungen mit einer Verschiebung der Altersverteilung von Primärinfektionen zu jüngeren Altersgruppen zu rechnen sei.

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Beim Eintritt in die endemische Phase würden Massenimpfungen dann möglicherweise nicht mehr erforderlich werden. Letztendlich hänge das vom Infektionsverlauf bei den Kindern ab. Denn sie seien schließlich diejenigen, die in dieser Phase ohne Immunschutz auf die Welt kommen – und möglicherweise noch angesteckt werden. Verlaufe eine Infektion bei den Jüngeren mild, wie es bislang bei Sars-CoV-2 der Fall ist, sei eine fortgesetzte Impfung möglicherweise nicht erforderlich. Bis Sars-CoV-2 aber endemisch wird, braucht es einen Großteil Geimpfter oder Genesener in der Bevölkerung – und das weltweit.

Erste Daten: Biontech hat Zulassung für Jugendliche beantragt

Bis wirklich geimpft werden kann, wie von Kinderärzten gefordert, fehlen aber noch aussagekräftige Daten aus klinischen Studien. Das könnte sich aber schon bald ändern. Bei Astrazeneca und Moderna sind klinische Studien mit Jugendlichen bereits angelaufen. Und die Hersteller von Biontech/Pfizer sind in diesen Tagen schon einen Schritt weiter gekommen. Sie haben am vergangenen Freitag einen Antrag auf die Erweiterung der bestehenden Notfallzulassung für den Impfstoff bei den über 12-Jährigen bei der US-Arzneimittelbehörde (FDA) eingereicht. Ähnliche Anträge sollen laut einer Mitteilung „in den kommenden Tagen“ weltweit auch bei anderen Zulassungsbehörden eingereicht werden.

Hintergrund sind erstmalig vorliegende Daten zur Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffes in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen. Laut klinischer Studie habe das Mittel eine Wirksamkeit von 100 Prozent gezeigt, hieß es unter Berufung auf Ende März veröffentlichte Ergebnisse. Die Impfung sei gut vertragen worden. Die Nebenwirkungen hätten jenen in der Altersgruppe von 16 bis 25 Jahren entsprochen, erklärten die Unternehmen. Die Gesundheit der knapp 2300 Teilnehmer der Studie in den USA würde aus Sicherheitsgründen noch bis zu zwei Jahre nach dem Erhalt der ersten Impfdosis beobachtet. Bei den Jugendlichen, die im Rahmen der Studie eine Placeboimpfung erhielten, wurden demnach 18 Corona-Erkrankungen festgestellt, aber keine einzige bei den 1131 mit dem Biontech/Pfizer-Präparat geimpften Personen.

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Corona-Impfung bei Kindern Jugendlichen muss zugelassen werden

Aber selbst wenn die Daten von Biontech/Pfizer vorliegen, heißt das noch nicht, dass es einfach losgehen kann. Um Kinder und Jugendliche zu impfen, braucht es auch genügend Impfstoff. Noch befinden sich Deutschland und die Welt aber in einer Phase der Knappheit, zuerst sind die individuell am meisten Schutzbedürftigen dran. Dann braucht es eine Impfempfehlung seitens der Ständigen Impfkommission (Stiko). Ob es diese für Kinder und Jugendliche in Deutschland geben wird, sei „bisher noch nicht absehbar“, heißt es in einem Steckbrief zur Corona-Impfung auf der Homepage des Robert Koch-Instituts (RKI).

Es müsse durch die Zulassungsbehörden sichergestellt sein, dass dieser wirksam ist sowie ein sehr gutes Sicherheitsprofil aufweist. Daten der Hersteller müssten demnach also erst bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) geprüft, dann in Deutschland durch die Stiko bewertet werden. Und wie auch schon bei den Erwachsenen geschehen: In den klinischen Studien mit Kindern und Jugendlichen könnten sehr seltene Nebenwirkungen nicht entdeckt werden. Deshalb wird es nach der Zulassung eine Überwachung geben. Am Ende bleibe die Impfentscheidung eine Risiko-Nutzen-Abwägung. Denn kein Impfstoff sei jemals völlig sicher, betonte auch Virologin Rasmussen.

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