Vierte Welle: Welche Corona-Teststrategie braucht es im Herbst?

Einem Mann wird ein Mundabstrich für einen Corona-Test abgenommen.

Einem Mann wird ein Mundabstrich für einen Corona-Test abgenommen.

Expertinnen und Experten sind sich sicher: Im Herbst wird es in Deutschland eine vierte Corona-Welle geben, ausgelöst durch Delta. Schon jetzt sorgt die Virusvariante, die das Infektionsgeschehen hierzulande dominiert, für einen langsamen Anstieg der Fallzahlen. Wie diese Entwicklung weiter verläuft, also wie schwerwiegend die vierte Welle ausfällt, hängt davon ab, wie viele Menschen sich impfen lassen. Für SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach steht fest: Wenn die Infektionszahlen im Herbst steigen, „werden wir nicht mehr damit über die Runden kommen, die Getesteten den Geimpften und Genesenen gleichzustellen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Der Grund: Die Antigenschnelltests, mit denen sich Ungeimpfte „freitesten“ können, seien zu ungenau.

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Auf die Fehleranfälligkeit der Tests weist Prof. Oliver Keppler, Leiter der Virologie am Max-von-Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, schon seit Längerem hin. „Die Gleichstellung von Antigenschnelltest-Getesteten mit Geimpften und Genesenen, die einmal geimpft sind, hat noch nie Sinn gemacht“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). In der hochinfektiösen, oft asymptomatischen Frühphase einer Corona-Infektion würden die Tests bis zu 80 Prozent der Infizierten nicht erkennen. Wie nützlich sind sie also für eine vierte Welle im Herbst?

Schnelltests auch gegen Delta hilfreich

Bislang wurden Schnelltests primär als Ergänzung zu den AHA+A+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, Corona Warn-App und Lüften) eingesetzt. Auch bei der Delta-Variante sei ihr Einsatz noch sinnvoll, sagte Virologe Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum vor wenigen Tagen im RND-Interview. „Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass die Tests die neue Variante weniger gut erkennen als vorherige Varianten.“

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Weil die zuerst in Indien entdeckte Mutante mit einer höheren Viruslast einhergeht, könne sie mithilfe der Schnelltests sogar einfacher nachgewiesen werden. „Da Delta aber nun auch schneller ist als vorherige Varianten, ist man bei einem negativen Testergebnis noch weniger sicher als bislang, dass man nicht innerhalb kurzer Zeit, vielleicht schon nach wenigen Stunden, doch ansteckend wird.“

Geimpfte profitieren nicht mehr von Tests

Bei Geimpften seien die Schnelltests hingegen weniger sinnvoll. „Ansteckungen verlaufen bei Geimpften dank einer robusten Reaktion des Immunsystems sehr viel milder. Deshalb ist es durchaus erklärbar, dass Schnelltests dann bisweilen versagen, da die Viruslast niedriger ausfällt als bei Nichtgeimpften“, so Binder. Zum Test greifen sollten Geimpfte vor allem dann, wenn sie coronatypische Symptome entwickeln.

Ähnlich äußerte sich auch Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité in seinem NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ von Ende Juni. Die Nasensekrete von Geimpften seien nicht für Antigenschnelltests geeignet, weil sich darin nicht nur Virusbestandteile befinden, sondern auch Antikörper. Diese stören die Nachweisreaktion, so Drosten. Er prognostizierte ferner, dass wir „im nächsten halben Jahr bis ein Jahr in der klinischen, epidemiologischen Testung die Aussagekraft dieser Antigentests graduell stückchenweise immer weiter verlieren werden, weil bei vorimmunisierten Patienten dieser Test nicht mehr gut positiv werden wird“.

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RKI empfiehlt Lollitests für Schulen

Virologe Keppler sieht den Einsatz der Antigenschnelltests grundsätzlich kritisch. Superspreaderevents wie beispielsweise vergangene Woche in einer Diskothek in Hannover würden „eine deutliche Sprache“ sprechen, wenn es um die Effektivität der Tests geht. „Ich plädiere seit letztem Herbst für Testverfahren wie Pool-PCR oder LAMP-Reaktionen“, sagte er. „Diese sind bis zu 10.000-mal empfindlicher und auch nicht teurer.“

PCR-Pooltestungen empfiehlt auch das Robert Koch-Institut (RKI), insbesondere für Schulen, Kitas und Altenheime. Dort seien im Herbst wegen einer geringen Impfquote beziehungsweise einem bereits nachlassenden Impfschutz wieder vermehrte Infektionen möglich. Es müsse deshalb eine serielle, systematische Teststrategie vorbereitet werden, schreibt die Behörde in ihren aktuellen Handlungsempfehlungen.

In den Schulen und Kitas sollen demnach sogenannte Lollitests zum Einsatz kommen. Dabei müssen die Kinder und Jugendlichen für circa 30 Sekunden an einem Wattestäbchen lutschen wie an einem Lolli. Die Proben einer Schulkasse oder Kita-Gruppe werden dann in einem gemeinsamen Proberöhrchen gesammelt, ins Labor gebracht und dort am selben Tag noch mithilfe der PCR-Methode ausgewertet. Jede und jeder Getestete bekommt einen weiteren Lollitest für zu Hause.

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Fällt die Pooltestung positiv aus, also werden Infektionen mit dem Coronavirus nachgewiesen, muss am nächsten Morgen ein weiterer Lollitest zu Hause durchgeführt werden. Die Probe soll anschließend in die Schule oder Kita gebracht werden, von wo aus sie ins Labor transportiert wird. Dort wird nun jeder Test einzeln mit der PCR-Methode untersucht (Poolauflösung), um die infizierten Kinder und Jugendlichen zu identifizieren.

Schnelltests bei Kindern und Jugendlichen weiter nutzbar

Eine Studie, die im Epidemiologischen Bulletin (32/2021) erschienen ist, hat die Lollimethode validiert. Das Testkonzept wurde dabei in 32 Kölner Kitas im Zeitraum von September 2020 bis März 2021 eingesetzt. Es erwies sich laut RKI als „praktikabel und wurde sowohl von Kindern als auch Erwachsenen sehr gut akzeptiert“. Bei 99 von 122 akut infizierten Probandinnen und Probanden, die morgens vor dem Frühstück und vor dem Zähneputzen getestet wurden, konnten die Lollitests das Coronavirus zuverlässig nachweisen. Je höher die Viruslast war, desto besser funktionierte dies. Das RKI geht folglich davon aus, „dass die Lolli,ethode eine Grundlage für ein breit anwendbares und systematisches Testkonzept in Kitas und Schulen darstellen kann“.

Alternativ könnten Schulkinder über zwölf Jahren auch die Antigenschnelltests weiter nutzen, wenn die PCR-Kapazitäten nicht ausreichen. Anstatt zweimal wöchentlich sollten die Testungen dann dreimal in der Woche stattfinden, empfiehlt die Behörde in ihrem jüngsten Corona-Leitfaden. Gerade bei den Kindern und Jugendlichen würden die Schnelltests weiter gebraucht werden, meint Virologe Christian Drosten. In diesen Altersgruppen sei die Impfquote noch gering, das heißt, das Virus lässt sich noch gut nachweisen. „Da werden wir auch mit den Antigentests als Kontrolltool unvermindert vermindert weiterarbeiten können.“

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