Wo steht die Corona-Impfkampagne – und wie realistisch ist ein Impfangebot im Sommer?
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Eine Frau wird mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech geimpft.
© Quelle: picture alliance/dpa
Astrazeneca doch nur für Ältere, mögliches Thromboserisiko bei Johnson & Johnson, ausgehender Impfstoff bei den Hausärzten: In diesen Tagen folgt eine Negativbotschaft auf die andere, wenn es um die Impfkampagne in Deutschland geht. Besteht da noch berechtigte Hoffnung, dass bald alles etwas einfacher wird und immer mehr Menschen einen Impfschutz haben? Ein Blick auf die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Wie weit sind die Corona-Impfungen in Deutschland bisher fortgeschritten?
Laut dem offiziellen Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums wurden in Deutschland bisher insgesamt 20.049.936 Impfdosen verabreicht. Davon haben 14.773.908 Menschen (17,8 Prozent) eine Erstimpfung erhalten, 5.276.028 Deutsche (6,3 Prozent) sind bereits vollständig immunisiert.
Nach den Osterfeiertagen haben auch die Hausärzte damit begonnen, ihre Patienten gegen Covid-19 zu impfen. Seitdem ist die Zahl der täglichen Impfungen deutlich gestiegen. Die bisher meisten Corona-Impfungen wurden am 14. April mit insgesamt 738.501 Dosen durchgeführt. Vor Ostern betrug die Zahl der verimpften Dosen noch durchschnittlich 250.000 bis 300.000.
Wie viele Impfstoffdosen erhält Deutschland im zweiten Quartal – und wann kommen sie?
Sämtliche Lieferprognosen sind mit Unsicherheiten behaftet. Es kann kurzfristig zu Lieferengpässen kommen, es können neue Nebenwirkungen auftauchen. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet aber im zweiten Quartal 2021 mit rund 70 Millionen Covid-Impfdosen. Demnach wird das Vakzin von Biontech den größten Anteil ausmachen. Bundesgesundheitsminister Spahn ließ am Donnerstag verlauten, es seien vom Hersteller 50 Millionen Dosen im zweiten Quartal zu erwarten.
Wie aus einer Liste des Bundesgesundheitsministeriums mit Lieferprognosen der Hersteller für 2021 (Stand: 22. März) hervorgeht, soll Astrazeneca zwischen 12 und 15,4 Millionen Dosen zusätzlich zu den 5,7 Millionen aus dem ersten Quartal liefern. Zudem ist auch der Einstieg des Johnson & Johnson Impfstoffes mit 10,1 Millionen Dosen für das zweite Quartal angepeilt – vorausgesetzt, die Zulassung bleibt für den Impfstoff nach Prüfung der Thrombosefälle durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bestehen und die Lieferungen werden wieder aufgenommen. Unter der Annahme, dass das mRNA-Vakzin des deutschen Herstellers Curevac im Mai zugelassen wird, ist mit weiteren 1,4 Millionen weiteren Dosen zu rechnen. Eine Zulassung für das Mittel des französischen Herstellers Sanofi steht noch aus. Sie wird voraussichtlich erst im Herbst möglich.
Kann bis zum Sommer allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden?
Astrazeneca wird nur an die über 60-Jährigen verimpft, das Mittel von Johnson & Johnson wird vor Verimpfung nun auch auf Thromboserisiken untersucht: Trotzdem erwartet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass bis zum Ende des Sommers weiterhin jeder Impfwillige eine Corona-Impfung bekommen kann. Der CDU-Politiker verwies am Donnerstag in Berlin auf die erwarteten 50 Millionen Dosen von „Hauptlieferant“ Biontech/Pfizer im laufenden zweiten Quartal. „Das gibt schon mal viel Trittsicherheit auch mit diesem Impfstoff in einer sehr verlässlichen Liefersituation.“ Die Geschwindigkeit beim Impfen nehme zu und werde weiter zunehmen, versprach Spahn. Er sei weiterhin „Stand heute, mit allem, was wir haben und erwarten dürfen, sehr sehr sicher, dass wir im Sommer werden alle impfen können.“
In den Hausarztpraxen wird bisher nur der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer verimpft. Wann kommen weitere Vakzine hinzu?
Ab Mitte April sollen Hausärzte neben dem Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer auch das Vakzin von Astrazeneca verimpfen. Allerdings warnte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), davor, dass die Impfkampagne massiv ins Stocken geraten könne. „Den Praxen werden in den kommenden Wochen viel weniger Biontech-Dosen zugewiesen als versprochen, weil der Impfstoff offensichtlich vorrangig an die Impfzentren geht“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Die Zuteilung für die Hausärzte wurde halbiert. Daher wächst bei den niedergelassenen Ärzten die Sorge, dass sie in den kommenden Wochen eher weniger als mehr am Impfgeschehen teilhaben können.“
Die Belieferung der Hausärzte mit dem Astrazeneca-Vakzin könne die Biontech-Kürzungen nicht ausgleichen, so Gassen. Wann der mRNA-Impfstoff von Moderna in den Praxen einsatzbereit ist, ist noch unklar. Bisher machen logistische Probleme die Impfungen unmöglich.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt den Corona-Impfstoff von Astrazeneca nur für Personen über 60 Jahren. Was bedeutet das für die unter 60-Jährigen?
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern sind dem Rat der Ständigen Impfkommission (Stiko) gefolgt und empfehlen den Einsatz des Astrazeneca-Vakzins nur noch für Personen über 60 Jahre. Hintergrund sind mehrere Fälle von Hirnvenenthrombosen, die in zeitlicher Nähe zur Impfung aufgetreten sind – und die bisher vor allem Frauen unter 60 Jahren betrafen.
Alle unter 60-Jährigen – auch die, die bereits eine erste Impfdosis des Astrazeneca-Impfstoffes erhalten haben – sollen mit den mRNA-Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna geimpft werden, rät die Stiko. Zwischen der Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff und der Zweitimpfung mit einem mRNA-Vakzin sollte ein zeitlicher Abstand von zwölf Wochen eingehalten werden.
Erste Länder haben die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin komplett eingestellt. Wird Deutschland nachziehen?
Dänemark war das erste EU-Land, das am Mittwoch bekannt gab, auf den Einsatz des Corona-Impfstoffes von Astrazeneca dauerhaft zu verzichten. Als Grund nannte die dänische Gesundheitsverwaltung unter anderem die gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen, die in zeitlicher Nähe zur Impfung aufgetreten sind. Außerdem sei die Ausbreitung des Coronavirus im Land derzeit unter Kontrolle und es stünden andere Impfstoffe zur Verfügung.
In Deutschland zeichnet sich hingegen bislang kein kompletter Impfstopp für das Vektorvakzin ab, obwohl auch hier mehrere Verdachtsfälle von Hirnvenenthrombosen bekannt sind. Bis zum 2. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 42 Fälle nach einer Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff gemeldet, wie aus dem aktuellen Sicherheitsbericht der Behörde hervorgeht. 23 Betroffene litten zudem unter einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie).
Wann ist der vierte Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson in Deutschland einsatzbereit?
Der Corona-Impfstoff des US-amerikanischen Pharmakonzerns Johnson & Johnson war am 11. März in Europa zugelassen worden. Am Montag hatte der Impfstoffhersteller mit den Lieferungen in die EU-Staaten begonnen, einen Tag später jedoch mitgeteilt, dass sich der Marktstart verzögert. Grund dafür sind Berichte über Hirnvenenthrombosen. Das hat auch Auswirkungen auf die deutsche Impfkampagne. Denn bislang ist noch unklar, wann der Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson verimpft werden kann.
Insgesamt erwartet die EU-Kommission bis Ende Juni 55 Millionen Impfstoffdosen des Vektorvakzins. Rund zehn Millionen Dosen sollen nach Deutschland gehen. Die EU-Kommission hatte zudem bekanntgegeben, dass sie bei den nächsten Bestellungen für Corona-Impfstoffe vor allem auf die neuartige mRNA-Technologie setze. Dies bedeute aber nicht, dass Hersteller wie Astrazeneca und Johnson & Johnson bei künftigen Verträgen bereits aus dem Rennen seien oder deren Verträge nicht verlängert würden, stellte die Behörde klar.
Im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson sind ebenfalls Hirnvenenthrombosen aufgetreten. Was ist bisher über die Impfreaktion bei dem Vakzin bekannt?
Die Hirnvenenthrombosen sind im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson bisher nur in den USA aufgetreten. Dort hatte das Vakzin Ende Februar eine Notfallzulassung erhalten. Bislang wurden mehr als 7,2 Millionen Dosen des Impfstoffes verabreicht. Wie die US-Gesundheitsbehörden berichteten, haben bisher sechs Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren nach der Impfung an einer Hirnvenenthrombose gelitten. In drei Fällen sei zusätzlich ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) festgestellt worden. Eine Frau starb.
Die Europäische Arzneimittelagentur hat bereits damit begonnen, die Fälle der Hirnvenenthrombosen zu untersuchen. Für die kommende Woche wird mit einem Gutachten der Behörde gerechnet. Bis zur Entscheidung könne der Impfstoff aber weiter uneingeschränkt eingesetzt werden, erklärte die EMA.
Treten Hirnvenen-Thrombosen nur im Zusammenhang mit Vektor-Impfstoffen auf?
Nein, auch im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer sind Fälle von Hirnvenenthrombosen in Deutschland bekannt geworden. Das Paul-Ehrlich-Institut hat bis zum 2. April sieben Verdachtsfälle registriert. Betroffen gewesen seien drei Frauen im Alter von 34 bis 81 Jahren und vier Männer im Alter von 81 bis 86 Jahren, schrieb die Behörde in ihrem aktuellen Sicherheitsbericht.
Forscher der Oxford Universität kommen in einer neuen Studie ferner zu dem Ergebnis, dass es beim Einsatz von mRNA-Impfstoffen fast genauso häufig zu Blutgerinnseln kommt wie bei den Vektorvakzinen. Bei mehr als 480.000 Personen, die einen mRNA-Impfstoff erhielten, litten vier von einer Million Patienten unter einer Hirnvenenthrombose. Bei Patienten, denen das Astrazeneca-Vakzin verabreicht wurde, waren es fünf von einer Millionen Geimpften.
Die Studie zeigte zudem, dass das Risiko einer Hirnvenenthrombose im Falle einer Corona-Infektion um ein Vielfaches höher ist als bei einer Impfung gegen das Virus. In der Untersuchung mit mehr als 500.000 Covid-19-Patienten traten bei 39 von einer Million Patienten Hirnvenenthrombosen auf.
Wie gut wirken die bisher zugelassenen Corona-Impfstoffe vor den in Deutschland aufgetretenen Virusvarianten?
Aktuell geht das Robert Koch-Institut davon aus, dass die Impfstoffe auch gegen die neuen Linien wirksam sind. „Für die sich derzeit in Europa stark ausbreitende Linie B.1.1.7 sind die Auswirkungen auf die Effektivität der Impfstoffe als gering bis mäßig einzuschätzen“, heißt es seitens der Gesundheitsbehörde. Und weiter: „Sollte die Wirksamkeit der Impfstoffe jedoch durch weitere Mutationen der hier zirkulierenden Viren erheblich absinken, wäre es den Impfstoffherstellern möglich, die verfügbaren Impfstoffe innerhalb weniger Wochen entsprechend anzupassen.“
Das hierzulande für die Impfstoffprüfung zuständige Paul-Ehrlich-Institut geht davon aus, dass es für eine Anpassung der mRNA-Impfstoffe eine Zeitspanne von sechs Wochen brauche und zusätzliche sechs Wochen in der Produktion. Bei Vektorimpfstoffen wie von Astrazeneca erfordert die Anpassung Experten zufolge ein längeres Zeitfenster. Die Trägerviren, die das genetische Material des Erregers für die Immunantwort per Impfung in die Zellen schleusen, müssten erst herangezüchtet werden, erklärte Impfstofforscherin Marylyn Addo Anfang März in einem Gespräch mit dem Science Media Center. „Das dauert wahrscheinlich zwei bis drei Monate.“
Wann können Kinder und Jugendliche gegen Covid-19 geimpft werden?
Kinder und Jugendliche sind diejenigen, die auf noch nicht absehbare Zeit ungeimpft bleiben. Virologen rechnen damit, dass für den Effekt der Herdenimmunität auch diese Gruppe in der Bevölkerung geimpft werden müsse. Kinderärzte weisen zudem darauf hin, dass es auch viele junge Menschen mit Risikofaktoren für Covid-19 gibt. Bis aber wirklich geimpft werden kann, fehlen noch aussagekräftige Daten aus klinischen Studien und eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission in Deutschland.
Ob es in Deutschland eine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche geben wird, sei „bisher noch nicht absehbar“, heißt es in einem Steckbrief zur Corona-Impfung auf der Homepage des Robert Koch-Instituts (RKI). Es müsse durch die Zulassungsbehörden sichergestellt sein, dass dieser wirksam ist sowie ein sehr gutes Sicherheitsprofil aufweist.
Erste Schritte sind getan. Bei Astrazeneca und Moderna sind klinische Studien mit Jugendlichen bereits angelaufen. Biontech/Pfizer hat am vergangenen Freitag einen Antrag auf die Erweiterung der bestehenden Notfallzulassung für den Impfstoff bei den über 12-Jährigen bei der US-Arzneimittelbehörde (FDA) eingereicht. Ähnliche Anträge sollen laut einer Mitteilung „in den kommenden Tagen“ weltweit auch bei anderen Zulassungsbehörden eingereicht werden. Hintergrund sind erstmalig vorliegende Daten zur Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffes in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen. Laut klinischer Studie habe das Mittel eine Wirksamkeit von 100 Prozent gezeigt, hieß es unter Berufung auf Ende März veröffentlichte Ergebnisse. Die Impfung sei gut vertragen worden. Die Nebenwirkungen hätten jenen in der Altersgruppe von 16 bis 25 Jahren entsprochen, erklärten die Unternehmen.
mit Material der dpa