Zoonosen: Warum Human- und Tiermediziner enger zusammenarbeiten müssen

China, Guangzhou: Marderhunde liegen in engen Käfigen auf dem Xin Yuan Markt. Neben Fledermäusen sind auch Schuppentiere als möglicher Ausgangspunkt der Coronavirus-Pandemie im Visier der Forschenden.

China, Guangzhou: Marderhunde liegen in engen Käfigen auf dem Xin Yuan Markt. Neben Fledermäusen sind auch Schuppentiere als möglicher Ausgangspunkt der Coronavirus-Pandemie im Visier der Forschenden.

Frankfurt a.M. Marderhunde und Schleichkatzen, denen bei lebendigem Leibe das Fell abgezogen wurde, könnten mit ihren Todesschreien Corona in der Luft verbreitet und ihre Schlächterinnen und Schlächter angesteckt haben. So lautet eine Hypothese, wie das Sars-CoV-2-Virus in die Menschenwelt gelangt sein könnte. Ob die Forscher dem genauen Weg des Erregers je auf die Spur kommen, ist fraglich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Oktober eine weitere Untersuchung zum Ursprung des Virus angekündigt.

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Aber dass Covid-19 sich in die lange Liste von „Zoonosen“ wie Aids oder Ebola einreihen könnte, bei denen gefährliche Krankheiten aus der Tierwelt auf den Menschen überspringen, gilt in den Augen vieler Wissenschaftler als wahrscheinlich. Bei solchen Fällen zeige sich, wie alles ineinander spiele, sagt Christian Griebenow, Managing Director von „Tierärzte ohne Grenzen“ (ToGeV).

„Nur wenn Umwelt- und Klimagesundheit gewährleistet sind, können auch die Menschen und Tiere gesund sein.“ Wenn es um die Gesundheit der Menschen gehe, müssten der Umgang mit den Tieren und die Zusammenhänge von Umweltzerstörung, Klimawandel, Globalisierung und der Ausbreitung von Krankheitserregern viel mehr in den Fokus rücken, fordert er.

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„Raus aus der reinen Humanmedizin-Blase“

„Wir müssen raus aus der reinen Humanmedizin-Blase“, sagt seine Mitstreiterin Saskia Kreibich, selbst Humanmedizinerin. Für die Expertin der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) ist klar: „Wir Humanmediziner müssen viel mehr über die Veterinärmedizin und die Umwelt und deren komplexes Zusammenspiel und Ineinandergreifen nachdenken.“ Der Ansatz, den Menschen- und Tierärzte und -ärztinnen im Schulterschluss verfolgen, heißt „One Health“ (eine gemeinsame Gesundheit).

Zoonotische Krankheiten sind solche, die von Tier auf Mensch (Zooanthroponosen) oder von Mensch auf Tier (Anthropozoonosen) übertragen werden können. Auslöser können Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze oder Prionen (Eiweißstrukturen) sein. Bei manchen Zoonosen springt der Erreger im direkten Kontakt vom Tier auf den Menschen über, andere werden über die Luft transportiert oder über kontaminierte Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Eier.

Neben Zoonosen sind auch Krankheiten, die durch Überträger wie Stechmücken, Wanzen oder Zecken an den Menschen weitergegeben werden, ein großes Anliegen für „One Health“: Denn Malaria, Denguefieber und Co. verbreiten sich zunehmend mit dem fortschreitenden Klimawandel – auch hier ist der Zusammenhang zwischen Umwelt und Gesundheit offensichtlich.

Zwei Drittel neuer Infektionskrankheiten Zoonosen

Rund zwei Drittel aller beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten zählen laut UN-Erhebungen zu den Zoonosen. Beispiele dafür sind die Lungenkrankheit Sars, Ebola oder auch Aids und die menschliche Form des Rinderwahns, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. In so manchen Fällen haben Menschen dabei Tieren den Lebensraum streitig gemacht, Wälder zerstört und Straßen gebaut und kamen so in Kontakt mit den Erregern. Oder Tiere wurden aus wirtschaftlichen Gründen gefangen, ausgebeutet, misshandelt – und die Krankheit konnte überspringen. „Dass die Schnittmenge Mensch, Tier, Umwelt in den Vordergrund treten muss, machen die jüngsten Virusausbrüche mehr als deutlich“, sagt die Infektionsbiologin Kreibich.

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Vieles aber ist bei Zoonosen im Dunkeln. Zu den Risiken der Übertragung und den Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, müsse noch viel mehr geforscht werden, mahnen nicht zuletzt Experten und Expertinnen der Vereinten Nationen an. Anders als bei Corona fallen zudem Infektionen, die weniger Aufmerksamkeit in westlichen Ländern erregen, in der Forschung oft hinten runter. Eine ganze Reihe von Tropenkrankheiten werden nicht umsonst „vernachlässigt“ genannt, weil zu wenig Geld in Erforschung, Diagnose und Behandlung gesteckt wird.

Milzbrand in Äthiopien

Auch vor Ort ist Detektivarbeit gefragt. Selbst wenn Symptome bei Mensch und Tier in vielen Fällen unterschiedlich seien, ließen sich doch oft Zusammenhänge vermuten, denen man dann nachgehen müsse, erklärt Griebenow. So sei etwa Milzbrand in Äthiopien in den Blickpunkt gerückt, nachdem die Tierärztinnen und Tierärzte – eigentlich auf Impftour bei Vieh unterwegs - schwere Hautausschläge bei Menschen beobachtet hatten. Übertragen wurde das Anthrax-Bakterium vermutlich über Felle von Eseln. Immer wieder stoße man aber auch auf verschiedene Übertragungswege, sagt Griebenow. „Man denkt, man hat den einen – und dann war es nicht der einzige, oder er hat sich verändert“, erklärt er.

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Im Falle von Covid-19 sind seit Anfang 2020 viele Vermutungen verbreitet worden. Neben der These, dass der Erreger aus einem Labor gedrungen sein könnte, wird vorrangig genannt, dass das Virus von Fledermäusen stammt und wahrscheinlich über ein anderes Tier in die Menschenwelt gebracht wurde. Die in Asien äußerst beliebten Schuppentiere Pangoline wurden als mögliche Zwischenwirte ins Spiel gebracht – oder eben auch Marderhunde und Schleichkatzen.

RND/epd

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