Adam Cohen: „Ich vermisse meinen Vater Leonard jeden Tag“

Auftrag erfüllt: Adam Cohen, Sohn des Songwriters Leonard Cohen (hier bei einer Preisverleihung für seinen Vater, 2017 in Montreal) hat ein Album mit liegengebliebenen Songs seines Vaters fertiggestellt. "Thanks for The Dance" ist am 22. November erschienen.

Auftrag erfüllt: Adam Cohen, Sohn des Songwriters Leonard Cohen (hier bei einer Preisverleihung für seinen Vater, 2017 in Montreal) hat ein Album mit liegengebliebenen Songs seines Vaters fertiggestellt. "Thanks for The Dance" ist am 22. November erschienen.

Die Welt ist ärmer geworden an dem Tag, als der Songwriter Leonard Cohen starb. Seinem Sohn Adam, der ebenfalls Musiker ist, gab er den Auftrag, aus unvollendetem Material ein Album zusammenzustellen. Die Arbeit in einer Garage in Los Angeles wurde für Adam Cohen die Möglichkeit zu einer Begegnung mit seinem Vater.

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Adam Cohen, Sie haben das postume Album „Thanks for the Dance“ Ihres Vaters Leonard fertiggestellt. Wie haben Sie das Material vorgefunden?

In manchen Fällen gab es Melodien und auch ein paar schöne musikalische Ideen, die begonnen waren, aber noch nicht fertig. Und in manchen Fällen gab es nur die Stimme meines Vaters.

Hat Ihr Vater gesprochene Versionen von all seinen Gedichten gemacht?

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Es gibt von ihm das „Book of Longings“ (Buch der Sehnsüchte), auf dem er viele gesprochene Gedichte veröffentlicht hat. Aber diese Stücke hier waren dafür vorgesehen, von Musik begleitet zu werden. Es waren Songs, mit denen wir angefangen hatten, als wir an dem Vorgängeralbum „You Want It Darker“ von 2016 arbeiteten. Wir hatten kein Skript, aber es schälte sich damals eine Story heraus. Und die Story bei „You Want It Darker“ war, wie der Titel schon nahelegt, eine von Schwere und Endgültigkeit. Da war kein besonders großer Platz für Zärtlichkeit und Romantik übrig. Diese jetzt veröffentlichten Songs blieben nicht etwa liegen, weil sie nicht gut gewesen wären, sondern weil sie nicht mehr zum Thema passten. Wäre er am Leben geblieben, hätten wir sie gemeinsam fertiggestellt. Und weil die Zeit nicht reichte, bat er mich, das zu tun.

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Sie haben das alles in einer Garage in Los Angeles vollendet.

Ja, in meiner eigenen umgebauten Garage, nur ein Stück die Straße runter vom Haus meines Vaters. Ich bin dorthin gezogen, als er krank wurde, um ihm näher sein zu können. Auch Javier Mas, der Gitarrist, der ihn in den letzten Jahren auf Tour begleitet hatte, kam für die Musikaufnahmen aus Barcelona in diese Garage.

Wie waren die Sessions?

Es ging alles erst mal sehr schnell. So schnell, wie ich noch nie gearbeitet hatte. Neunzig Prozent waren binnen zwei Wochen fertig. Dann fiel eine große Unsicherheit auf meine Schultern. Ich verlor das Selbstvertrauen komplett, und am Ende war ich dann sogar froh, es verloren zu haben. Denn ich suchte viel bessere Plattenmacher um Rat auf, als ich selbst es bin – Damien Rice, Beck, Daniel Lanois, Leslie Feist und viele andere, die zum Teil auch auf dem Album mitwirken. Zum Glück bestätigten sie meine Arbeit und gaben ihren Segen. Sie sagten, diese Musik würde Leonard Cohen lebendig halten.

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Als Sie in der Garage waren, war Ihr Vater da bei Ihnen? Spürten Sie seine Präsenz?

Absolut. Ich brauchte sieben Monate, um nach seinem Tod wieder mit diesen unvollendeten Liedern arbeiten zu können. In diesem Raum zu sitzen mit seiner Stimme, die über die Lautsprecher kam, das war in vielerlei Hinsicht eine Konversation mit ihm, eine Möglichkeit, in seiner Gesellschaft zu bleiben. Es war eine Gemeinschaft. Es fühlte sich an, als gäbe er mir Instruktionen, wie ich das Album abschließen könnte.

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Hat Sie diese Arbeit traurig gemacht?

Die meiste Zeit über war ich dankenswerterweise auf die Arbeit fokussiert. Die Verantwortung, die ich hatte, war ein guter Weg, mich abzulenken. Sein Auftrag an mich war gewesen, etwas Schönes, Erinnerungswertes hervorzubringen, um ihn zu ehren.

Auf „You Want It Darker“ haben Sie beide tatsächlich zusammengearbeitet. Nach meiner Erfahrung heraus ist es nicht immer einfach, mit dem eigenen Vater zu arbeiten.

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Das ist wahr (lacht), da haben Sie recht. Ich will nicht ins Detail gehen, aber zuweilen war das schon kompliziert. Ich war aber auch dankbar für die Gelegenheit, anderer Meinung sein zu können als mein Vater. Es war noch einmal ein Erwachsenwerden, von diesen Meinungsverschiedenheiten zu lernen.

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Welche gab es denn zum Beispiel?

Dazu möchte ich nichts sagen. Es war nur so: Am Ende war er immer der Captain, der Kommandant. Und (lacht): Wenn ich mal eine Auseinandersetzung „gewonnen“ hatte, dann wohl nur, weil er mich gewinnen ließ.

Der Albumtitel „Thanks for the Dance“ – ist er eine Metapher für den Blick Ihres Vaters aufs Leben?

Es gibt eine Zeile von ihm in dem Song „Boogie Street“, die ich sehr liebe, sie ist ein sehr leichtes Statement von einem so gewichtigen Mann. Sie heißt: „So come, my friends, be not afraid, we are so lightly here“. So sah er das, und ganz sicher bezog er sich im Titelsong des neuen Albums auf das Leben als Tanz.

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Der Gedichtband „The Flame“ aus dem Vorjahr und das neue Album beginnen beide mit dem Gedicht beziehungsweise dem Song „Happens to the Heart“, wenn auch in verschiedenen Versionen. Das ist kein Zufall, oder? Das Stück klingt wie eine Lebensbeichte, wie ein zentrales Werk.

Mein Vater war bekannt für seine dauerhafte Arbeit an einem Stück. Für „Hallelujah“ schrieb er endlos Verse, er hat den Marmor des Songs weidlich bemeißelt, was auch bei „Happens to the Heart“ so war. Dieses Gedicht war das „Hallelujah“ seiner späten Jahre. Er hatte Dutzende Strophen geschrieben und eine war unglaublicher als die andere. Es war seine Obsession – so schlicht und doch so transzendent. Das Gedicht und der Song haben die ganze Gravitas eines alten Mannes, der Bilanz zieht. Darin ist sein Humor zu finden und sein Sinn fürs Metaphysische. Meiner Meinung nach ist es einer seiner schönsten Texte. Die Version auf dem Album ist allerdings die einzige, die er rezitiert hat.

Der Mann, der im Video zu „Happens to the Heart“ durch den nebligen Herbstwald geht, scheint zunächst alt zu sein. Dann entpuppt er sich als jung, entledigt sich unter Tränen seiner Kleider, wird von einem buddhistischen Mönch in Obhut genommen und schwebt am Ende in Meditation über einem Felsplateau. Ist das auch die Lebensgeschichte ihres Vaters?

Ihr Eindruck berührt mich. Ja, der Schauspieler sollte schon Leonard Cohen darstellen, aber nicht zu aufdringlich. Es sollte zugleich eine vertraute Geschichte für die erzählt werden, die das Leben meines Vaters kennen, und dabei Raum für eigene Deutungen gelassen werden.

Ein anderer Song heißt „Puppets“. In ihm wird eine Spielzeugwelt erschaffen, und gleich zu Anfang heißt es: „German puppets burnt the jews, / jewish puppets did not choose.“ War das der Versuch, das Unvorstellbare des Holocausts vorstellbar zu machen?

„Puppets“ war immer eines meiner Lieblingsgedichte meines Vaters. Ich hörte es oft – in der Küche oder im Wohnzimmer. Es vermittelt eine Position der Güte und zugleich der Kühnheit. Es erzählt, dass niemand der Macher ist, dass niemand falsch liegt. Niemand ist der Verlierer und niemand der Gewinner. Dieser Text ist ein unglaubliches Schreibmanöver, und es war für mich eine besondere Mission, dafür Musik zu finden. Ich war geradezu besessen davon.

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Auf der Bühne schien Leonard Cohen weise, freundlich generös. Wie war er als Vater – war er der „Kids first“-Vater oder der „Stör den Poeten nicht“-Vater?

Da muss ich etwas weiter ausschweifen. Ich empfinde eine sich immer mehr vertiefende Bewunderung für meinen Vater. Ich sehe ihn immer weniger als meinen Vater und immer mehr als diesen Mann, der ein Leben voller Wahlmöglichkeiten hatte und dessen Wahlen bemerkenswert waren. Seine Hingabe, Papier mit Tinte zu füllen, Bedeutung und Schönheit in die Welt zu bringen. Hörst du dir Dylan an, dann weißt du, welche Einflüsse er hatte. Man kann es in seiner Musik hören. Und hörst du die Beatles und die Rolling Stones, dann weißt du auch, woher ihre Musik kam. Aber als Leonard Cohen auf der Bildfläche erschien, gab es keinen wie ihn. Wenn du dir „Suzanne“ anhörst – niemand sang damals wie er. Er war einzigartig und bewahrte sich seine Einzigartigkeit bis zum Ende. Nach meinem Dafürhalten ist er eine geschichtliche Persönlichkeit. Er ist mehr als ein Vater.

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Das ist Ihre Antwort?

Das ist meine Antwort.

Als Sie beide das Vorgängeralbum „You Want It Darker“ aufnahmen, bestand da noch Hoffnung? Es gibt ja Leukämie, die kontrollierbar oder sogar heilbar ist.

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Er wusste, dass es das Ende war. Er wusste damals, dass es das letzte Album sein würde, dass es für ihn keine Hoffnung mehr gab.

Als Mann, der in Interviews zu sagen pflegte, er habe seine Kunst nicht durch die Depression, die ihn Jahrzehnte begleitete, sondern trotz der Depression – hatte Ihr Vater am Ende seinen Frieden gefunden?

Er fragte die Leute oft: „Haben Sie Meditation ausprobiert?“ Und wenn sie verneinten, sagte er: „Gut. Das bedeutet, dass sie sie nicht brauchen. Denn wenn Sie sie brauchen würden, würden Sie danach streben.“ Meditation war sein Heilmittel gegen tiefe, tiefe Unruhe und Depression. Er fand in Meditation etwas, das wunderschön war und das ihn aus der Dunkelheit holte. In sehr jungem Alter, es muss in seinen Zwanzigern gewesen sein, schrieb er ein Gedicht, in dem er sagte: „Ich habe ein Mandat von Gott, in die Dunkelheit zu gehen. Um wieder daraus hervorzukommen mit etwas Bedeutsamem.“ Und ich glaube, das war, was er tat.

Ihr Vater starb einen Tag vor Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten. Seither sind Übel wie Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und sogar Antisemitismus speziell in Deutschland gewachsen. Was würde er zu der Welt von heute sagen?

Ich glaube nicht, dass er überrascht wäre. Hören Sie seine Lieder aus den frühen Neunzigerjahren, in denen es heißt: „Demokratie kommt auf die USA zu“, oder: „Ich habe die Zukunft gesehen, sie ist ein Morden.“ Mein Vater war nicht so optimistisch.

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„Thanks for the Dance“ ist jetzt in der Welt. Wird es in Zukunft noch weitere postume Leonard-Cohen-Alben geben?

Nein. Es ist nichts mehr übrig. Dies sind definitiv die letzten ungehörten Songs von Leonard Cohen. Das ist das letzte Angebot.

Vermissen Sie Ihren Vater?

Ich vermisse ihn jeden Tag. Jeden Tag. Aber da ist auch die große Dankbarkeit, ihn gehabt zu haben. Und anders als andere Kinder habe ich immer noch seine Stimme.

Wie wird es mit Ihnen weitergehen. Sie haben sich um die Gedichte, die Bilder und die Musik Ihres Vaters gekümmert. Machen Sie jetzt mit Ihrer eigenen Musik weiter? Schließlich ist Ihr letztes Album „We Go Home“ nun schon fünf Jahre her.

Das ist eine sehr großzügige Frage. Es hatte für mich Priorität, mich um das Werk meines Vaters zu kümmern. Das war keine gewählte Priorität, es war selbstverständlich. Wenn ich den inneren Frieden dazu finde, die Klarheit und den Mut, wenn ich herausfinden kann, ob meine musikalischen Arbeiten wertvoll genug sind, ihnen meine Zeit zu widmen, dann wird die Antwort „Ja“ lauten.

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Adam Cohen (47) ist der Sohn von Leonard Cohen und Suzanne Elrod. Er hat eine jüngere Schwester, Lorca, und hat einen zwölfjährigen Sohn namens Cassius. Sein Privatleben beschweigt er hartnäckig. Mit der Band Low Million hat er 2004 ein Album aufgenommen, seit 1998 sind vier Soloalben von ihm erschienen: „Adam Cohen“ (1998), „Mélancolista“ (2004), „Like a Man“ (2012) und „We Go Home“ (2014). Als sein Vater schwer erkrankte, unterstützte er ihn, kümmerte sich um Ausstellungen und produzierte Leonard Cohens letztes zu Lebzeiten aufgenommenes Album „You Want It Darker“. Sein Vater beauftragte ihn vor seinem Tod damit, liegen gebliebene Songs fertigzustellen. Aus denen wurde nun das postume Album „Thanks for the Dance“.

Leonard Cohen (1934–2016) zählt zu den bedeutendsten Songwritern der Popmusik. Seine Fans hielten ihn für den wichtigsten Aspiranten für einen zweiten Songwriter-Literaturnobelpreis. Er wurde im kanadischen Montreal geboren und war zunächst Schriftsteller/Dichter, bevor er 1967 auf dem Newport-Festival sein Debüt als Sänger gab. Zu seinen Klassikern zählen Songs wie „Suzanne“, „Bird on the Wire“, „So long, Marianne“, „Tower of Song“, „First We Take Manhattan“, „Who by Fire“, „Dance Me to the End of Love“, „Joan of Arc“ und (das am meisten gecoverte) „Hallelujah“. Er starb 2016 in Los Angeles an Leukämie.

Leonard Cohen: „Thanks for the Dance" (Columbia) erscheint am 22. November.

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