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Berlinale 2021: Ein komprimiertes Hoffnungszeichen für das Kino

Hassan Akil und Manal Issa in einer Szene aus „Memory Box“. Der Film von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige gehört zu den Wettbewerbsfilmen der Berlinale 2021.

Hassan Akil und Manal Issa in einer Szene aus „Memory Box“. Der Film von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige gehört zu den Wettbewerbsfilmen der Berlinale 2021.

Berlin. Der Ort der Verkündung hätte kaum demonstrativer gewählt werden können: Das Berlinale-Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian hatte in einem leeren Kino Platz genommen, um das Wettbewerbsprogramm der zweigeteilten Not-Berlinale 2021 vorzustellen – und die meisten roten Sessel waren mit unheilvollen Kreuzen beklebt. In Corona-Zeiten darf dort niemand wegen der gebotenen Abstandsregeln sitzen – wenn denn die Kinos geöffnet wären.

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Im Februar 2020 hatte das neue Führungsteam bei seiner Premiere das letzte cineastische Großereignis vor der Pandemie verantwortet. Rund eine halbe Million Besucher kamen zu den 70. Internationalen Filmfestspielen von Berlin. Ach, was war das für ein herrliches Gedränge und Geschubse am Potsdamer Platz. Just an diesem Donnerstag hätte die 71. Berlinale beginnen sollen, wie sie ursprünglich geplant war.

Die zweigeteilte Berlinale

Nun musste eine Veranstaltungsform gefunden werden, mit der dem Virus getrotzt werden kann. Die Lösung soll eine zweigeteilte Berlinale sein: ein rein digitaler Kinomarkt für Branchenvertreter vom 1. bis 5. März, bei dem auch ein auf 15 Werke komprimierter Wettbewerb allein für Jury und Journalisten zu begutachten ist, und eine Publikums-Berlinale im Juni. Dann sollen die schon im März gekürten Bären-Sieger ausgiebig gefeiert werden.

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Die digitale Plattform sei ein Vorgeschmack, so Rissenbeek. Im Juni wolle man „Flagge fürs Kino zeigen, gemeinsam mit den Kinobetreibern in der Stadt”. Die Vorstellungen sollen auf rund ein Dutzend Kinos verteilt werden. Auch Open-Air-Vorführungen sind geplant.

Das Leitungsduo der Berlinale, Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin, und Carlo Chatrian, künstlerischer Direktor.

Das Leitungsduo der Berlinale, Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin, und Carlo Chatrian, künstlerischer Direktor.

Deutsche stark vertreten

Die Papierform zeigt vor allem eines: Der Wettbewerb blickt zwar in einige (Krisen-)Ecken des Weltkinos, etwa nach Mexiko („Una Película de Policías”), in den Libanon („Memory Box”) oder den eng mit der Berlinale verbundenen Iran („Ballad of a White Cow”) – aber so stark wie 2021 waren Deutsche bislang wohl nicht einmal in der Ära Dieter Kosslick vertreten. Mit den schwierigen Bedingungen der Filmpräsentation scheinen sie sich arrangiert zu haben.

Wenig überraschend im Wettbewerb ist die Nennung des Berlinale-Veteranen Dominik Graf mit der Verfilmung von Erich Kästners Großstadtroman „Fabian”. Maria Schrader – gerade auch im Golden-Globe-Rennen mit ihrer Netflix-Serie “Unorthodox” – tritt mit der Komödie „Ich bin dein Mensch” an. Daniel Brühl, bislang bekannt als Schauspieler, liefert mit „Nebenan” sein Regiedebüt ab. Und Maria Speth stellt den Dokumentarfilm „Herr Bachmann und seine Klasse” vor.

Durch die Bank Weltpremieren

Als Coup lässt sich die Buchung von „Petite Maman” der Französin Céline Sciamma betrachten, die mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen” (2019) für Furore sorgte. Ebenfalls dabei sind im Arthouse-Kino wohlbekannte Namen wie der Südkoreaner Hong Sangsoo, der Franzose Xavier Beauvois und der Rumäne Radu Jude.

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Bei sämtlichen Filmen handelt es sich um Weltpremieren: Erst kommt die Leinwand, dann kommen all die anderen Verwertungskanäle, die dem Kino das Überleben heute so schwer machen.

Hollywood hatte schon in vergangenen Jahren mitten in der eigenen Oscarsaison wenig Interesse an der Berlinale gezeigt. Aufs US-Kino konnte nun also erst recht niemand bauen. In der „Gala“-Reihe „Berlinale Special” ist zumindest das Drama „The Mauritanian” über einen Guantanamo-Gefangenen zu finden, stargespickt mit Jodie Foster und Benedict Cumberbatch. Ob sich einer von ihnen im Juni tatsächlich die Ehre in Berlin geben wird?

Was fehlt, sind heiß gehandelte Werke etwa von Wes Anderson oder Jacques Audiard. Deren Filme sind für Cannes im Gespräch – wenn dieses Festival denn im Sommer analog stattfinden kann. Im vorigen fiel es komplett aus.

Chatrian zeigte sich am Donnerstagvormittag beinahe überrascht: Die Auswahl sei nicht so düster wie im Vorjahr, spürbar sei aber überall ein Gefühl des Unbehagens. „Die Filmemacher haben nicht ihr Vertrauen in die Menschheit und menschliche Beziehungen verloren”, sagte er. Die Disruption durch die Pandemie habe sie veranlasst, „Kraft aus dieser Situation zu schöpfen und zutiefst persönliche Filme zu kreieren”.

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Ein Hoffnungszeichen fürs Kino ist jedenfalls gesetzt: Die Berlinale 2021 findet statt.

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