Bluten lassen! – Vor 50 Jahren erschien „Let It Bleed“ von den Rolling Stones

Vier Helden des Blues und Rock 'n' Roll: Die Rolling Stones (v. l. Ronnie Wood, Mick Jagger, Charlie Watts und Keith Richards) arbeiten angeblich an einem neuen Album. Vorerst erscheinen alte Heldentaten neu – zuletzt zwei Livealben der „Bridges to Babylon“-Tour und eine Jubiläumsedition ihres Albumklassikers „Let It Bleed“, das am 29. November 1969 erschien.

Vier Helden des Blues und Rock 'n' Roll: Die Rolling Stones (v. l. Ronnie Wood, Mick Jagger, Charlie Watts und Keith Richards) arbeiten angeblich an einem neuen Album. Vorerst erscheinen alte Heldentaten neu – zuletzt zwei Livealben der „Bridges to Babylon“-Tour und eine Jubiläumsedition ihres Albumklassikers „Let It Bleed“, das am 29. November 1969 erschien.

Es war ein veröffentlichungsreiches Jahr für die Rolling Stones. Zunächst kam Keith Richards mit einem üppig mit Bonusstücken versehenen Reboot seines 1989er-Solodebüts „Talk Is Cheap“ in die Läden. Mit jeweils zwei CDs und einer DVD blickte die Band jüngst auf ihre „Bridges to Babylon“-Tour der späteren Neunzigerjahre zurück: „Bridges to Buenos Aires“ und „Bridges to Bremen“ zeigen die Stones am Höhepunkt ihrer Giga-Bühnenshows. Und Gitarrist Ronnie Wood widmete sich jüngst mit dem Livealbum „Mad Lad“ vorwiegend dem Werk des 2017 verstorbenen, von den Stones sehr verehrten Rock-’n’-Roll-Hohepriesters Chuck Berry. 2019 war also irgendwie schon ein Stones-Jahr.

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„Mick und ich arbeiten viel an neuen Songs wenn wir ,on the road‘ sind. Was demnächst wieder der Fall sein wird. Ich hoffe, dass es Ende des Jahres ein neues Album von uns geben wird“, stellte Keith Richards noch im April im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland in Aussicht.

Nun aber geht auch 2019 offenbar ohne neue Songs aus den Werkstätten von Keith Richards und Mick Jagger zu Ende. Und auch das (vorletzte) Stones-Datum des Jahres 1969 ist ein Blick in die Vergangenheit: Heute vor 50 Jahren erschien „Let It Bleed“, das zweite der vier unbestrittenen Studiomeisterwerke, die die Londoner zwischen 1968 und 1972 vorlegten.

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Nein, die Stones hatten den Titel nicht von den Beatles gestohlen damals – „Let It Bleed“ kam fünf Monate vor dem finalen „Let It Be“ der Liverpooler Konkurrenz (was heute oft durcheinandergeht). Das Beatles-Werk sollte überdies eigentlich „Get Back“ heißen, also einen optimistischen Titel tragen, aufgrund des aufgelösten Zustands der Fab Four (tatsächlich erschien die Platte knapp einen Monat nach dem Bandende) wurde sie dann epitaphmäßig benannt. „Let It Bleed“ erschien dagegen fast auf den Tag genau zwei Monate nach „Abbey Road“ der Beatles, wurde als Antwort begriffen und verdrängte die Beatles-Platte zu Hause in England von der Chartsspitze.

Von Februar bis Oktober 1969 hatten die Stones ihr achtes Studioalbum in den Londoner Olympic Studios aufgenommen. Von Brian Jones, dem Mitbegründer und Gitarristen der Band, waren dabei nur noch zwei Beiträge zu hören – eine Zither auf „You Got the Silver“ und eine Conga bei „Midnight Rambler“.

Ry Cooder spielte Mandoline, Al Kooper das Waldhorn

Sein Nachfolger Mick Taylor – Jones wurde im Juli tot in seinem Swimmingpool gefunden (ein PR-Desaster für die Stones) – spielte ebenfalls nur bei zwei Songs mit. Erstmals versuchte Keith Richards sich als Sänger („You Got the Silver“) und der spätere langjährige Live-Saxofonist der Stones, Bobby Keys, gab mit „Live with Me“ sein Debüt. Ry Cooder spielte Mandoline, Al Kooper Waldhorn und Byron Berline eine Fiedel.

Textlich war das Album düster gehalten, es passte perfekt in die Zeit von Vietnam, der Bürgerrechtsbewegung, der Revolutionsstimmung an den Universitäten. „Oh ein Sturm bedroht mein nacktes Leben“, waren Jaggers erste Sätze im ersten Song „Gimme Shelter“, „und wenn ich keinen Schutz bekomme, wird es mit mir vorbei sein!“

Um dann direkt zu werden: „Krieg, Kinder, ist nur einen Schuss weit weg!“ Die Bezugnahme auf den Vietnamkrieg bestätigte Mick Jagger 1995 in einem Interview mit dem amerikanischen Magazin „Rolling Stone“: „Obwohl ich nur zeitweise in Amerika lebte, war ich beeinflusst. All diese Bilder waren im Fernsehen. Dazu der Aufruhr an den Universitäten.“

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Blues war seit „Beggar’s Banquet“ (1968) wieder der musikalische Kern bei den Stones geworden, nachdem sie bis zu dem Album „Their Satanic Majesties Request“ (1967) immer mehr in Richtung des angesagten Psychedelic Pop gedriftet waren. Aber auf „Let It Bleed“ wurden dann auch andere Americana-Gefilde bereist – Country etwa im Titelsong oder bei „Country Honk“, einer Art Nashville-Version der im Sommer davor veröffentlichten Single „Honkytonk Women“.

Und dann gab es auch Gospel – bei „Gimme Shelter“ und dem das Album beschließenden siebeneinhalbminütigen „You Can’t Always Get What You Want“. Der Songtitel scheint einen tröstlichen Ausklang zu versprechen, aber auch hier finden sich kaputte Seelen und blutverschmierte Hände. Der London Bach Choir verlieh dem Stück einen geradezu monumentalen Rahmen. Und Jagger sprach von ihm 1969 als bewusstes Gegenstück zu „Hey Jude“ von den Beatles. In Großbritannien und den Niederlanden erreichte „Let It Bleed“ die Nummer eins, in Australien und Norwegen Platz zwei, in den USA und (West-)Deutschland Platz drei.

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Und nun ist das Jahr der Stones-Rückschauen auch nur fast zu Ende. Das letzte Stones-Datum 2019 wird am Nikolaustag das 50-jährige Jubiläum des Altamont Free Concerts sein. Einen Tag nach der verzögerten amerikanischen Veröffentlichung von „Let It Bleed“ stieg das ehrgeizige Gegen-Woodstock der Stones auf dem Altamont Speedway bei Livermore in Kalifornien. Es sollte eigentlich das grandiose Finale des größten Jahres der Rockmusik werden.

Einen Tag nach dem US-Release von „Let It Bleed“ floss Blut in Altamont

Aber die Organisation war dann ähnlich chaotisch wie im Sommer in Woodstock und man hatte als Platzordner ausgerechnet die notorisch nicht zimperlichen Hells Angels verpflichtet. Am Ende floss tatsächlich Blut, der schwarze Fan Meredith Hunter wurde vor der Bühne von einem der Angels erstochen. Vier Tote wurden insgesamt vermeldet: Hunter, ein Ertrunkener und zwei Überfahrene. Die auf Ausgleich bedachte Nachricht, es habe auch vier Geburten gegeben, erwies sich als Zeitungsente.

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Altamont markiert heute die Wende der Rockmusik von gelebter Gegenkultur hin zur Durchkommerzialisierung des Lebensgefühls. Gewalt gab’s schon bei Bill Haley, in Kauf genommen, um sich ein Geschäft nicht durch die Lappen gehen zu lassen, wurde sie aber erstmals in Altamont. Was nichts an der Großartigkeit von „Let It Bleed“ ändert. Und nichts an der Tatsache, dass wir 50 Jahre nach seinem Erscheinen weiterhin sehnsüchtig auf frische Stones-Songs warten.

The Rolling Stones „Let It Bleed – 50th Anniversary Vinyl Box“ (Universal) bereits erschienen

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