Ein Film stochert in der armenischen Wunde
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Geraten in die Wirren von Krieg und Völkermord: Journalist Chris Myers (Christian Bale) und Künstlerin Ana (Charlotte Le Bon).
© Quelle: Foto: Capelight Pictures
, Hannover. Die Handlung bewegt sich auf vielfach erprobtem Terrain: Eine Liebe in Zeiten des Krieges hat Oscar-Regisseur Terry George („Hotel Ruanda“) inszeniert. Eine mutige Frau zwischen zwei Männern, drum herum Leid und Tod. Und doch steckt in „The Promise“ heftiger Konfliktstoff, weil sich der Film eines bis heute nicht bewältigten historischen Themas annimmt.
Dieser Film missfällt der türkischen Regierung zutiefst
Der türkischen Regierung gefällt dieser Film gar nicht – zum Beispiel deshalb, weil hier ein (amerikanischer) Journalist zwischenzeitlich in einem türkischen Gefängnis sitzt und bezichtigt wird, ein Spion zu sein, nur weil er seinen Job gemacht hat. Das kommt einem irgendwie aus unserer Gegenwart bekannt vor, auch wenn „The Promise“ vor einem guten Jahrhundert spielt. Vor allem aber stochert der Film in einer schwärenden Wunde: Er erinnert an den Genozid an den Armeniern, den es nach türkischer Lesart ja gar nicht gegeben hat. Tatsächlich wurden bis zu 1,5 Millionen Menschen im Schatten des Ersten Weltkriegs ermordet, viele Armenier starben auf Todesmärschen, verursacht durch Deportationen. Als Finanzier hinter dem Filmprojekt steht Kirk Kerkorian, ein vor zwei Jahren verstorbener armenischer Multimilliardär, reich geworden im Entertainment-Business und bekannt als „König von Las Vegas“. Sein Auftrag an seine eigene Produktionsfirma mit dem bezeichnenden Namen Survival Pictures lautete: Erinnert an den Völkermord! Die Kinoleute haben ihre Mission für rund 100 Millionen Dollar so gut erfüllt, dass „The Promise“ schon bei seiner Premiere in Toronto im Vorjahr für Seltsamkeiten sorgte.
Internettrolle voteten den Film nach unten
Kaum war der Filmabspann vorüber, hagelte es auf der Website IMDB (Internet Movie Database) tausendfache Negativwertungen – dabei hatten nur ein paar Festivalzuschauer „The Promise“ gesehen. Die türkischen Machthaber, so stellte sich heraus, hatten offenbar Internettrolle losgelassen, die den Film nach unten voteten – und lenkten gerade dadurch Aufmerksamkeit auf „The Promise“.
Jetzt startet das hochkarätig besetzte Historiendrama in den Kinos: Der armenische Medizinstudent Michael (Oscar Isaac) reist im Jahr 1914 zum Studium nach Konstantinopel. Der idealistische junge Mann verliebt sich in die Französin Ana (Charlotte Le Bon), die wie Michael armenische Wurzeln hat und mit dem US-Fotojournalisten Chris (Christian Bale) liiert ist. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus, die Lage für Armenier wird immer bedrohlicher – und Ana und Michael werden in den Wirren erst einmal voneinander getrennt.
Liebesgeschichte als Rahmen für das große Sterben
Die Liebesgeschichte bildet den Rahmen, und man fragt sich immer wieder, ob Romantik nicht doch die falsche Idee ist, wenn drumherum in großem Stil gestorben wird. Doch verliert der Regisseur das Ziel nicht aus dem Blick: Wir sehen Menschenreihen unterwegs ins Nirgendwo. Auch der Widerstand der Armenier, die sich auf dem Berg Musa Dagi verschanzten (und über die Franz Werfel 1933 seinen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ schrieb), wird geschildert.
Schon der türkischstämmige Hamburger Fatih Akin tat sich schwer, dem Völkermord an den Armeniern in „The Cut“ eine angemessene Form zu geben. Dem Nordiren Terry George gelingt dies nicht besser. Der Widerspruch zwischen historischem Trauma und Liebesstory ist nicht aufzuheben. Sein Versprechen aber erfüllt „The Promise“: Der Film verankert den Genozid im Gedächtnis des Publikums.
Von Stefan Stosch / RND