“Falscher Prophet” – Bob Dylan kündigt Doppelalbum an

Hannover. “Hallo Fremder”, knarzt Bob Dylan in seinem Blues “False Prophet” durch seine Anklage. “Es ist ein langer Abschied. Du hast das Land beherrscht, aber ich auch. Du hast dein Maultier verloren, du hast ein vergiftetes Hirn. Ich verheirate dich mit einer Kette und einer Kugel.” Natürlich fällt einem bei diesen Zeilen sofort jemand ein, der mit dieser unfeinen Anrede gemeint sein könnte.

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Es gibt diesen einen (73 Jahre, orangefarbenes Haar), der über das Land regiert und jeden Tag fremdartiger wirkt, dem tatsächlich längst die Zügel entglitten sind, dessen Worte und Taten gar oft Schlimmes über den Zustand seines Schädelinhalts ahnen lassen und den man sich zur Erheiterung schon mal gern in einer klassischen amerikanischen Chaingang vorstellt. Die Bizarrerien, die dieser Mann sich bei seinen Managementversuchen in der Corona-Krise geleistet hat, könnten ihn doch die von ihm sicher geglaubte Wiederwahl kosten, und all seine treuen, indiskutablen Paladine sorgen sich – sollte die Pandemiezeit ein langer Abschied sein – um die politischen Konsequenzen ihrer Nibelungentreue.

Wer bitte steckt hinter “Miss Pearl”?

Selbstverständlich nennt Bob Dylan keinen Namen. Andere Personen im Text sind eindeutiger: Die Adresse “Hello Mary Lou” bezieht sich auf das blütenweiße Landmädchen aus dem Song von Gene Pitney, den Ricky Nelson 1961 zum Welthit machte. Und mit “Miss Pearl” ist eher unwahrscheinlich ein italienischer Schaumwein, vielleicht eher eine Dragqueen aus San Francisco gemeint. Möglicherweise aber auch Janis Joplin, deren Spitzname “Pearl” war.

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Bob Dylan hat wieder zugeschlagen. Mit “False Prophet” hat er nun schon den dritten Einzelsong während der Corona-Krise veröffentlicht. Der kantige Blues, an dessen Ende eine kratzige Gitarre wonnig ins Fade schlittert, ist neuerlich eine Eigenkomposition – und ist jetzt der Vorbote eines Doppelalbums, das am 19. Juni erscheinen soll, wie die Plattenfirma Sony heute bekannt gab. Dylan is back – seit seinem letzten Studiowerk mit eigenen Songs, “Tempest” von 2012, hat er nur Swingklassiker in seinen rumpelig-schönen Dylan-Americana-Sound gepackt, vornehmlich Songs des von ihm bewunderten Meistercrooners Frank Sinatra.

Jetzt also “Rough and Rowdy Ways”. Dem Doppelalbum werden auch schon die beiden zuvor veröffentlichten Corona-Songs zugeordnet – das 17-Minuten-stream-of-consciousness-Epos “Murder Most Foul” (der längste Dylan-Song aller Zeiten) und die Vierminutenballade “I Contain Multitudes”.

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Früher, da hat Bob Dylan tatsächlich mal Amerika beherrscht, und viele Folkies der Sechzigerjahre sahen in ihm den König der Gegenkultur, einen Heilsbringer. Diese Welle der bedingungslosen Verehrung, die Erwartung von Antworten auf alle drängenden Fragen machten Dylan damals Angst. “Ich öffnete der Welt mein Herz / und die Welt kam herein”, singt er in “False Prophet”. Dylan wollte weder ein richtiger noch ein falscher Prophet sein, wie er dem Moderator Ed Bradley anno 2004 in “60 Minutes” verriet. Deshalb kehrte er dem von seiner Fangemeinde aufgeblasenen Popanz Dylan schon in den späteren Sechzigerjahren den Rücken.

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“Ich geh dorthin, wohin nur die Einsamen gehen können”, singt Dylan noch, der seit Jahrzehnten auf seiner Neverending Tour unterwegs ist – um nur noch Lieder zu spielen und mit nichts anderem mehr behelligt zu werden, außer vielleicht mit einem Literaturnobelpreis.

Rätselhaft ist die Zeile “Ich kann mich nicht erinnern, wann ich geboren wurde / und ich vergaß, wann ich starb”. Ist der 78-Jährige am Ende doch melancholisch über den Popularitätsverlust nach Aufgabe seines Prophetenjobs? In Sachen Bedeutung für die Popmusik gibt es neben ihm bis heute gleichrangig nur Elvis, Chuck Berry und die Beatles. Bei allen drei Songs aber klingt Dylan noch ganz munter und ungestorben. Kein Grund zur Sorge, wie es scheint. Und nach Corona geht es todsicher wieder auf die raue und laute Straße hin zu den Konzertsälen der Welt auf eine Runde “Desolation Row”, “Blowin’ in The Wind”, “Like a Rolling Stone” und “Not Dark Yet”.

RND

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