Hollywoodstar Diane Kruger: „Als Kind habe ich mich als Außenseiterin gefühlt“
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Neue Autorin: Auf der Frankfurter Buchmesse stellt Diane Kruger ihr Buch „Dein Name“ vor.
© Quelle: IMAGO/STAR-MEDIA
Hannover. Frau Kruger, Sie erzählen in Ihrem Kinderbuch „Dein Name“ die Geschichte des Mädchens Diane, das in einem kleinen Ort in Deutschland aufwächst und dann zum Filmstar wird. Das ist ziemlich eindeutig Ihre Geschichte, oder?
Was glauben Sie? Ich denke schon.
Sie schreiben über das Mädchen: „Die anderen Kinder fanden mich immer ein bisschen eigenartig.“ Waren Sie damals eine Außenseiterin?
Zumindest habe ich mich so gefühlt. Zum einen haben mich alle schräg angeguckt, weil ich wirklich mit meinem Hasen an der Leine zur Schule gegangen bin, der dann den ganzen Tag bei mir gesessen hat. Außerdem habe ich viel gelesen und war tatsächlich eine Eigenbrötlerin. Und dann habe ich Ballett gemacht, was auch nicht cool war. Ich habe schon das Gefühl gehabt, nicht richtig dazu zu passen. Aber ich denke, viele Kinder fühlen sich als Außenseiter, ob sie es nun sind oder nicht.
Mit welchen Gefühlen denken Sie an Ihre Kindheit zurück?
Es war schön.
Warum haben Sie dieses Kinderbuch geschrieben?
Ich war 2020 in Los Angeles mit meiner Tochter beim Drehen. Meine Mutter war auch dabei, sie hat geholfen, auf meine Tochter aufzupassen. Und dann kam Covid, und die Welt war plötzlich quasi geschlossen. Gott sei Dank war meine Mutter da, und wir waren alle zusammen. In dieser langen Zeit haben wir auf einmal wieder über Sachen gesprochen, über die wir schon ewig nicht mehr geredet haben.
Zum Beispiel?
Über meine Kindheit, auch über Geschichten, die ich lange nicht gehört hatte oder noch gar nicht kannte. Das hat mich wieder dermaßen mit meiner Mutter und mit meinen deutschen Wurzeln verbunden. Ich erinnerte mich in diesen Gesprächen auch daran, wie sehr es mein Leben verändert hat, als meine Mutter mir in meiner Kindheit sagte, was mein Name bedeutet.
Sie mochten Ihren Vornamen nicht sonderlich.
Genau. Und als unsere Tochter geboren wurde, haben wir natürlich auch viel über ihren Namen nachgedacht. So kam die Idee für dieses Kinderbuch langsam zu mir. Und irgendwann habe ich angefangen zu schreiben.
Sind Namen ein wichtiges Identitätsmerkmal für Menschen?
Ich glaube schon. Es ist mir noch dadurch viel klarer geworden, dass ich Mutter geworden bin. Ich weiß noch genau, wie lange wir darüber nachgedacht haben, wie wir unsere Tochter nennen, was der jeweilige Name bedeutet und in welchen Sprachen er funktioniert. Ich glaube, alle Eltern tun das. So geben wir unseren Kindern Namen, die für uns etwas bedeuten. Wir legen Kindern viel auf die Schultern, etwa indem wir ihnen Namen von Verstorbenen geben, um an diese zu erinnern. Es gibt noch andere Gründe, warum man jemanden so nennt, wie er dann heißt. Das hat mich wirklich beschäftigt.
Was bedeuten denn die Namen Ihrer Tochter?
Unsere Tochter heißt Nova Tennessee. Nova nach dem hellsten, sich ständig ändernden Stern. Und Tennessee, weil mein Mann und ich dort in den Bergen ungeduldig auf die Ankunft unserer Tochter warteten.
Haben Sie eigentlich noch Kontakte in Ihre Heimat?
Ja, meine Familie lebt noch dort. Mein bester Freund von früher wohnt nicht mehr in dem niedersächsischen Ort, sondern in Barcelona. Aber wir sehen uns noch.
Am Anfang des Jahres kam Ihr Kinofilm „The 355″ in die Kinos. Dafür haben fünf Hauptdarstellerinnen inklusive der Produzentin Jessica Chastain Geld in den Film investiert, damit niemand anderes entscheiden kann, wie der Film aussieht. Würden Sie sagen, der Film ist ein feministisches Projekt?
Na ja, wir sind fünf Frauen. Insofern ist er ein feministischer Film, ja.
Sind die Einflüsse von außen bei solchen Filmen sonst so groß, dass es notwendig für Sie war zu sagen: Wir machen unseren eigenen Film?
Als Schauspieler hat man nicht unbedingt immer die Kontrolle über das Drehbuch und das Endprodukt eines Filmes, weil die Studios das bestimmen. Selbst der Regisseur hat in Amerika keinen „Final Cut“ bei seinem eigenen Film, und das war, glaube ich, die Motivation von Jessica, den Film selbst zu finanzieren und die Kontrolle über „The 355″ zu haben. Aber da müssten Sie sie fragen.
Das Muttersein hat „oberste Priorität“
Haben Sie mehr Freiheiten gespürt als sonst bei einem Film?
Was heißt Freiheit? Ich habe eine Gleichbehandlung gespürt: Wir wurden alle gleich bezahlt. Wir hatten alle den gleichen Trailer. Jessica ist auch Mutter. So konnten wir unsere Kinder mit zum Set bringen. Es war ein sehr freundliches, sehr mutterfreundliches Drehen.
Es wird ja überall in der Gesellschaft über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie diskutiert. Ist das für einen Hollywoodstar etwas anderes als in anderen Berufen?
Ich kann nur für mich selbst sprechen, nicht für andere Berufe. Für mich hat das Muttersein, die Mutterrolle, natürlich oberste Priorität. Dadurch, dass ich schon länger im Geschäft bin, kann ich mittlerweile mitbestimmen, wie es am Set aussehen soll, damit ich meine Familie mitbringen kann. Denn ich muss als Mutter gute Bedingungen vorfinden, sonst mache ich den Film nicht.
Ist Hollywood immer noch zu männlich dominiert?
Es ist sicherlich sehr männlich dominiert, aber ich glaube, es ändert sich gerade auch viel. Es gibt immer mehr Frauen in wichtigen Positionen. Man kann deutlich sehen: Der Boden ist bereitet, dass man uns mehr zuhören muss.
Also hat #MeToo einiges verändert?
#MeToo hat viel bewirkt – auch wenn das Pendel eine Zeit lang vielleicht ein wenig zu extrem in eine Richtung gependelt ist. Ich habe schon das Gefühl, dass die Jobs beim Drehen, die traditionell eigentlich immer nur Männer innehatten, wie Kameraassistent oder Kameramann, jetzt immer mehr auch durch Frauen besetzt werden.
In Ihrer aktuellen Serie „Swimming with Sharks“ wird ein sehr toxisches Bild von Hollywood gezeichnet. Wie kann man es dort überhaupt aushalten?
Die Serie beruht auf einem Film, der in den Neunzigerjahren gedreht wurde. Und das ist ein bestimmtes Hollywood, das es eigentlich heute nur noch bedingt gibt.
Also ist es gar nicht so toxisch?
Es kann toxisch sein. Aber ich bin da auch kein Experte. Ich lebe nicht in Hollywood. Für mich ist es eigentlich auch schön, mal nicht über Hollywood zu reden, sondern über Sachen, die mir Hollywood ermöglicht. Dazu gehört eben auch wie jetzt, ein Buch zu schreiben. In Hollywood gibt es ja auch eine Beziehung zum Literarischen. Und während der Pandemie haben die Agenturen gesagt: Okay, die Leute lesen mehr. Dann müssen wir wieder mehr in die Literaturbranche.
Sie erzählen in „Dein Name“, dass Sie als Kind viele Bücher gelesen haben. War das auch eine Flucht der Außenseiterin, von der Sie vorhin gesprochen haben, aus dem Leben hinein in Geschichten?
Ja, aber ich habe es geliebt. Für mich waren die Geschichten, die ich gelesen habe, einfach interessanter als mein eigenes Leben. Die Bücher haben mich zum Träumen gebracht, und es war für mich faszinierender, in einem Buch mit meinen Vorstellungen zu sein als im realen Leben. Ich habe dann über die Charaktere aus den Büchern auch Theaterstücke geschrieben. Das hat mir Inspiration gegeben.
Also ist die Autorin in Ihnen schon lange angelegt gewesen, oder?
Zumindest in meinem Kopf. (lacht) Aber dort muss es ja auch erst einmal losgehen.
Die Tochter darf spielen, was sie möchte
Hat die Fantasie, in der Sie mit Ihren Büchern gelebt haben, Ihnen später in Ihrem Beruf als Schauspielerin geholfen?
Zumindest empfinde ich es so. Ich versuche das auch meiner Tochter weiterzugeben. Bei uns zu Hause ist wirklich alles, was Nova spielen möchte, erlaubt. Ich sage nie etwas wie: „Du kannst das nicht haben oder machen, weil ich gerade will, dass du bastelst.“ Ich möchte meine Tochter in dem, wozu sie Lust hat, fördern. Weil ich davon überzeugt bin, dass alle Kinder von Natur aus neugierig sind und viel Fantasie haben. Nur verhindert das oft ein bestimmtes Schulsystem und eine bestimmte Erziehung, mit der wir versuchen, die Kinder zu formatieren. Nova kann alles machen, alles werden, was sie möchte. Selbst wenn sie irgendwann mal Eiscreme verkaufen möchte, soll sie das tun, wenn es sie glücklich macht.
Aber wenn sie wie Sie Schauspielerin werden möchte, werden Sie nicht Nein sagen?
Dann wäre ich nicht böse, klar. Aber vielleicht wird sie auch Astrophysikerin. Sie mag unheimlich gerne Zahlen. Ich versuche, sie darin zu fördern, woran sie Interesse hat.
Fragen von Kindern sind ja mit das Klügste, was es gibt. Und sie sind ansteckend. Man fängt als Eltern selbst wieder an, die Dinge zu hinterfragen. Geht Ihnen das auch so?
Total! Diese puren Fragen, ohne dass sie von der Außenwelt oder von der Schule beeinflusst werden, sind doch großartig. Für mich ist wichtig, dass die Schule genau das fördert. Ich habe die Schule wirklich gehasst. Zumindest die letzte Schule, auf der ich war. Die Schule auf dem Land habe ich geliebt, aber als ich aufs Gymnasium gekommen war, habe ich die Schule echt gehasst.
Warum das?
Weil ich mir nicht vorstellen konnte, mein Leben so formatiert zu leben. Also nach der Schule an die Uni zu gehen, irgendwann zwei Kinder zu haben und im Vorort zu leben. Nicht, dass das etwas Schlechtes ist, aber für mich war es schlecht, für mich war es unvorstellbar. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Schule mich nicht in dem gefördert hat, was ich gern hätte machen wollen. Ich habe mich immer zurückgehalten.
Macht Ihre Tochter bessere Erfahrungen als Sie?
Nova geht auf eine Montessori-Schule, sie lernt total viel, die Schule ist super. Sie kann auf Spanisch schon bis zehn zählen. Sie spricht schon ein bisschen Französisch, sie spricht Deutsch. Sie ist schon klüger als ich in dem Alter. (lacht)
Wächst Ihre Tochter zweisprachig auf?
Ja, ich versuche, nur Deutsch mit ihr zu sprechen, und sie versteht auch alles. Aber sie antwortet noch oft auf Englisch, weil ihr Vater ja Amerikaner ist. Man merkt aber: Wenn meine Mutter da ist, wird es besser. Jetzt geht sie seit Kurzem einmal pro Woche zur deutschen Schule. Und da merke ich: Sie lernt dazu, sie singt deutsche Lieder, und sie sagt jetzt schon öfter mal etwas auf Deutsch. Allerdings noch mit amerikanischem Akzent. Und ehrlich gesagt, nervt mich das. Deswegen habe ich sie auch auf die deutsche Schule gebracht.
Die Muttersprache ist Diane Kruger wichtig
Ihre Muttersprache ist Ihnen also schon wichtig?
Ja. Ich hätte das nicht gedacht, muss ich ganz ehrlich sagen. Aber als Nova dann geboren wurde, habe ich schon gemerkt, wie wichtig es mir ist, dass sie die deutsche Sprache lernt.
Das ist spannend, dass jemand wie Sie, die in die weite Welt gezogen ist, in den USA und Frankreich lebt und arbeitet, dann solch einen großen Wert auf die Muttersprache legt.
Die Arbeit an meinem Kinderbuch hat noch etwas mit sich gebracht: Ich bin ja mit 15 Jahren aus Deutschland weggegangen. Aber man hat mir immer gesagt: „Du bist so deutsch.“ Und mich hat das auch öfter mal gestört. Aber wenn ich jetzt auf mein Leben, auf meine Karriere zurückschaue, ist dieser Satz – „Du bist so deutsch“ – der Grund, warum ich in meinem Leben so weit gekommen bin.
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Gerade erschienen: Diane Krugers Kinderbuch „Dein Name“.
© Quelle: Diane Kruger: "Dein Name"
Inwiefern?
Weil man sich auf mich verlassen kann. All die Klischees, die man oft mit Deutschen verbindet, die ja aber auch wahr sind – also, dass man besonders pünktlich ist, dass wir besonders diszipliniert sind und vieles mehr –, das sind doch keine Nachteile. Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnung sind Gründe, warum ich auch heute noch arbeite. Das ist eigentlich genau das, was man an mir schätzt. Ich hätte das lange Zeit nicht gedacht und mir auch nicht vorstellen können. Aber ich bin heute davon überzeugt, dass genau das der Grund ist, warum ich so viele Chancen im Leben gehabt habe und auch, warum ich immer noch als Schauspielerin arbeite. Und es ist mir sehr wichtig, meiner Tochter das weiterzugeben.
Die Geschichte von „Dein Name“
Diane Kruger wurde 1976 im niedersächsischen Algermissen geboren. Ihren Geburtsnamen Diane Heidkrüger änderte sie nach und nach in den international tauglicheren Namen, unter dem sie heute berühmt ist. Im Alter von 15 Jahren verließ Kruger ihre Heimat, nachdem sie es ins Finale eines Modelwettbewerbs geschafft hatte. Sie ging nach Paris und arbeitete als Model unter ihrem bürgerlichen Namen und nahm später dort Schauspielunterricht.
2018 wurde Krugers Tochter Nova Tennessee geboren, deren Vater der Schauspieler Norman Reedus („The Walking Dead“) ist. An sie ist auch Krugers erstes, jüngst erschienenes Kinderbuch „Dein Name“ (illustriert von Christa Unzner, Minedition, 48 Seiten, 18 Euro) adressiert, in dem die Hollywoodschauspielerin unter anderem von ihrer Kindheit erzählt. Vor allem ihren Namen, so erfährt man, habe sie nicht gemocht, bis ihre Mutter ihr dessen Bedeutung verraten hat.