Hotel wirbt mit „schlimmster Aussicht der Welt“

„Der schlechteste Ausblick der Welt“: Alle Zimmer des Hotels sind auf die Grenzmauer ausgerichtet

„Der schlechteste Ausblick der Welt“: Alle Zimmer des Hotels sind auf die Grenzmauer ausgerichtet

Bethlehem. Auf dem Wachturm patrouillieren Soldaten. Die Grenzmauer ist acht Meter hoch und grau. Überall liegen Müll und Betonstücke herum. Das mondäne Gebäude mit Leuchtreklame wirkt hier fehl am Platz. Ein merkwürdiger Portier wartet am Eingang: eine Schimpansenfigur in blutroter Uniform. Und dann betritt der Besucher das The Walled Off Hotel, das der internationale Streetart-Star Banksy hier in der Nähe von Bethlehem errichtet hat. „Es ist wie eine andere Welt, ein dramatischer Kontrast zur Umgebung, eine surreale Erfahrung“, erzählt der Fremdenführer Fred Schlomka, der bei seinen Green Olive Tours Landeskunde mit Politik zu vermischen pflegt. Er hat das neue Projekt des anonymen Briten, der als größter internationaler Star der Szene gilt, als einer der Ersten besucht. Tausende Banksy-Anhänger aus der ganzen Welt werden in den kommenden Monaten erwartet.

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Besonders gut gefällt Schlomka das Wandbild einer ungewöhnlichen Kissenschlacht: Ein Palästinenser und ein israelischer Soldat tragen ihren Konflikt hier auf kindlich-spielerische Weise aus. Dieser böse Humor mit Tiefgang ist typisch für den Künstler, der in seinen charakteristischen Schablonen-Spray-Graffiti Steinwerfern Blumensträuße oder den Killern aus „Pulp Fiction“ Bananen in die Hände legt. Viele dieser Bilder hängen nun als ungewöhnliche Kunst an den Wänden des Walled Off Hotels. Ein Werk besteht einfach nur aus einem ramponierten Bilderrahmen, der die Wandaufschrift „Rural Landscape“ hervorhebt. Blühende Landschaften an der Grenzmauer. Auf die sind alle Fenster des Hotels ausgerichtet, „Der schlechteste Ausblick der Welt“, soll Banksy dazu gesagt haben.

Bethlehem ist eine weltoffene, junge Stadt. Auf dem Basar werden Jesus-Devotionalien neben orientalischen Gewürzen und Kaffee mit Kardamom verkauft. Das Pulver wird aus großen Säcken von Hand abgewogen.

Blick auf einen israelischen Wachturm.

Blick auf einen israelischen Wachturm.

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In der Region wird das britische Künstlerphantom wie ein Held verehrt. „Die Menschen himmeln ihn an“, sagt Schlomka. Vor zehn Jahren hat Banksy schon einige Graffiti auf der Grenzmauer hinterlassen, am bekanntesten ist das Bild eines Mädchens, das von Luftballons in die Freiheit gezogen wird. Schlomka, der Banksy-Tagestrips von Jerusalem nach Bethlehem organisiert, spricht von einer ganzen Banksy-Industrie im Grenzgebiet. Im Blickfeld der Wachsoldaten werden T-Shirts und Tassen verkauft. Schlomka arbeitet eng mit einem Manager von Banksy zusammen. „Der Künstler möchte seinen eigenen Ruhm als Lautsprecher nutzen. Sein Hotel wird ein wichtiger Faktor in der Bewegung für Freiheit und Demokratie im Heiligen Land werden.“ Auf Banksys Website wird das Projekt in Zusammenhang mit dem 100. Jahrestag der britischen Besatzung des Landes gerückt, die „ein Jahrhundert der Verwirrung und des Konflikts“ eingeläutet habe. Die Pianobar im Hotel erinnert an diese Zeit, gefüllt ist sie laut Website „mit der Luft unverdienter Autorität“. Nun mischt sich also wieder ein Brite ein. Er ruft die Hotelbesucher dazu auf, die Grenzmauer anzusprayen – Farbe gibt es im Hotelshop „Wall Mart“.

40 Angestellte arbeiten in dem Haus mit acht Zimmern und einer Präsidentensuite. Wenn es so läuft wie bei Banksys letztem Tourismusausflug, dem bitterbösen Antivergnügungspark „Dismaland“ im Süden Englands, dann wird das Hotel sofort ausgebucht sein, wenn der Ticketverkauf am 11. März startet. Die günstigsten Zimmer kosten 30 Dollar – sie sind im Stil einer israelischen Armeebaracke gestaltet. Schürt Banksy mit seiner Agitprop-Aktion den Nahostkonflikt, der durch das neue Siedlungsgesetz Israels ohnehin frisch entflammt ist? Die israelische Botschaft in Deutschland sieht auf Nachfrage keinen Anlass, dies zu kommentieren. Auf Banksys Website heißt es: „Wir heißen junge Israelis besonders herzlich willkommen. Fanatismus wird auf dem Gelände absolut nicht geduldet.“ Der Künstler wird auch in Israel gefeiert, im April eröffnet nahe Tel Aviv eine große Ausstellung. Auch die israelische Schriftstellerin Dorit Rabinyan, hierzulande bekannt für ihren Roman „Wir sehen uns am Meer“ über eine Liebe zwischen einer Jüdin und einem Palästinenser, schätzt den Künstler: „Banksy blickt mit einer universellen Perspektive auf unsere Existenz. Er nähert sich dem Konflikt von beiden Seiten der Trennmauer.“

Bei der Eröffnung des Walled Off Hotels ging das Gerücht um, dass der Künstler unter den 200 Gästen war. Schlomka sagt: „Wer weiß, vielleicht wurde ich von Banksy persönlich bedient?“

Von Nina May/RND

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