Zwei Frauen, deren Schicksal tragisch miteinander verwoben ist

Kino vom Traum­­paar Pedro Almodóvar und Penélope Cruz: das berührende Drama „Parallele Mütter“

Die eine will ihr Kind, die andere ist sich da nicht so sicher: Janis (Penélope Cruz, rechts) und Ana (Milena Smit).

Die eine will ihr Kind, die andere ist sich da nicht so sicher: Janis (Penélope Cruz, rechts) und Ana (Milena Smit).

Janis’ Stimme klingt nicht wütend, nicht einmal verletzt, nur fest entschlossen: Wenn Arturo das Kind nicht haben wolle, dann werde sie es eben allein groß­ziehen. So wie es ihre Groß­mutter und ihre Mutter auch getan hätten mit ihren Kindern. Diese Schwangerschaft sei zwar eher ein „Unfall“ gewesen, wie Janis (Penélope Cruz) sagt, aber sie sei zugleich womöglich auch ihre letzte Chance, ein Kind zu haben.

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In einem Werk von Pedro Almodóvar kann eine Frau mit einem so festen Willen kaum überraschen. Schon seine Film­titel weisen darauf hin, dass Almodóvar zu den wenigen Regisseuren gehört, die auf der Lein­wand die Perspektive des weiblichen Geschlechts einnehmen: „Frauen am Rande des Nerven­zusammenbruchs“ (1988), der Oscar­sieger „Alles über meine Mutter“ (1999) – und nun eben „Parallele Mütter“, eine wörtliche Übersetzung des Originaltitels „Madres paralelas“.

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Die Frauen in den Filmen des Spaniers kommen zumeist ganz gut ohne Männer aus – so wie es in Almodóvars eigenem Leben der Fall war: Auch er wurde in der Region La Mancha allein von seiner Mutter großgezogen. Dann ging er nach Madrid, um sich in der künstlerisch wilden Zeit nach dem Tod des Diktators Franco in der Kultur­bewegung Movida Madrilena auszutoben und sich zum wichtigsten spanischen Filme­macher zu entwickeln.

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Nun ist die werdende Mutter Janis Almodóvars Heldin: Im Kranken­haus bei der Entbindung begegnet die Fotografin dem ebenfalls hoch­schwangeren und tod­unglücklichen Teenager Ana (Milena Smit). Ana weiß nicht, ob sie das Baby in ihrem Bauch will, die Konsequenz einer Vergewaltigung durch Mitschüler.

Solidarität unter Frauen

Schon wie Janis die Leidens­genossin mit Worten und Streichel­einheiten zu trösten vermag, zeigt: Hier halten Frauen zusammen. Eine Frau wird in diesem Film auch dann nicht bloßgestellt, wenn sie wie Anas Mutter Teresa (Aitana Sánchez-Gijón) ihren Beruf über ihre Familie und womöglich auch das Glück ihrer Tochter stellt.

Die Solidarität unter Frauen ist auch dringend notwendig. Von ihrer Begegnung im Kranken­haus an ist das Schicksal von Janis und Ana tragisch miteinander verwoben, ohne dass die beiden davon zu diesem Zeit­punkt etwas ahnen – und ohne dass man davon zu viel verraten sollte.

Zuletzt hatte Almodóvar mit dem autobiografisch orientierten Drama „Leid und Herrlichkeit“ einen ausgesprochen melancholischen Film vorgelegt. Er erzählte vom Schmerz und Leid des Älter­werdens, exem­plarisch vorgeführt von Almodóvars Alter Ego Antonio Banderas. Nun hat der Regisseur zu Penélope Cruz zurück­gefunden und schenkt ihr eine ihrer wohl schönsten Rollen seit „Volver – Zurückkehren“ (2006).

Quietsch­gelber Jeep in der Pampa

Das Schrille und Exaltierte, in der Vergangenheit so typisch für den Spanier, ist einer konzentrierten Ruhe gewichen. Allein bei der Farbgebung geht er immer noch in die Vollen: Die Wohnung seiner Protagonistin ist ein Designer­schmuckstück, und später wird ein quietsch­gelber Jeep durch die spanische Pampa düsen.

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Das bedächtige Erzählen hat wohl auch mit der überraschenden Neben­handlung zu tun: Kennen­gelernt hat Janis den verheirateten Arturo zwar bei ihrer Arbeit als Fotografin, doch näher­gekommen sind sie sich, weil er als Archäologe arbeitet: Er widmet sich den Gräbern der Opfer des Franco-Regimes.

In einem dieser Gräber ist Janis’ Urgroß­vater zusammen mit anderen Männern aus ihrem Heimat­dorf verscharrt worden. Jetzt sollen die Ermordeten mit Arturos Hilfe endlich ein würdiges Begräbnis bekommen, damit die Angehörigen Abschied nehmen können.

Almodóvar auf explizit politischem und in Spanien bis heute vermintem Terrain? Da darf man durchaus für einen Moment verwundert auf die Lein­wand blinzeln.

Anderer­seits: So viele alternative Lebens­entwürfe hat der Regisseur schon in seinen Filmen teilweise mit über­schäumender Freude ausgemalt – von Menschen im falschen Körper, von Patchwork­familien und von ungewöhnlichen Liebes­beziehungen. Waren seine Filme nicht immer schon viel (gesellschafts-)politischer, als sie zunächst erscheinen mögen?

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Janis will endlich wissen, was genau mit ihrem Urgroß­vater und all den anderen Männern geschah, die damals abgeholt wurden und nie wieder­kehrten. Sie ist sich im Klaren darüber, dass sich die Wunden eines Landes nicht mit Erde zuschütten lassen. Wütend hat sie Ana angebrüllt, als diese in naiver Jugendlichkeit dafür plädierte, die Verbrechen des Franco-Regimes ruhen zu lassen.

Ebenso treibt Janis bald schon die Suche nach der Wahrheit in ihrem eigenen Leben an. Sie gibt auch dann keine Ruhe, als sie zu ahnen beginnt, dass die weitere Forschung nach den Umständen der Geburt ihrer Tochter dazu führen könnte, dass sie diese verliert. Nach einigem Zögern ist sie in diesem berührenden Film bereit, sich der bitteren Wirklichkeit zu stellen.

„Parallele Mütter“, Regie: Pedro Almodóvar, mit Penélope Cruz, Milena Smit, Aitana Sánchez-Gijón, 122 Minuten, FSK 6.

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