Kinofilm „Bis an die Grenze“: unter dem Panzer der Gleichgültigkeit

Beruflich und privat verbandelt: Virginie Efira als Virginie und Omar Sy als Aristide in einer Szene des Films „Bis an die Grenze“.

Beruflich und privat verbandelt: Virginie Efira als Virginie und Omar Sy als Aristide in einer Szene des Films „Bis an die Grenze“.

Während das deutsche Fernsehen die Arbeit von Gesetzeshütern als Unterhaltungs­format mit einer Unzahl an Mordfällen durchdekliniert, hat sich im französischen Kino längst ein Genre etabliert, das sich den Härten des Polizei­alltags aus gesellschafts­kritischer Perspektive nähert. In „Poliezei“ (2011) porträtierte Regisseurin Maïwenn eine Pariser Polizei­einheit, die für den Jugend­schutz zuständig ist, und schuf einen eindringlichen Film zum Thema Kindes­miss­brauch. Der Cannes-Sieger „Die Wütenden – Les Miserables“ (2019) von Ladj Ly zeichnete aus Sicht der Gesetzes­hüter ein Bild der brodelnden sozialen Zustände in der Pariser Banlieue.

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An diese Filme schließt nun Anne Fontaines „Bis an die Grenze“ an. Aus drei sich überschneidenden Perspektiven taucht der Film ein in den privaten und beruflichen Alltag der Uniformierten. Bevor Virginie (Virginie Efira) zum Dienst antritt, verabschiedet sie sich hastig von Mann und Kind und geht zur Ärztin, wo sie für den nächsten Tag einen Abtreibungs­termin vereinbart. Nach einer stürmischen Affäre ist Virginie von ihrem Kollegen Aristide (Omar Sy) schwanger – und den Strapazen des kommenden Arbeitstages seelisch kaum gewachsen.

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Wie erstarrt steht sie bei einer Razzia am Seine-Ufer, während um sie herum eine Schlägerei tobt. Als sie mit ihrem Kollegen Erik (Grégory Gadebois) eine Frau nach Hause begleitet, bekommt sie den aggressiven Ehegatten nicht unter Kon­trolle. Im nächsten Kapitel wird derselbe Tag aus der Sicht Aristides gezeigt, der bisher wie ein sympa­thisches Großmaul wirkte. Aber hinter den Sprüchen versteckt sich ein Mann, der für Virginie mehr Gefühle entwickelt, als er will, der den Beruf nur mit therapeut­ischer Unterstützung durchsteht und abends im dunklen Hausflur seine Uniform auszieht, um den „Schmutz“ der Arbeit nicht mit in seine Wohnung zu nehmen. Und schließlich blickt das dritte Kapitel auf Erik, der stets auf die Dienst­vorschriften pocht, in einer zerrütten Ehe lebt, dem Alkohol abgeschworen hat, aber immer einen Flach­mann in der Tasche hat, um daran zu riechen.

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Nach einem langen Tag werden die drei zum Abschiebe­gefängnis beordert. Sie sollen einen Flüchtling aus Tadschikistan zum Flughafen bringen. Unterwegs öffnet Virginie die Akte des Asyl­bewerbers, in der von Folterungen berichtet wird. Sie plädiert dafür, den Mann wieder laufen zu lassen, die beiden Kollegen sind dagegen. Im Auto entwickelt sich ein intensives Kammerspiel.

Das ist spannend, weil Fontaine sich zuvor viel Zeit genommen hat, die Figuren mit ihren inneren Wider­sprüchen zu entwickeln. Der ganzheitliche Ansatz lässt in dem Konflikt über das Schicksal des Flüchtlings ein breites Spektrum an emotionalen Hinter­grund­informa­tionen mitschwingen. Es wird deutlich, dass ethische Entscheidungen auch aus situativen Gefühlslagen heraus getroffen werden, die den Panzer alltäglicher Gleichgültigkeit aufbrechen.

„Bis an die Grenze“, Regie: Anne Fontaine, mit Virginie Efira, Omar Sy und Grégory Gadebois, 98 Minuten

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