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Maskenball der Scheinheiligen: der Berlinale-Sieger „Bad Luck Banging or Loony Porn“

Auf sie wartet das Elterntribunal: Katia Pascariu als Emi Cilibiu in einer Szene des Films „Bad Luck Banging Or Loony Porn“.

Auf sie wartet das Elterntribunal: Katia Pascariu als Emi Cilibiu in einer Szene des Films „Bad Luck Banging Or Loony Porn“.

Der spätere Berlinale-Sieger „Bad Luck Banging or Loony Porn“ stach aus allen anderen Wettbewerbsbeiträgen heraus. Nur merkte man das nicht sofort. Der Rumäne Radu Jude beließ den Protagonisten seiner grellen Sozialsatire jenes Accessoire, das inzwischen unabänderlich zu unserem Alltag zu gehören scheint: Sie tragen Masken im Gesicht – manche auch unter statt über der Nase in dieser passiv-aggressiven Art, in der sich per se schon Kritik an Corona-Regeln zu manifestieren scheint.

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Je länger der Film dauerte, desto mehr wurde das Gefühl heraufbeschworen, einer Maskerade beizuwohnen – besonders im dritten Teil dieses als Triptychon komponierten Werks, wenn die Lehrerin Emi zum Elterntribunal erscheinen muss. Der grimmige Regisseur – ausgezeichnet bereits 2015 für seinen Balkanwestern „Aferim“ mit dem Berlinale-Regiepreis – rechnet fulminant ab mit einem zerrissenen Land.

In die Berlinale-Annalen ist „Bad Luck Banging or Loony Porn“ allerdings als der „Porno-Film“ eingegangen, taugte allerdings nicht zum Skandal. Die expliziten, vielleicht fünf Minuten langen Szenen zu Beginn sind der Schlüssel zur Geschichte: Die Lehrerin Emi (Katia Pascariu) hat Sex mit ihrem Mann und dreht ein Video davon. Ohne das Wissen des Paares gelangt das Filmchen dorthin, wo es keinesfalls hätte landen sollen – ins Internet. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

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Im ersten Filmdrittel verfolgen wir Emi, wie sie ruhelos durch Bukarest zieht. Eine laute, unfreundliche Stadt ist das, in der dicke Autos die Bürgersteige vollparken und sich Menschen im Supermarkt ankeifen. Immer wieder klingelt Emis Telefon, oder sie ruft jemanden an. Die Eltern der Lehrerin fordern Rechenschaft von ihr – so als hätte sie ein Verbrechen begangen.

Bevor es aber zum Schauprozess kommt, schiebt Jude im Mittelteil einen bitterbösen Collage-Essay über die gewalttätige Geschichte Rumäniens ein. Faschismus, religiöse Verhetzung, Rückständigkeit: An diesen Konstanten wirft er einen Blick auf sein Land, über dem der Ungeist des erschossenen Diktators Ceausescu zu schweben scheint.

Beim Elternabend in einem Innenhof (wegen der Pandemie wurde kurzerhand draußen gedreht) sieht sich Emi einer Art feindseligem Kostümball gegenüber. Die Eltern sind als Bäuerin, Militär oder auch als Pilot ausstaffiert und symbolisieren wohl einen Querschnitt des Volkes. Sie geilen sich an dem Sexvideo auf und geifern zugleich gegen die Lehrerin. Es ist eine Szene voller Bigotterie, in der man Emi zur Seite springen möchte.

Die hat das aber gar nicht nötig, jedenfalls nicht in einem von gleich drei angebotenen Enden, die dem Film ein spielerisches Moment verleihen: Da verwandelt sich die tapfere Lehrerin in die Superheldin „Wonder Woman“. Ihre Peiniger fängt sie mit einem goldenen Lasso ein und stopft deren Mäuler mit einem Riesendildo. Der Berlinale-Jury war dieser Befreiungsschlag den Goldenen Bären wert.

„Bad Luck Banging or Loony Porn“, Regie: Radu Jude, mit Katia Pascari, Claudia Ieremia, 106 Minuten, FSK 18

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