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Ein „Cheers!“ aufs Popgenie

Einer für die Ewigkeit – Paul McCartney wird 80

Paul McCartney live: Hier bei einem Konzert in Tampa 2017. Welche Lieder wird er wohl 2020 in Hannover performen?

Heute wird er 80 Jahre alt: Paul McCartney live mit dem Höfner Violinbass, den er schon zu Pilzkopfzeiten spielte.

Es war Ende der Achtzigerjahre, als Paul McCartney wieder auftauchte. Den Horror der Ermordung seines Freundes und Weggefährten John Lennon hatte er endlich überwunden. Der geniale Linkshänder schnallte seinen Höfner Violinbass um und stieg wieder auf die Bühnen der Welt. So auch im Oktober 1989: Als man die Frankfurter Festhalle betrat, war das Gefühl ein ehrfürchtigeres als bei allen anderen Konzerten mit großen Stars, die man bis dahin erlebt hatte – es war anders als bei Tina Turner, Peter Gabriel oder den Eurythmics, Michael Jackson, U2 und Madonna.

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Comeback 1989 – man teilte den Konzertsaal mit einem echten Beatle

Denn man teilte am 6. Oktober 1989 einen Raum mit einem echten Beatle, von denen es damals nur noch drei (von vier, die ganzen fünf Beatles zählen nicht wirklich) gab auf der Welt. Man war zusammen mit dem Mann, der all diese Ewigkeitssongs (mit)geschrieben hatte: „Hey Jude“, „Let It Be“, „Lucy in the Sky with Diamonds“, „She Loves You“. Keine Halluzination, kein Hologramm (an Avatare war noch 30 Jahre lang nicht zu denken) – sondern der leibhaftige Paul McCartney, der heute 80 Jahre alt wird. Er schüttelte seine Haare, sang „Can‘t Buy Me Love“ und „My Brave Face“ und die inzwischen erwachsenen Beatles-Mädels kreischten wieder so laut wie damals, 1966 im Circus Krone.

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Mit Pilzkopffrisuren, kragenlosen Anzügen und dem Vier-Freunde-Gefühl ging es ab 1962 um die Welt. Unwirklich kurz nur, bis 1970, dauerte das große Beatles-Ding – das Comeback in einem Jahr 1992, in dem John Lennon noch lebte, gab’s nur in der Parallelwelt der Serie „For All Mankind“.

Nach dem Split der Fab Four wurde Paul als Minnesänger abgetan

Nach dem Split der Beatles wurde McCartney als Minnesänger abgekanzelt, als Schreiber von „silly love songs“. Übergroß stand dagegen John Lennon da – als Radikalbarde mit politischem Klartext, als Rebell und Träumer von der besseren Welt. Aber da ist als Gegenbeweis „Give Ireland Back to the Irish!“, ein Zornsong, den McCartney 1972 für die Freiheit der Menschen in Nordirland gesungen hatte. Die EMI wollte es einstampfen, die BBC hat’s gebannt, das war Paul egal.

Sie rockten den Circus Krone: Die Beatles, (v. l.) George Harrison, Paul McCartney, John Lennon bei ihrem Auftritt in München am 24. Juni 1966. Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Sie rockten den Circus Krone: Die Beatles, (v. l.) George Harrison, Paul McCartney, John Lennon bei ihrem Auftritt in München am 24. Juni 1966. Foto: picture alliance / dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Man muss sich die Songs seiner anderen Band Wings und die der Soloalben anhören und findet dort auch jenseits der Hits wie „Band on the Run“, „Coming Up“ oder „Hope of Deliverance“ endlos Klassestoff: „Deliver Your Children“, „C-Moon“, „Rainclouds“, „Summer of 59″, „People Want Peace“ oder das zarte „Here Today“ für den toten Freund John.

Geheimtipp: McCartneys drittes Album unter dem Pseudonym The Fireman

McCartney versuchte sich an Electro und Oratorium gleichermaßen ernsthaft. Und das dritte Album unter dem Pseudonym The Fireman hätte ein Nachfolgewerk von „Let It Be“ sein können. Die beide Elstern von „Two Magpies“ sind (heisere) Diebe, klauen beim „Blackbird“, dem Vögelchen vom Weißen Album. Die Beatles ist McCartney nie wirklich losgeworden. Auch philosophisch: „Ich glaube immer noch, dass Liebe alles ist, was man braucht“, sagte er zu seinem 60. Geburtstag.

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Und John Lennon ist auch noch bei ihm. Angeblich befragt ihn Paul regelmäßig, ob seine Songs gelungen sind. In diesen Geisterdialogen hat der vor nunmehr 42 Jahren verstorbene Freund als musenhaftes Phantom gute Dienste geleistet. Zur Neuaufnahme der berühmten Künstlersignatur Lennon & McCartney hat sich Paul dennoch nicht durchringen können.

„McCartney III“ – ein Meisterstreich in der Lockdownzeit

In „Riding to Vanity Fair“, einer schwerblütigen Ballade, ließ McCartney schon 2005 die Melancholie über die vergangene Jugend nostalgisch aufflackern, erinnerte an Zeiten, als „jeder Tag jung war“, als „wir jedes Lied, das gesungen wurde, mitsangen und an jede Zeile glaubten“. Das sang er schon früher, anders: „Yesterday, all my troubles seemed so far away ...“ Zuletzt hat er in der Lockdownzeit „McCartney III“ eingespielt, noch so ein wunderschönes, klangpoliturfreies Alleingangswerk, das unter anderem den trauten Song „When Winter Comes“ enthält.

Mit seinen Skizzen eines idyllischen Landlebens über neugierige junge Füchse und dringend nötige Zaunreparaturen weist das Lied zurück auf das Jahr 1970, als McCartneys Nach-Beatles-Leben begann und er auf dem Land mit (der 1998 verstorbenen) Ehefrau und Lebensliebe Linda ein Heim für seine junge Familie schuf. Und es ist zugleich ein Gegenwartsstatement eines nun 80-jährigen Mannes, der wiewohl noch immer mit den Ausläufern von Jugendlichkeit gesegnet, doch unzweifelhaft seinem Winter entgegengeht. Ein Lebenslied.

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Live freilich ist es mit ihm immer noch wie 1989 in Frankfurt. Je länger so ein grandioser McCartney-Abend dauert – die US-Tour ging erst vorgestern in East Rutherford, New Jersey, zu Ende (und hoffentlich holt er bald sein 2020 wegen Corona geplatztes Hannover-Open-Air nach) –, desto jünger scheint sein Protagonist zu werden. Dylan hat dieses Phänomen mal im Song „My Back Pages“ erwähnt. Das Doppelkinn schwindet, die Haut strafft sich und zur Mitte eines solchen Fests steht fest: Macca 2022 sieht noch ziemlich so aus wie Macca 2002. Wahrscheinlich altert parallel im Tourjetspind für ihn das Bildnis des Paul McCartney.

Und so sagen wir „Cheers!“, lieber Paul McCartney, Beatle Paul oder schlicht Paul: Herzlichen Glückwunsch zum 80! Und hey, man ist so alt, wie man sich fühlt, und Sie haben schon mal keine Haare eingebüßt, wie Sie vor 55 Jahren im Song „When I‘m 64″ befürchtet hatten. Nancy wird heute eine Flasche Wein mit Ihnen aufmachen. Und auf den Gärtner anstoßen, der Sie geworden sind, wie es der Song verhieß. Sie haben alles Unkraut gejätet, bis da ein tolles Beet stand. Von Ihren acht Enkeln heißt zwar niemand Vera, Chuck oder Dave, aber wer nicht ist, kann ja noch werden. Nancy und wir vom Publikum werden Sie jedenfalls noch brauchen (und zur Not auch füttern), wenn Sie 94 sind.

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