Pop 2020 – Neue Alben von Charli XCX, Sparks und Steve Earle

Leichte Geburt: Nur acht Monate nach ihrem letzten Album “Charli” hat die britische Künstlerin Charli XCX in der Corona-Einsamkeit das Nachfolgewerk “How I'm Feeling Now” fertiggestellt. Einstweilen erscheint es nur in digitaler Version.

Leichte Geburt: Nur acht Monate nach ihrem letzten Album “Charli” hat die britische Künstlerin Charli XCX in der Corona-Einsamkeit das Nachfolgewerk “How I'm Feeling Now” fertiggestellt. Einstweilen erscheint es nur in digitaler Version.

Rasant – Neues Album von Charli XCX nach acht Monaten

Acht Monate ist das letzte Werk von Charli XCX erst her. Die Corona-Auszeit hat die 27-jährige Britin zu dem akustischen Polaroid “How I’m Feeling Now” genutzt. Und schon der Auftakt “Pink Diamond” wirkt bedrohlich, wie ein elektronischer Soundangriff, klingt weit weniger poliert als das Vorjahreswerk von Charlotte Aitchison. Aufgenommen im Alleingang in ihrer Wahlheimat Los Angeles, hat diese mit vielleicht etwas zu vielen Autotune-Mickymäusen ausgestattete Isolationsreflektion zu Computersounds gerade ob ihrer Kanten, ob der bewussten Unfertigkeit und Rohheit, etwas Erfrischendes, das sie ihren drei Vorgängerinnen überlegen macht.

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Zudem entstanden Songs wie das “Twin Peaks”-düster twangende “Enemy” oder die Ballade “7 Years” unter Einbeziehung von Fans, die ihre Einfälle bis hin zu konkreten Beats an die Songwriterin schicken durften. “Claws” heißt die Single, es geht um Zuneigung und Einsamkeit, also um die Fehlanzeige und die Bedrängung in den Zeiten des Virus. Und Charli XCX liefert damit den wohl sperrigsten und originellsten Dance-Hit der Saison.

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Charli XCX – “How I’m Feeling Now” (Asylum) vorerst nur digital

Schräg, schrill, bunt – Die Sparks bringen viele Stile zusammen

Die Sparks hatten mit ihrer exzentrischen Popvariante des Westernslogans “This Town Ain’t Big Enough for Both of Us” 1974 für erste Begeisterung gesorgt, verheirateten Ende der Siebzigerjahre mit Songs wie “No. 1-Song in Heaven” und "Beat The Clock2 Disco und New Wave und vollendeten 1994 mit ihrem Hit “When Do I Get to Sing ‘My Way’” den Kreislauf des Pop, klangen nach den Pet Shop Boys, die wiederum von den Sparks beeinflusst waren. Das kalifornische Brüderpaar Ron und Russell Mael hat sich längst aus dem Hitgeschäft, in dem es nur gelegentlich Treffer landen konnte, zurückgezogen und legt nun mit “A Steady Drip, Drip, Drip” sein 24. Studioalbum vor – ein berückendes Stilgebräu, das mit dem minimalistisch kreiselnden Shuffle “Lawnmower” eine Nummer eins für die Charts einer besseren Welt abwerfen könnte.

Exaltierte Gesänge, schrille Lyrik, opulente Sounds (vornehmlich elektronisch geprägt) und eine Freude, sich an allen Genres zu bedienen, kennzeichnen auch das neue Werk. Aus so Verschiedenem wie Glamrock (“I’m Toast”), Countryswing (“Sainthood Is Not Your Future”), Klavier-und-Streicher-und-Chor-Balladen (“Please Don’t Fuck up My World”) schaffen sie ein stimmiges, herrlich überdrehtes Ganzes. “Left Out in The Cold” ist einer für die Tanzflächen, “Stravinsky’s Only Hit” erinnert wieder an die Operettenhaftigkeit der Anfänge. Und in dem an Kurt Weills Theatermusiken gemahnenden Saxofon-geschmückten “Existencial Threat” geht es um die Ängste vor Verlust, um Panikattacken und Gegenangriffe mit unheiliger Medizin – ein Song, der perfekt in die Zeit von befürchteter Weltwirtschaftskrise und zweiter Corona-Welle passt.

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Sparks – “A Steady Drip, Drip, Drip” (BMG) vorerst nur digital

Jason Isbell und das Streben nach Aufrichtigkeit

“Erfolg ist ein sehr schönes Problem, aber ich frage mich, wie ich es durchstehen kann und nicht das verliere, was mich überhaupt erst gut gemacht hat”, meint Jason Isbell, Americana-Held mit rau-souligem Bariton aus Alabama. Mit seiner Band 400 Unit stellt der mit dem Album “Southeastern" 2013 zu Ruhm Gelangte in dem neuen Werk “Reunions” existenzielle Fragen an sich selbst, “wie ich als Künstler und Mensch vorankomme und trotzdem den gleichen Antrieb behalte, den ich hatte, als ich in beiderlei Hinsicht noch nicht ganz so weit war?” Seine neuen, von Spiel- und Fabulierfreude erfüllten, wahrhaft großartigen Lieder wie das Dire-Straits-hafte “Running with Our Eyes Closed” und das folk-gospelige “What I’ve Done to Help” geben die Antwort für ihn.

Der 41-jährige Sänger und Songwriter, der für den Kreativprozess dieses Albums sogar zeitweilig der Familie den Rücken kehrte, lässt sein Album glucksen, schimmern und fließen. Da sind traumhafte Stücke wie “Dreamsicle” mit seinen zartbitteren Kindheitserinnerungen oder das tränenschwere, folkige “It gets easier”, in dem der trockene Alkoholiker vom Trinken träumt. All die Auseinandersetzungen mit den eigenen Rollen und der eigenen Echtheit wirken so authentisch, dass man als Hörer zutiefst angerührt ist. Liebe, Hoffnung und Vergebung herrschen vor, Isbell gibt der Dunkelheit keinen Raum.

Längst nicht alles ist eins zu eins dem eigenen Leben entwunden, aber in allem hier steckt eine Wahrheit des Sängers. Im letzten der zehn Songs, “Letting You Go”, singt Isbell vom Vatersein – von dem Moment, in dem er die neugeborene Tochter aus dem Krankenhaus holt bis zu dem Tag ihrer Hochzeit, wenn sie geht und die Eltern dem Rest ihres Lebens überlässt. Isbells Tochter ist vier Jahre alt, aber der Sänger hat so viel Einfühlungsvermögen, dass einem nach dem Verklingen des Lieds (und Albums) ein dicker Kloß im Hals steckt. In der Fiktion steckt eben doch er selbst und seine Vorstellung von sich selbst in der Zukunft.

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Jason Isbell & The 400 Unit – “Reunions” (Thirty Tigers)

Kohle-Storys – Steve Earle erzählt von Leid und Ausbeutung

“Der Teufel hat die Kohle in die Erde gepackt”, kratzt des Sängers Stimme einen rustikalen Countryblues. Steve Earle aus Virginia leistet Trauerarbeit, kanalisiert Wut, erzählt auf seinem neuen Album eine amerikanische Geistergeschichte. Die Vergangenheit schließt sich, schließt Menschen ein, bis sie dann eines Tages wieder jemand aufbricht und die Eingeschlossenen heraustreten. Earle, langbärtiger musikalischer Geschichtenerzähler, fleißiger Wanderer zwischen den Welten von Country und Rock ’n‘ Roll bricht auf dem Album “Ghosts of West Virginia” auf, was sich vor ziemlich genau zehn Jahren im Raleigh County ereignete. Bei einer Kohlestaubexplosion in 300 Metern Tiefe starben am 5. April 2010 nachts um 3.27 Uhr 31 Minenarbeiterin der Upper Big Branch Kohlenmine.

Noch sieben Meilen entfernt von der desaströsen Detonation fühlte sich der Arbeiter einer anderen Mine durch die Wucht der Katastrophe wie im “Zentrum eines Tornados”. Eine Untersuchung ergab, dass das Unglück hätte vermieden werden können, dass es nur aufgrund Sicherheitsverletzungen des Betreibers geschah. Der bekennende Sozialist Earle erzählt – ausgehend von der Tragödie – von den Kohleleuten im unsicheren Revier, von Verarmung und Perspektivlosigkeit der ehemals stolzen Kumpel und er schafft in seinen neuen Songs ein Gefühl dafür, wie sich das “America First” Donald Trumps in den Köpfen verfangen konnte: “Ist das der Wind, den du durch das Bergtal heulen hörst / oder ist es der Geist einer Witwe, die weint / um jeden Mann, der für einen Kohlegesellschaftsdollar starb / mit einer Lunge voller Staub und einem Herz voller Lügen?” fragt er im rockigen “It’s About Blood”.

“Jeder Atemzug fühlt sich wie ein Zwölf-Runden-Fight an”, singt der 65-Jährige dann im rumpeligen “Black Lung”, und dazu plinkert traut sein Banjo. Und in der Ballade “The Mine” barmt er über Heimat: “Du lebst hier dein ganzes Leben / und irgendwie sind die Berge in dir / und es gibt keinen Weg sie wieder rauszukriegen.” Klaustrophobisch fühlt sich das alles an. Mit der Country-Rockabilly-Nummer “Fastest Man Alive” aber schwingt sich Earle aus den Gruben in die Lüfte – erzählt er dann zu schwirrender Fiedel die Geschichte des heute 97-jährigen Charles Elwood Yeager, der mit der Bell X-1 1947 den ersten Überschallflug schaffte.

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Steve Earle & The Dukes – “Ghosts of West Virginia” (New West Records)

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