Pop 2020: Stones und Co. mit Musik in Zeiten der Corona-Pandemie

Das Format Album ist derzeit auf dem Rückzug, der Song ist König. Viele Künstler und Bands legen die Veröffentlichung ihres neuen Longplayers in den Herbst, in der Hoffnung, das Schlimmste der Corona-Pandemie sei dann vorbei und man könne ein Album in der gewohnten Weise produktionstechnisch perfektionieren, promoten und betouren, sodass es nicht unbemerkt auf den Grund des Silbersees der verschüttgegangenen Popjuwelen sinke.

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Meist haben die stattdessen veröffentlichten einzelnen Songs direkten Bezug zur derzeitigen Situation – wie etwa “Lockdown” von den Dirty Knobs, der Zweitband von Tom Pettys Gitarrist Mike Campbell. Oder sie zünden generell die Kerze der Hoffnung an wie unsere Nena mit ihrem Song “Licht”.

The Rolling Stones mit einem Song für Lockdown-Zeiten

Auch die gern als “dienstälteste Rock-’n’-Roll-Band” aller Zeiten apostrophierten Rolling Stones bringen vier Jahre nach dem Bluescoveralbum “Blue & Lonesome” erst mal eine Single auf den Markt. “Living in a Ghost Town” zeigt eine menschenverlassene Welt – leere Lockdownstädte von Oslo bis Kapstadt, beäugt durch das Fischauge einer Kamera.

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Ein Dub-Beat, die clashende Richards-Gitarre, der drängende, unverändert kraftvolle Gesang des 76-jährigen Mick Jagger, der vom Geisterdasein unserer Tage singt, als wäre der Text nicht schon vor Jahresfrist in Los Angeles entstanden: “Du kannst nach mir suchen, aber ich musste abtauchen.”

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Ein einstiger Ort der Lebensfreude wird nun wie ein versunkenes Atlantis der Moderne betrauert. Ein wenig habe man das Lied, das auch als Fridays-for-Future-Hymne durchginge und an den “schwarzen” Stones-Sound des “Black and Blue”-Albums von 1976 erinnert, im Lockdown lyrisch auf die derzeitige Situation abgestimmt, erklärte Jagger jetzt in einem Interview.

Wann das Album folgt, das Keith Richards im vorigen Frühjahr im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hoffnungsvoll für den Herbst/Winter 2019/2020 angekündigt hatte, darüber wurde nichts laut. Wie sangen die Stones jüngst beim “One World: Together at Home”-Konzert: “You can’t always get what you want.”

The Rolling Stones – “Living in a Ghost Town” (Rolling Stones Records/Universal)

Das “One World”-Konzert gibt es zunächst nur digital

In acht Stunden coronasicherer Heimauftritte spielten unter anderem Superstars wie die Stones, Billie Eilish, Beyoncé, Elton John, Green Days Billie Joe Armstrong oder Stevie Wonder, der mit “Lean on Me” an die vor wenigen Tagen verstorbene Soullegende Bill Withers erinnerte. Paul McCartney brachte den Beatles-Klassiker “Lady Madonna”, das Poppaar Camila Cabelo und Shawn Mendes erinnerte mit “What a Wonderful World” an das Motto des Abends – ein Zeichen der Zuversicht in der Covid-19-Pandemie zu setzen, Geld zu sammeln für den Kampf gegen die Seuche. Die Hilfsbewegung World Citizen hat ein Album zu “One World: Together at Home” mit allen 79 Songs veröffentlicht. Ein Album allerdings für Platzsparer, im Moment ist es nur digital zu haben. Kein physischer Tonträger in Sicht.

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Diverse – “One World: Together at Home”

Americana-Königin Lucinda Williams am Puls der Zeit

Kaum eine Songwriterin kann Americana so cool wie Lucinda Williams. Das bewies die Lady aus Louisiana mit ihrem Meisterwerk “Car Wheels on a Gravel Road” (1998). Und wenn sie Konzerte mit AC/DCs “It’s a Long Way to the Top” beschloss, erwies sie sich als nicht minder ausgezeichnete Old-School-Rock-’n’-Rollerin.

Beide Kompetenzen vereint die 67-Jährige auf dem herzhaft rauen neuen Album “Good Souls, Better Angels”, einem Werk, das den Stones-Fans die Zeit des Wartens erfreulich verkürzen könnte. Da knarzt und scheppert rauer Bluesrock und unwiderstehliche Balladen werden dem Hörer ins Ohr geträufelt.

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Unter Studioregie ihres Ehemanns Tom Overby, mit dem getreuen Rock-’n’-Roll-Triumvirat Stuart Mathis (Gitarre), David Sutton (Bass) und Butch Norton (Schlagzeug) an ihrer Seite, singt sie mit ihrer Schmirgelstimme über die Schattenseiten von Facebook und Co. (“Shadows and Doubts”), über den alltäglichen, überwältigenden Nachrichtentsunami (“Bad News Blues”) und – im grottenfinsteren “Wakin’ Up” – über Männer, die ihre Frauen misshandeln.

Zwar fällt in “Man Without a Soul” kein Name, aber die Prophezeiung “You hide behinde your wall of lies / but it’s coming down” richtet sich unmissverständlich gegen den derzeit im Corona-Management wieder krass irrlichternden amerikanischen Unpräsidenten. Williams stellt ihre Losung dem Album voran: “You Can’t Rule Me”. Und wenn sie richtig Gas gibt, hört man im Geiste wieder ihre Autoreifen auf dem Kiesweg spritzen.

Lucinda Williams – “Good Souls, Better Angels” (Thirty Tigers)

Glenn Danzig: Der Metalfürst geht zu seinen Wurzeln

Glenn Danzig, Sänger von Danzig, geht derweil zurück zu seinen musikalischen Wurzeln. Auf seinem vierten Soloalbum widmet sich der Dunkelmetal-Fürst aus New Jersey dem Mann, in dessen Durchbruchsjahr er geboren wurde, der ihn antrieb, Musiker zu werden und dessen Songs er schon mit seiner ersten großen Band, den Misfits, gerne spielte. Auf dem Coveralbum “Danzig Sings Elvis” bringt der Presley-Verehrer jetzt nicht etwa die erwarteten rock-’n’-rolligsten Nummern von “Hound Dog” über “Heard Headed Woman” bis “Got a Lot of Living to Do”, sondern überrascht mit seiner Songauswahl, die auch Lovesongs wie “Pocket Full of Rainbows”, “One Night” und “Always on My Mind” umfasst.

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Natürlich besucht der 64-Jährige mit “Baby Let’s Play House” auch die frühe Rockabillyphase des King, und bringt mit “Fever” ein Juwel unter den Hits der großen Elvis-Zeit. Durch und durch ein Werk der Liebe und Leidenschaft ist dieses Album, und obwohl Danzig dem Presley-Oeuvre mit seiner heiseren Stimme und der schrängenden Gitarre einen dunklen Grundton gibt, alles Kandierte weglässt, sind die spartanischen Arrangements durchaus im Geiste des Originalsängers. Coole Wurst covert coole Wurst.

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Glenn Danzig – “Danzig Sings Elvis” (Cleopatra/Membran)

Other Lives: Breitwandfolk über Gestrauchelte und Gefallene

Für die besinnlicheren Stunden der großen Auszeit: Other Lives, Indiefolktrio aus Oklahoma, Serienfans seit ihrem Song “Black Tables” aus “Grey’s Anatomy” ein Begriff, veröffentlichen heute ihr viertes Album “For Their Love”. Mit den experimentellen Briten von Radiohead hat man die Band um Sänger Jesse Tabish gern verglichen. Inzwischen weilen Other Lives klangmäßig eher in den Gefilden der Fleet Foxes oder frühen Arcade Fire.

Nach den elektronischen Versuchen des letzten Werks “Rituals” (2015) sind Other Lives wieder zu den “echten” Instrumenten zurückgekehrt. Zu spüren ist in den epischen Arrangements, in den Streichern und Chören, in der Schönheit, mit der man diese knapp 40 Minuten ausgekleidet hat, ein Wille zum Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Melancholie regiert, und in dem Königssong des Albums, “We Wait”, geht es zu Sounds, die an die Italowestern Sergio Leones erinnern, in eine Schwärze, die lange nachhallt.

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Tabish erzählt vom Echo der Ermordung eines seiner besten Freunde, als er 17 war. Auf den zweiten Horch ist der Albumöffner “Sound of Violence” also keine Irreführung, es geht um Verlorene, Verschwundene, Leute, die durch die Felsspalten des Lebens fallen. Aber mit dem letzten Track “Sideways” führen uns Other Lives zu einer süßen Slidegitarre in die Gefilde der Hoffnung. Eine von den Platten, die man dieser Tage nicht mehr aus dem Player lässt.

Other Lives – “For Their Love” (Play It Again Sam/Rough Trade)

Uncle Bard & The Dirty Bastards: Keltenparty aus Italien

Wem das zu abgründig und schwerblütig ist, der mag es mit Uncle Bard & The Dirty Bastards probieren. Was nach einer irischen Pubkapelle für bierselige Nächte klingt, ist eine norditalienische Sing- und Musiziergemeinschaft, die sich allerdings dem Keltensound verschrieben hat und vornehmlich auf die gute Laune ihrer Zuhörer setzt. Zielgruppe sind die Folkfans, die bis zuletzt den Gipsy Kings treu waren, in ihrem Herzen eine Punkkammer für die Pogues und die Dropkick Murphys reserviert haben, heimlich aber auch mal eine Santiano-Platte auflegen.

Mit rustikalen Happy-go-lucky-Songs wie dem hoffnungsfrohen “Back on Your Feet”, den Countryanklängen der Ballade “Hey Men” und instrumentalen Schönheiten wie “Man of the Storm” zeigen die Bastards Bandbreite. Und die Stimme von Guido Domingo klingt, als hätte er ein paar betrunkene Monate im Whiskey-Lockdown mit Shane MacGowan verbracht.

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Uncle Bard & The Dirty Bastards – “The Men Beyond the Glass” (Careful Now! Records)

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