Barocke Typen in Leipziger Picknick-Laune
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Tanduri-Curry, zwei Stunden lang gegart: Die braun-weiß gewandeten Daniela (47) und Lars Becker (48) verwöhnen ihre Gäste.
© Quelle: Dirk Knofe
Leipzig. Vor einem Jahr noch Zaungäste, sitzen sie jetzt mittendrin. Mit dem Verein "Dresdner Barock" hat das Ehepaar Tennert 2017 einen Ausflug zum Viktorianischen Picknick gemacht, "da standen wir etwas schüchtern am Rand", gesteht die 60-jährige Heidrun Tennert. "Aber schon da war klar", ergänzt ihr Gatte Günther (61), "wir kommen wieder". So wie mehr als 3000 weitere Besucher am Freitag im Clara-Zetkin-Park. Auch beim 27. Wave-Gotik-Treffen, das insgesamt 20 000 Anhänger der Schwarzen Szene nach Leipzig führt, gehört der Freitagnachmittag den Gästen mit den prächtigsten Kostümen – und vielen Fotografen, die das Spektakel im Bild festhalten.
Selbst geschneidert hat Heidrun Tennert ihr Barockkleid und den Anzug ihres Mannes – aber nicht nur: Auch für Yu-Hsuan (21) und Yu-Ju (21) aus Taiwan sowie Tao (28) aus Südchina hat sie geschneidert – einstige Gastschüler der Familie. „Ich wurde noch nie so viel fotografiert“, erklärt Yu-Hsuan verdutzt.
Dagegen ist die 44-jährige Elke Bormann keineswegs überrascht. Seit 1993 fährt sie jedes Jahr aus dem Ruhrgebiet zum WGT nach Leipzig – der „einmaligen Atmosphäre“ wegen. „Am Anfang fand alles in Connewitz statt, jetzt nimmt es die komplette Stadt ein.“ Damals habe sie täglich dieselbe schwarze Klamotte getragen, jetzt führe sie für jeden WGT-Tag ein anderes großes Kostüm im Gepäck.
Berufsfeuerwehrmann aus Meuselwitz
Auf acht Koffer bringen es Corinna und Jörg Stoll, zwei 48-jährige Ravensburger. „Ein Hotelzimmer ist uns daher zu klein, wir haben eine Ferienwohnung bezogen“, sagt der Mann. „Wir tragen jeden Tag eine andere Farbe, heute rot“, ergänzt die Frau. Ein halbes Jahr nehme die Vorbereitung in Anspruch, „und zwei Tage vorher ist es für mich wie für ein Kind kurz vor Weihnachten“, jubelt sie.
Wozu die Geschichte der 33-jährigen Altenpflegerin Uri passt: „Ich habe eine Nuss gefunden, auf den Boden geworfen und heraus kam dieses Kostüm.“ Ganz in Gold glänzt die Frau aus Karlsruhe und erklärt, warum sie mehr Outfits dabei hat, als das WGT Tage zählt: „Man muss sich ja auch noch aufs Wetter abstimmen.“ Daniela und Lars Becker aus dem Westerwald stimmen dagegen eher die Gewürze ihres Tanduri-Currys ab, das seit zwei Stunden in einem morbide geschmückten Bollerwagen vor sich hin brutzelt. „Zu einem großen Familientreffen möchte man doch etwas Leckeres beitragen“, erklärt der 48-jährige Hobby-Koch.
Wo Feuer brennt, ist ein Feuerwehrmann nicht weit. Allerdings trägt André Weithaas, 56 und aus Meuselwitz, die Uniform eines „futuristischen Kriegers aus dem 19. Jahrhundert“, wie er erklärt. Der Berufsbrandmeister hat Urlaub genommen, um endlich mal über Pfingsten keinen Dienst zu schieben – sondern um als Steampunk das Wave-Gotik-Treffen unsicher zu machen.
Von Mathias Wöbking
LVZ