7000 Fans in der Arena

Bob Dylan in Leipzig: Weltkulturerbe im Schummerlicht

Bob Dylan lässt sich seit Jahren nicht fotografieren. Unser Foto zeigt ihn bei einem Konzert 2012 im spanischen Benicassim.

Bob Dylan lässt sich seit Jahren nicht fotografieren. Unser Foto zeigt ihn bei einem Konzert 2012 im spanischen Benicassim.

Leipzig. Keine Fotos, keine Videoleinwände, keine Begrüßung, keine Mätzchen, einfach Musik. Bob Dylan hat am Mittwochabend auf seiner Never Ending Tour mal wieder in Leipzig Station gemacht und knapp eindreiviertel Stunden auf der Bühne gestanden. Ja, er muss es gewesen sein: heller Hut auf dunklem Wuschelgrau, Lederjacke. So steht ein Mann am Piano und knarzt „Things Have Changed“ aus dem Jahr 2000 in die Arena. Ein Mantra der Moderne, herausgegeben von einem, der sich treu blieb, indem er sich zeitlebens änderte. Das hat was als Einstieg – und Fußangeln: „If the bible is right, the world will explode“, heißt es im Text. Nicht schön. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier.

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Der Literaturnobelpreisträger von 2016 und seine fünf Musiker aber schon irgendwie: Sie spielen vor dunkelroten Vorhängen und Lampen-Schummerlicht, was andeuten könnte: Hier sitzt der Sound an der Bar, man muss das alles nicht so eng sehen – und genau das funktioniert an diesem Abend. Mag sein, dass die Band und ihr Sänger dann und wann mal auseinanderdriften – am Ende läuft alles wieder zusammen. Es folgt „Don’t Think Twice, It’s All Right“, gegeben als Boogie-Woogie, was der Meister mit munterem Schulterswingen begleitet. Bevor es auf den „Highway 61“ geht – energisch, rockig, geradeaus.

Bob Dylan, der enigmatische Guru, der wie Brian in Monty Pythons Bravourstück kein Messias sein will und gerade deswegen für einen gehalten wird. Dylan spielt diesen Widerspruch seines Lebens obsessiv durch: Ich bin es nicht, ich interessiere mich nicht für Euch – das ist die Nachricht, die er auf der Bühne angeblich versendet. Allerdings macht er das seit Jahrzehnten, bei etwa 100 Konzerten im Jahr. Da liegt die Vermutung nahe, dass einer die Reibung mit sich wie dem Publikum sucht und braucht – nicht nur die in der Kehle.

Gut geölt ist die auch diesmal nicht, aber das weiß man, wenn man ein Bob-Dylan-Konzert besucht. Die Fans des US-Amerikaners sind Meister der Enttäuschungsprophylaxe – was sie dankbar macht – und alles, was kenntlich gelassen wird, bejubeln lässt. Dabei gelingen an diesem Abend auch die abgelegeneren Versionen der eigenen Songs. Natürlich, er spricht mehr, als dass er singt, er raunt mehr, als dass er spricht, aber man versteht ihn nicht selten, was nicht als Selbstverständlichkeit gilt. Auch die Setlist ist berechenbar, der Meister variiert sie kaum bis gar nicht. 20 Stücke – darunter einige seiner faszinierendsten Werke aus dem 60ern und 70ern, einige Coverversionen, die die Welt vielleicht nicht unbedingt braucht, und diverse Songs vom 2012er Album „Tempest“ spielt er mit seiner Band. Zu einem bejubelten Höhepunkt wird „Desolation Row“ aus dem Jahr 1965, eines seiner vieldeutigen surrealen Meisterwerke. Berührend ist sein „Love Sick“ von 1997.

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Wieder kein Zufall könnte sein, dass der Abend mit „Long And Wasted Years“ endet, diesem tieftraurigen Lebens- und Liebesrückblick. Alles umsonst? Ach was, es gibt ja immer noch die Zugaben, wozu ist man Sänger? „Blowin’ In The Wind“, dieses leider heute so wie 1963 aktuelle Weltkulturerbe, kommt als überraschender Western-Waltz mit Geigen-Energie. Der Abend schließt mit der immer noch unheimlichen „Ballad Of A Thin Man“. Alles gut, da draußen, Mr. Jones? Eher nicht. Dylan wiederum scheint dieser Welt entrückt, auch als Überbringer von Botschaften, die diese erzittern lassen sollten.

Doch die Welt – applaudiert und jubelt am Ende stehend, und der Botschafter verbeugt sich schüchtern-schelmisch mit – tatsächlich – einer Art Lächeln. Licht aus. Weitermachen!

Von Jürgen Kleindienst

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