Gelebtes Multikulti: Bukahara spielt am Donnerstag in Leipzig
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Bukahara tritt wieder im Haus Auensee auf – hier ein Bild vom Konzert 2017 im Werk 2.
© Quelle: André Kempner
Leipzig. Es gibt Begriffe, die sind für die einen Verheißung, für die nächsten Bedrohung, für wieder andere schlicht alltägliche oder natürliche Realität. Multikulti und Schmelztiegel etwa, oder Flut und Grenze. Wenn Bukahara auf der aktuellen Tour zum fünften Album „Tales Of The Tides“ nun große Hallen wie am Donnerstag das Leipziger Haus Auensee oder die Westfalenhalle in Dortmund mit jeweils mehreren Tausend Menschen füllt, beweist dies, dass hier ein äußerst erfolgreicher und beliebter Schmelztiegel befüllt wird.
2009 in Köln gegründet
Bukahara lebt Multikulti musikalisch wie menschlich mit grenzüberschreitendem und freiheitlichem Selbstverständnis und setzt nun an, in der überreizten modernen Gesellschaft verzerrte Begriffe wie Flut und Grenzen konzeptionell auf ihren Ursprung und Sinn hin zu prüfen.
Das 2009 aus dem gemeinsamen Jazz-Studium heraus gegründete Kölner Quartett mit dem lautmalerischen Namen hat früh den akademischen Elfenbeinturm verlassen und sich über den Straßenmusikursprung und Jammen auf Reisen weiterentwickelt, ohne je den Charme einer ausgelassenen WG-Party abzulegen.
Mit „Global-Folk-Pop“ ist die Musik der Multiinstrumentalisten und Vielsprachler dabei so vage wie unzureichend umschrieben. Tunesische, syrische und palästinensische sowie jüdisch-schweizerische Wurzeln verschmelzen tanzbar mit weltmusikalischen Zutaten aus Jazz, Gypsy, Reggae, Klezmer, Folk und arabisch geprägtem Balkanflair. Den zunehmenden Erfolg verdanken die vier auch dem Rückenwind ihrer Kölner Indie-Pop- und Singer/Songwriter-Unbeschwertheit, die sich mühelos in den Große-Bühne-Sommerfestival-Sound von Milky Chance, Von Wegen Lisbeth und Co. einfügt.
Nie die Hoffnung aufgeben
Dass dies auf Dauer nicht nur mit heile-weltmusikalischer gute Laune geht, hat sich auf ihrem 2020er Album „Canaries in a Coal Mine“ bereits angedeutet, auf dem gesellschaftspoltische Töne zunahmen, die sich nun auf „Tales Of The Tides“ zum geschichtspoetischen Konzept weiten. Vorzeitliche Flutmythen und Metaphern stoßen auf Kampfbegriffe der Gegenwart und ein ausbalanciertes, vom Mond gesteuertes Naturbild. Dunkelste Zeiten der Sklaverei treffen auf moderne Fluchtbewegungen, Fabulierlust auf Verschwörungsmythen. Nie sind dabei Phrasen oder Zeigefinger im Spiel, die rauchig-soulige Stimme des Sängers Soufian Zoghlami trägt eine bildstarke Poesie, die nie den optimistischen Glauben an positive Entwicklungen aufgibt.
Die Musik von Bukahara wird immer dichter. Die Songstrukturen schichten sich behutsam vom zarten Annenmaykantereit-Soul zum komplex jazzigen Tom-Waits-Zirkus. Multiinstrumentale und genreüberschreitende Klänge, englisch-deutsch-arabische Mehrsprachigkeit gibt es immer noch, und die Tanzbarkeit steht auch außer Frage. Doch „Tales Of The Tides“ kommt reduzierter, melancholischer, homogener aus den Boxen.
Info: Am Donnerstag, 20 Uhr, tritt Bukahara im Leipziger Haus Auensee auf. Restkarten (ab ca. 42 Euro) an der Abendkasse.
LVZ