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Kunstfestival

Monumenta Leipzig: Kunst, Performances und viel Elektro

Jede Menge Power trotz maximal vier Stunden Schlaf pro Nacht: die Monumenta-Kuratoren Denis Leo Hegic (im Sprung) und Jan Fiedler.

Jede Menge Power trotz maximal vier Stunden Schlaf pro Nacht: die Monumenta-Kuratoren Denis Leo Hegic (im Sprung) und Jan Fiedler.

Leipzig. Vier Stunden Schlaf haben Jan Fiedler und Denis Leo Hegic derzeit im Schnitt pro Nacht – dafür sehen sie noch ziemlich frisch aus, als sie durch die ehemaligen Pittlerwerke in Wahren führen. Am Samstag eröffnet hier die Monumenta, ein sechswöchiges Kunstfestival: Street Art trifft zeitgenössische Kunst, Performances, Diskussionen, Konzerte – und einen eigenen Club. Viel Zeit hatte das fünfköpfige Team, zu dem außer Fiedler und Hegic noch Dorian Mazurek, Sabrina Markutzyk und Niklas Jedowski gehören, nicht. Doch anderthalb Wochen vor der Vernissage ist der Spirit der Monumenta schon greifbar.

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Es geht immer wieder um Maßstäbe

Überall wuseln Menschen, im Hof läuft Elektro, auf Tischen stehen Bier-, Wasser- und Mateflaschen. 1889 wurden die Pittlerwerke gebaut, 1997 gingen sie Konkurs. Die bröckelnden Fabrikhallen sind schon ohne Ausstellung beeindruckend. Das nutzen die Macher.

Beim Betreten der ersten Halle, die die Kuratoren wegen ihrer Architektur nur „Die Kirche“ nennen, fordern sie 30 Sekunden Schweigen. In den Blick springt die knallrot angesprühte Treppe, auf der bald das dreieinhalb Meter hohe Kunstwerk „angy boy“ des slowakischen Künstlers Viktor Frešo stehen wird. Die Skulptur zeigt ein riesiges Baby. „In der gesamten Ausstellung geht es um Maßstäbe“, sagt Hegic. Das eigentlich kleine, schutzlose Baby wird von Frešo monumentalisiert.

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Auf dieser Treppe wird die Skulptur „angry boy“ von Viktor Frešo stehen

Auf dieser Treppe wird die Skulptur „angry boy“ von Viktor Frešo stehen.

In den Seitenschiffen der Haupthalle soll pünktlich zum Ausstellungsbeginn das „Monument-of-Many“ zu sehen sein, das Herzstück der Monumenta. Unter der Überschrift „Iconic City“ geht es um Utopien der Stadt der Zukunft. Jeder Künstler hat einen Gasbetonblock bearbeitet, der in seiner Größe drei Mal dem Maß der Backsteine entspricht, aus dem die Pittlerwerke gebaut sind.

Marx und Engels einfach anheben

Ganz unterschiedliche Künstler haben sich beteiligt, Studierende genauso wie Profikünstler, und so vielfältig sind auch die Resultate, die im Moment noch in den benachbarten Räumen nebeneinander liegen. Einer hat in seinem Design Moos aus den Pittlerwerken mit verarbeitet. „Natur ist ein Thema, das viele aufgegriffen haben“, sagt Hegic, während er vorsichtig ein wenig Wasser über das Moos sprüht, damit das Kunstwerk vor der Vernissage nicht austrocknet.

Ein paar Meter weiter liegen die riesigen Marx- und Engels-Skulpturen des Berliner Künstlerduos „Various & Gould“ auf dem Boden. Die Figuren sind aus Pappmaché. „Die kann man tragen oder ganz einfach anheben, obwohl sie so riesig sind“, sagt Fiedler. So hat das schwere Erbe der Geschichte plötzlich weniger Last, und das Monumentale der beiden Philosophen wird relativiert.

Die Monumenta ist auch ein Spiel zwischen Kunst und Architektur

Die Monumenta ist auch ein Spiel zwischen Kunst und Architektur.

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Ein paar Meter weiter: eine Halle voller Basketballkörbe, von verschiedenen Künstlern gestaltet. Die beiden Kuratoren werfen sich ein paar Bälle zu. „Seit gestern spielen wir eigentlich immer eine Runde, wenn wir hier vorbeikommen, das ist ein kleiner Kurzurlaub“, sagt Fiedler. Hier kann sich jeder ausleben, der Lust hat. „Wir fragen uns auch: Wie klingt so eine Kunst, wie fühlt sie sich an?“, sagt Hegic. „Kunst und Sport sind die besten nonverbalen Kommunikationsmittel.“

In der letzten großen Halle werden verschiedene zeitgenössische Positionen zu sehen sein. Die meisten Werke hängen schon. „Es gibt dieses Vorurteil, dass unterschieden wird zwischen Street Art und Fine Art. Dabei unterscheiden sich diese Kunstformen nicht. Die einen Künstler arbeiten auf der Straße, die anderen im Studio. Das ist alles. Was sich vor allem unterscheidet, ist das Publikum. Wir wollen diese verschiedenen Gruppen zusammenbringen“, sagt Hegic.

Austausch zwischen Sekt- und Wodkapublikum

In einem kleinen, weiß gestrichenen Raum, der an eine klassische, cleane Galerie erinnert, wird das Versus-Projekt der Münchner Graffiti Writer Christian Hundertmark und Patrick Hartl gezeigt. Die beiden schicken Bilder von Künstler zu Künstler um die ganze Welt. Jeder schreibt das Bild gewissermaßen fort. So, wie die Werke gerade in der Ausstellung hängen, werden sie danach nie wieder zu sehen sein. Nach dem Ende der Monumenta ziehen sie weiter.

Ein Extraraum ist der US-Fotografielegende Martha Cooper gewidmet, die dort ihr Lebenswerk zeigen wird. Cooper wird auch den ersten Talk am Eröffnungswochenende halten. „Die Talks sind uns wirklich eine Herzensangelegenheit. Das soll kein sinnloser Austausch von Höflichkeiten werden, es geht um Inhalte“, sagt Hegic.

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Das Monumenta-Team wünscht sich einen Austausch, zwischen Fine Arts und Clubkultur, zwischen dem Sekt- und dem Wodkapublikum. Daran arbeiten sie derzeit hart. In ihren Büroräumen auf dem Gelände haben sie Betten. „Manchmal geht der Strom nicht, dann sitzen wir mit Kerzen neben dem PC“, sagt Hegic. Jetzt geht er erstmal Zigaretten kaufen. Ohne die geht gerade nichts.

INFO: Monumenta in den Pittlerwerken (Eingang am Börnchen 2): Eröffnung 1. September, 12 Uhr bis open end; bis 13. Oktober, geöffnet Do–So, 12 bis 20 Uhr, Eintritt 5 Euro. http://monumenta.art/

Von Sophie Aschenbrenner

LVZ

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