Hörspielsommer-Finale

Siegerehrung im Internationalen Wettbewerb

Die Gewinner Bettie I. Alfred (Bestes Langhörspiel) und John Sauter (Bestes Kurzhörstück). Silvia Liebig, die mit ihrem dokumentarischen Hörstück siegte, guckte vielleicht das Fußball-WM-Finale. Jedenfalls fehlte sie bei der Preisverleihung des Hörspielsommers.

Die Gewinner Bettie I. Alfred (Bestes Langhörspiel) und John Sauter (Bestes Kurzhörstück). Silvia Liebig, die mit ihrem dokumentarischen Hörstück siegte, guckte vielleicht das Fußball-WM-Finale. Jedenfalls fehlte sie bei der Preisverleihung des Hörspielsommers.

Leipzig. "Der Mensch schaut nach oben", sagt die Stimme aus den Lautsprechern, und sie hat recht. Der Hörspielsommer mit schätzungsweise nahezu 10 000 Besuchern an zehn Tagen ist am Wochenende mit einer Art Schaulaufen – besser: Hörlaufen – des Nachwuchses zu Ende gegangen. Im Richard-Wagner-Hain sieht das nicht anders aus, als wenn Profi-Produktionen die Wiese am Elsterflutbecken beschallen: Menschen sitzen und liegen im vertrockneten Gras. Sie schauen nach oben.

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„Das Schauen, ein Gebet – diese Welt ist voller Möglichkeiten – der Mensch schaut sie sich an“, so fährt die Stimme fort. John Sauter hat den Text auf Tonband gesprochen, der am Sonntagnachmittag als einer der letzten Beiträge des 16. Internationalen Wettbewerbs auf dem Leipziger Festival lief. Die Menschen auf dem Rasen hören zu und schauen nach oben. Gut zwei Stunden später schauen sie nach vorn, wo John Sauter selbst steht. Die Jury verkündet die Preisträger – und Sauters Hörspiel „Das Haus“ gewinnt in der Kategorie „Bestes Kurzhörstück“.

Wenn man nicht schaut, sondern mit geschlossenen Augen nur noch hört, wächst sich die Zahl der Möglichkeiten vielleicht noch weiter aus. Jedenfalls ist das der Eindruck, den die insgesamt 22 Wettbewerbsbeiträge vermitteln. Grenzenlos im Stück „Wie schmeckt noch mal Zuhause?“. Binnen Sekunden vom Tessin nach Buenos Aires, vom Sudan nach Gelsenkirchen und an einen „bestimmten Platz am See“. Von „einer Hand der Mutter auf dem Bauch“, von einem „Gefühl, das sich über meine Schulter legt“, ist bald die Rede. Silvia Liebig hat mit ihrem Mikrofon um die 50 Menschen nach ihrer Heimat befragt. Von der Oma bestickte Gardinendeckchen, ein hässlicher brauner Teppich mit beigen Rosen, das Rattern eines Zuges, der Geruch von frisch gemolkener Milch. Mit ihrer eindrucksvollen Klangcollage siegt Liebig in der Kategorie „Bestes dokumentarisches Hörstück“.

Das Niveau im Wettbewerb ist seit 2003 immens gestiegen

Durch 98 Bewerbungen hatten sich die Juroren vor Beginn des Festival gehört, Einsendungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Frankreich und Großbritannien. „Das Niveau ist im Wettbewerb mittlerweile so hoch wie im sonstigen Programm“, sagt Jeremy Heighway. Sonst laufen überwiegend professionelle Radio-Produktionen. Heigh­way kann die Qualitätssteigerung einschätzen: Der Engländer war Ohrenzeuge bei der Hörspielsommer-Premiere 2003, seit 2004 gehört er als Spendenbeauftragter zum Team.

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Das Ziel, per Crowdfunding 3000 Euro zur Finanzierung der Ausgabe 2018 zu sammeln, war bereits am Samstag erreicht, ein Tag vor dem Ende des Online-Aufrufs. Etwa dieselbe Summe, so Heighway, haben sie vor Ort eingesammelt. "Das Geld macht uns ein Stück weit unabhängig gegenüber Sponsoren und der öffentlichen Förderung", sagt Marcus Heinke, Vorsitzender des gemeinnützigen Hörspielsommer-Vereins – auch wenn sie alle drei Pfeiler benötigten, um das Festival zu stemmen. Die Attraktivität des Kulturreigens in seinem 16. Jahr belegt auch die Tatsache, dass sich die Macher der ersten "Hörspielwiese" am Wochenende in Köln am Leipziger Vorbild detailgetreu orientiert haben.

Mit ein paar Schnitten im nächsten Jahr

Trotzdem ist die Frage erlaubt: „Gibt es überhaupt sinnvolle Dinge? Oder ist sowieso alles, was man tut, gleich sinnlos?“ Und steuert „der sinnsuchende Mensch unweigerlich in die Katastrophe der Sinnlosigkeit hinein?“ Jedenfalls hat es für die Hörspielmacherin Bettie I. Alfred am Ende doch Sinn ergeben, sich diese Fragen zu stellen. Die Jury hat ihr existenzialistisches Drama „Das Leben – ein Fest“ am Sonntagabend zum „Besten Langhörspiel“ gekürt. Eine wunderbar deprimierende Reflexion über die Gleichförmigkeit des Lebens am Beispiel eines Pärchens mit Hund.

Die Jahre vergehen in Alfreds fiktivem Spiel, und die Liebenden Bine und Franke bemerken es kaum. Auch der Hörspielsommer benötigt letztlich nur ein paar Schnitte am Mischpult und ist schon im nächsten Jahr. Am Freitagabend haben vier Leipziger Schauspieler szenisch aus den zehn siegreichen Texten des diesjährigen Manuskriptwettbewerbs vorgetragen. Um Druckauftragsprosa und ein Praktikum beim Verfassungsschutz ging es da beispielsweise. Bis zum Hörspielsommer 2019 haben nun Studierende der Bauhaus-Universität Weimar und Theaterwissenschaftler aus Gießen Zeit, daraus Kurzhörspiele zu basteln. Wir hören uns.

hoerspielsommer.de

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Von Mathias Wöbking

LVZ

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