Karl Schlögel erzählt mit „Entscheidung in Kiew“ in Stadtbildern aus der unruhigen Geschichte der Ukraine, 2015 erschienen – und sehr aktuell.
Leipzig. Die Ukraine meiner Schulzeit war ein eigenartiges Ding: ein Teil der Sowjetunion – trotzdem mit einem eigenem Sitz in der Uno. Ukraine, das war im Kino Stenka Rasin, der Rebellen-Kosak, und – unerlässlich für besessene Cineasten – Bondartschuk als Dichter Schewtschenko („Gesprengte Fesseln“), vor allem aber der Kino-Lyriker Dowshenko. Dass Paustowski („Die goldene Rose“ blieb eines meiner Lieblingsbücher) ukrainische Wurzeln hatte, das habe ich erst bei Karl Schlögel erfahren. Dass auch Ehrenburg Ukrainer ist, war mir nie bewusst. Ungeachtet jenes intellektuellen Aufruhrs, als seine Memoiren auch in der DDR erschienen. Das Traktorenwerk Charkiw, Donbass, Dneprogres blieben mythisch. In Kiew war ich erstaunt, dass der Krestschatik so kurz und im Höhlenkloster die Mönche so klein waren.
Trotzdem war die Ukraine terra incognita. Woran in der DDR auch die DSF, die Freundschaftsgesellschaft, wenig änderte. Dem geringen Wissen hält Karl Schlögel seine „Entscheidung in Kiew“ entgegen. Keine kurze Geschichte der Ukraine (Andreas Kappelers Abriss ist zu empfehlen), sondern die emotionale Besichtigung eines randeuropäischen Landes in Stadtbildern. Die von 1988 (Czernowitz, Lemberg) und die von 2000 (Odessa, Jalta) ergänzt um aktuelle Einleitungen.