Abschied von Bruce Willis: ein großer Verlust für Hollywood
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Schuss mit lustig: Bruce Willis als New Yorker Cop John McLane in „Stirb langsam 2“.
© Quelle: imago images/Everett Collection
Es gibt diese Helden, auf deren Tun dein ganzes Hoffen ruht, wenn deine Nerven wieder britzeln und blitzen vor Stress wie falsch gepolte Elektrokabel. Je erbärmlicher der Zustand der Welt, je tumber die Idioten, die dir den Tag versauen, desto drängender die Frage: Wo ist Bruce Willis, wenn man ihn braucht? Wo ist der rotzcoole New Yorker Cop John McLane, der nach „Stirb langsam“-Manier all die Bekloppten mit durchaus kompromissloser Gewaltanwendung und einem munteren „Yippie-Ya-Yay, Schweinebacke!“ zur Seite räumt?
Gewalt ist keine Lösung, gewiss doch. So haben wir das gelernt. Actionhelden in schwitzig-blutigen Feinripp-Unterhemden sind ungeeignet, die realen Probleme der Welt zu lösen. Aber gerade weil Vernunft und Benehmen reale Kopfnusstätigkeiten aller Art verbieten, tat es ab und an eben doch gut, diesem Mann bei seinem wüsten Treiben zuzusehen.
Hirn, Herz und Humor
Warum? Weil Bruce Willis, geboren 1955 in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz als Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen aus Kaufungen, neben aller Coolness immer auch Hirn, Herz und Humor durchschimmern ließ. Zu den Deutschen hatte er, obwohl er nur die ersten beiden Lebensjahre hier verbrachte, stets ein besonderes Verhältnis. (Man muss das nicht wissen, aber die Ehefrau des bärtigen Wildecker Herzbuben ist die Großcousine von Bruce Willis).
Dieser Kerl mit seinem unverschämten Grinsen (Fachausdruck: „The Smirk“) und den blitzenden Augen war in der Blüte seines Schaffens die perfekte Symbiose aus Action und Comedy, aus Ballern und Blödsinn – quasi Schuss mit lustig in einer Person. Nun also hört er auf, mit 67 Jahren, zum Ruhestand gezwungen von einer Krankheit, mit der sich ein biografischer Kreis schließt: Zur Schauspielerei kam er als Schüler überhaupt nur, um sein Stottern therapeutisch in den Griff zu kriegen. Ein halbes Jahrhundert später wirft ihn eine Störung aus der Bahn, die alles beeinträchtigt, was mit der Sprache zusammenhängt, dem wichtigsten Handwerkszeug des Schauspielers: sprechen, verstehen, lesen, schreiben, kommunizieren.
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Nicht nur Actionheld: Bruce Willis als Kinderpsychologe Malcolm Crowe mit Haley Joel Osment als Cole Sear im Kinohit „The Sixth Sense“ von 1999.
© Quelle: imago images/Mary Evans
Die ganz Großen seines Fachs, die alternden Helden des Actionkinos, nahmen traurig Abschied von diesem Naturtalent und -ereignis: „Ich bete für dich und deine Familie“, twitterte Kollege Sylvester Stallone (75). „Wenn du Filme liebst, liebst du Bruce Willis“, schrieb James Woods (74). Und Regisseur M. Night Shyamalan, dem er in „The Sixth Sense“ eine seiner berührendsten Rollen verdankte, schrieb: „Er wird immer der Held von dem Poster in meinem Kinderzimmer bleiben.“ James Bond ist tot. Bruce Willis macht Schluss. Die Zeit der Actionhelden ist vorbei. Nur Harrison „Indiana Jones“ Ford (79) hat es noch nicht gemerkt.
Ein Kämpfer wider Willen
Was Götz George mit Horst Schimanski in Deutschland war, war Bruce Willis mit John McLane für die Welt: eine neue Art Mann. Ein Kämpfer wider Willen, der fluchte, haderte, schwitzte und jaulte und dazu aus diversen Körperöffnungen blutete, aber den Job zu Ende brachte, weil es sonst keiner tut. „Yippee-ki-yay, motherfucker!“ sagt der Antiheld in der Originalversion. Es ist seine bekannteste Zeile.
Willis beendete die Ära der prügelnden Fleischberge wie Stallone oder Schwarzenegger, die in den Reagan-Jahren ein gewalttätiges, hirn- und rücksichtsloses Amerika verkörperten. Seine Versuche, im komischen Fach dem lästigen, klebrigen Actionimage zu entkommen („Der Tod steht ihr gut“) taten seiner Karriere in den frühen Neunzigerjahren nicht gut.
Dann jedoch besetzte ihn Quentin Tarantino 1994 in „Pulp Fiction“ als seelisch maladen Boxer Butch Coolidge. Wie John Travolta verschaffte der Kulthit auch Willis ein spektakuläres Comeback; es folgten Superhits wie „12 Monkeys“, „Das fünfte Element“ oder „Armageddon“, wo er den lässigsten Rohrverleger der Kinogeschichte spielte (und den Vater der zauberhaften Liv Tyler). „Es spielt keine Rolle, wie alt jemand ist“, hat er mal gesagt – „im Herzen wird er immer 24 oder 25 Jahre alt sein.“
Trotz seiner großen Charakterrollen – in „Ausnahmezustand“ oder in „Unbreakable“ – wurde Willis nie für einen Oscar nominiert. Ein Umstand, den Hollywood nach seinem Rücktritt aus dem Rampenlicht unbedingt korrigieren muss. Zuletzt drehte er wie ein Besessener. Allein seit 2018 kurbelte er 29 (!) Filmchen herunter – die meisten davon billige Direct-to-DVD-Actionklamotten, die ihm zwar viel Geld, aber wenig Meriten einbrachten.
Man muss das so deutlich sagen: Sein Spätwerk ist ein Trauerspiel. Am Ende aber bleibt das Bild eines abgekämpften Cops im Unterhemd, vom Leben zerstoßen, aber unverwüstlich, der auf die Frage „Wer sind Sie eigentlich?“ antwortet: „Ich bin nur die Fliege im Honig, Jack. Der Knüppel zwischen deinen Beinen. Der Tritt in deinen Arsch.“