Zwei Brüder in Zeiten des Holocaust
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Nur nicht auffallen: Der kleine Jude Jo (Dorian Le Clech) und sein älterer Bruder Maurice (Batyste Fleurial Palmieri) sind im besetzten Paris auf sich gestellt.
© Quelle: Weltkino
Hannover. „Bist du Jude?“, fragt der Vater den Sohn. „Nein“, antwortet Jo und bekommt eine schallende Ohrfeige. Der Vater wiederholt die Frage und schlägt den Jungen immer wieder bei dessen „Nein“. Schließlich nimmt der Vater den Sohn in den Arm und sagt: „Es ist besser, eine Ohrfeige auszuhalten, als zu sterben, weil man Angst davor hat.“ Dies ist die Abschiedslektion, die Jo (Dorian Le Clech) und sein älterer Bruder Maurice (Batyste Fleurial Palmieri) lernen müssen: Von nun an sind sie auf sich allein gestellt. Die Deutschen haben im besetzten Paris des Jahres 1941 begonnen, Juden zu deportieren. Die Brüder müssen sich ohne Vater Roman (Patrick Bruel) nach Südfrankreich durchschlagen. Eine Familie auf der Reise würde zu sehr auffallen.
Ein Wechselbad der Gefühle
Joseph Joffos Roman „Ein Sack voll Murmeln“ (1973) gehört in Frankreich zu den bekanntesten Jugendbüchern über die Zeit des Zweiten Weltkrieges. In seiner Adaption verschreibt sich der frankokanadische Regisseur Christian Duguay der Kinderperspektive: Das Leben zwischen Krieg und Vertreibung ist für die Geschwister ein stetes Wechselbad der Gefühle. Angst und Abenteuerlust, Verlassenheitsgefühle und Bruderliebe, Überforderung und erstarkendes Selbstbewusstsein liegen dicht beieinander.
Trotz der eher konventionellen Erzählweise findet Duguay dank seiner hervorragenden, jungen Darsteller den richtigen Erzählton für den Pulsschlag eines Kindes, das den grausamen Verhältnissen ausgeliefert ist. Dennoch erreicht die Geschichte nicht die Intensität von Pepe Danquarts Film „Lauf, Junge lauf“, der die Flucht eines Jungen aus dem Warschauer Getto beschreibt.
Von Martin Schwickert / RND