Der perfekte Bauernhof

Gemüsezucht mit Fischen: In den Tanks von „The Plant“ schwimmen Buntbarsche, die Ammoniak ausscheiden, das durch Bakterien in Nitrat umgewandelt wird und Gemüse wachsen lässt.

Gemüsezucht mit Fischen: In den Tanks von „The Plant“ schwimmen Buntbarsche, die Ammoniak ausscheiden, das durch Bakterien in Nitrat umgewandelt wird und Gemüse wachsen lässt.

Chicago. Im Keller drängen sich die Besucher um die riesigen Plastiktanks. In deren trübem Wasser kann man das Wimmeln nur erahnen – es ist eine Zucht von Tilapia-Buntbarschen, schnell wachsenden Speisefischen. Ein paar Meter weiter stehen Paletten, aus denen Salatbüschel sprießen. Über Plastikschläuche und Rohre ist alles verbunden.

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Was sich die Besucher im Keller ansehen, ist das Herzstück des Projekts “The Plant“ in Chicago. In einem Betrieb, in dem ehemals Fleisch zerlegt wurde, wird erprobt, was man einen geschlossenen Kreislauf nennt. Es ist die wohl umweltfreundlichste Weise, um Lebensmittel zu erzeugen. Tilapia-Barsche und Salat sind Teil eines sogenannten Aquaponik-Systems. Dabei wird eine Fischzucht mit einer Hydrokultur vereint, einer Pflanzenzucht ohne Erde.

Lebensmittel für “Nahrungswüsten“

Ein junger Mann, der sich als Peter vorstellt und ein grünes T-Shirt mit “The Plant“-Logo trägt, erklärt, wie das funktioniert: Die Fische in den Tanks scheiden das Stoffwechselprodukt Ammonium aus. In zu hoher Konzentration wäre das giftig für sie, daher wird ständig Wasser abgeleitet. In anderen Tanks wird das Ammonium im Wasser durch Bakterien zuerst zu Nitrit und dann zu Nitrat umgewandelt – einem wichtigen Nährstoff für Pflanzen.

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Mit dem nitrathaltigen Wasser werden dann die Wurzeln des Salats geflutet. Nachdem die Pflanzen das Nitrat daraus aufgenommen haben, wird das Wasser wieder in die Fischtanks geleitet. “Das Einzige, was wir von außen zuführen müssen, ist derzeit noch Fischfutter“, sagt Peter. An Alternativen wird aber gearbeitet: Ziel ist es, die Fische eines Tages mit Abfällen von einem der im Haus angesiedelten Betriebe füttern zu können.

Denn sie alle sind Teil des großen Experiments zur Nachhaltigkeit. Lebensmittel für “food deserts“ werden erzeugt, für “Nahrungswüsten“, also Gegenden, in denen Menschen aufgrund niedriger Einkommen kaum oder keinen Zugang zu gesundem Essen haben.

Auch eine Bäckerei und eine Brauerei gehören zum Kreislauf-Gesamtkonzept von “The Plant“.

Auch eine Bäckerei und eine Brauerei gehören zum Kreislauf-Gesamtkonzept von “The Plant“.

Peter führt die Besucher weiter durch das Gebäude von “The Plant“ Einige Stockwerke weiter oben duftet es nach frisch gebackenem Brot, hier befindet sich eine Holzofenbäckerei. Im Erdgeschoss schenkt eine Bar Bier der hausinternen Brauerei aus. Was auf den ersten Blick nicht erkennbar ist – sämtliche Produktionsabläufe sind miteinander vernetzt. Alle Betriebe, die im “The Plant“-Gebäude untergebracht sind, versuchen, so wenig Müll wie möglich zu produzieren.

Was als Ausschuss bei der Herstellung entsteht, tauschen sie stattdessen untereinander aus, um es sinnvoll zu nutzen. Abfälle der Brauerei und einer Kaffeerösterei werden zur Anzucht von Speisepilzen verwendet. Mit überschüssiger Hefe aus der Bierherstellung backt die Bäckerei ein Bier-Brot. Und zum Heizen der Bäckerei-Holzöfen wird mit Bio-Briketts aus Brauerei- und Röstereiabfällen experimentiert. Mit allem, was kompostierbar ist, düngt man einen großen Gemüsegarten im Freien. Insgesamt werden 90 Prozent der Nebenprodukte, die entstehen, wieder oder weiter verwertet.

Lehrprojekt und Bauernmarkt

Bei “The Plant“ schone man auch allein schon dadurch Ressourcen, erklärt Peter, dass man das alte Gebäude erhalten habe. Der Bau stammt aus dem Jahr 1925. 2010 erwarb der Unternehmer John Edel mit seiner Firma Bubbly Dynamics das Haus. Das Gebäude abzureißen und einen Neubau zu errichten hätte Rohstoffe und Energie verschwendet. Stattdessen entschloss sich Edel, den Betrieb umzunutzen. Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter bekam er eine Startfinanzierung von gut 65 000 US-Dollar (etwa 57 000 Euro) zusammen – und gründete “The Plant“ als Non-Profit-Organisation.

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“The Plant“ ist auch ein Lehrprojekt – das zum Nachahmen anregen will. Vielen Schulklassen werden hier nachhaltige Produktionsabläufe erklärt. In Workshops kann man lernen, wie man Pilze züchtet oder ein Aquaponik-System baut. Und zum regelmäßig stattfindenden “Farmers-Market“ strömen Kunden aus der City, um lokal oder zumindest fair produzierte Produkte zu kaufen. Es gibt frisches Gemüse, Handarbeiten, Bio-Honig und das hausgebackene Brot.

Lehrprojekt “The Plant“: In Workshops können Schüler hier auch lernen, wie man Pilze züchtet.

Lehrprojekt “The Plant“: In Workshops können Schüler hier auch lernen, wie man Pilze züchtet.

Genau genommen ist “The Plant“ noch nicht fertig. Denn ein wichtiges Puzzleteil fehlt noch im System. Im Garten steht bereits eine riesige Vergärungsanlage für biologische Abfälle. In Zukunft will man mit ihr aus Biogas Energie gewinnen. Derzeit hat “The Plant“ nicht genug Geld, um die Anlage wie geplant auszubauen und in Betrieb zu nehmen. Aber wenn das gelingt, wären alle Produktionen hier nachhaltig mit Energie versorgt.

Und erst dann würde es gelingen, eine echte ökologische Balance des Systems zu erreichen. Der perfekte Kreislauf, das ganz große Ziel des Experiments – er wäre geschlossen.

Von Irene Habich

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