Lichtblicke – made in Africa
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Hannover. Wenn sogar Mark Zuckerberg beeindruckt ist, dann muss doch was dran sein. Fast schwärmerisch hat der Facebook-Gründer die unternehmerische Energie besungen, die er bei seiner Afrikareise verspürt hat: „Wenn die Welt diese Leidenschaft eines Tages entdeckt, wird Afrika die Welt verändern.“
Bis zur afrikanischen Weltrevolution könnte es jedoch schon deshalb noch etwas dauern, weil der Besuch des selbst ernannten Weltverbesserers aus Kalifornien im September vergangenen Jahres von einem herben Rückschlag überschattet wurde: Im US-Raumfahrtzentrum Cape Canaveral explodierte Facebooks erster Satellit. Dieser Zuckerberg-Satellit sollte entlegene Regionen Afrikas mit freiem Internet versorgen – und dort vor allem Kleinunternehmern Anschub auf dem Weg in die Selbstständigkeit geben.
Jetzt backt der Selfmade-Milliardär erst einmal kleinere Brötchen und treibt ein Drohnenprojekt voran. Dies soll nicht nur schnelles Internet, sondern auch andere Dienstleistungen offerieren. Nur: Zuckerberg ist längst nicht der Einzige, der das Potenzial des Schwarzen Kontinents entdeckt hat.
Ganze Entwicklungsstufen lassen sich überspringen
Die Konkurrenz kommt aus dem heimischen Silicon Valley, Zipline zum Beispiel. Das mit viel Risikokapital ausgestattete Start-up will mit kleinen, unbemannten Lieferdrohnen medizinische Ausrüstung in schwer zugängliche Regionen fliegen. Das deutsche Start-up Mobisol will Drohnen nutzen, um Ersatzteile für Solaranlagen in entlegene Teile Tansanias und Ruandas zu schaffen.
Fortschritt durch Digitalisierung, Überflieger statt Straßen: Visionäre glauben, dass Afrika eine einzigartige Chance hat. Der Kontinent könne, so heißt es, ganze Entwicklungsstufen auslassen, Technologien einfach überspringen. Investoren und Gründer lassen sich mitreißen von einem Optimismus, der sich aus schier unerschöpflichem Erfindungsreichtum speist. Pessimisten glauben eher, dass es die Not ist, die erfinderisch macht. Sie zweifeln daran, dass Mobiltelefone, Solarmodule und Drohnen das Fehlen von Banken, Kraftwerken oder Straßen tatsächlich kompensieren können. Sie verweisen darauf, dass Hunger, Gewalt und Korruption nach wie vor allgegenwärtig sind. Das stimmt. Aber es stimmt eben auch, dass an allen Ecken und Enden Lichtblicke aufblitzen.
Und es sind nicht nur mutige Entrepreneurs, die nicht länger auf helfende Hände warten und einfach loslegen. Sondern es sind auch ganze Staaten. Der beeindruckendste unter ihnen: Ruanda.
„Vision 2020“: Ruanda
„Ich habe mich oft gefragt, warum der Westen mehr Interesse hat, uns Hilfe zu schicken, statt fairen Handel mit uns zu treiben“, sagt Präsident Paul Kagame. „Der freie Austausch von Waren würde viel mehr Geld in den Händen der Menschen lassen als jede Hilfe.“
Kagame, der in diesem Jahr dank einer Verfassungsänderung zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidat antritt, gilt den Ruandern als „aufgeklärter Despot“. Er regiert mit harter Hand. Aber selbst Kritiker gestehen ihm zu, dass Ruanda, vor 20 Jahren zerstört vom grausamsten Völkermord seit dem Holocaust, eine in Afrika einzigartige Metamorphose vollzogen hat.
Unerbittlich verfolgt der einstige Rebellenführer seine „Vision 2020“: In den nächsten drei Jahren soll der Zwergstaat im Herzen Afrikas den Sprung vom Agrar- zum Hightech-Land geschafft haben. In der Hauptstadt Kigali werden dazu heute überall neue Funkmasten errichtet und Glasfaserkabel verlegt, freies Internet gibt’s in jedem größeren Café. Noch der letzte Winkel des Landes soll mit dem Rest der Welt verbunden werden. Nahe Kigali hat Kagame eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet und innerhalb eines Jahres ausländische Direktinvestitionen um 78 Prozent erhöht. Spitzenreiter bei den Investoren: Mauritius, die Schweiz, die USA und Luxemburg. Innovationsfreudige Ruander selbst können heute innerhalb von 48 Stunden ein Geschäft anmelden, online – ohne Schmiergeld für eine korrupte Bürokratie.
Belohnt für vorausschauende Politik
In vieler Hinsicht ist Ruanda mit seinen 12 Millionen Menschen Vorreiter des Kontinents: Während fast überall in Afrika die Urwälder abgeholzt werden, ist der Anteil der Waldfläche in Ruanda seit 1994 um mehr als ein Drittel gestiegen. Das beschert Touristen, die Gorillas sehen wollen, und schützt vor allem vor Erosion und Überweidung. Das mit Abstand am dichtesten besiedelte Land des Kontinents kann sich dank dieser vorausschauenden Politik heute selbst ernähren.
Paul Kagame bewundert die asiatischen Tigerstaaten Südkorea und Singapur – „für ihre Entwicklung und dafür, dass sie intensiv in ihre Menschen und in Technologie investiert haben“. Praktisch alle ruandischen Kinder gehen heute zur Schule. Und der Weltbank gilt Ruanda heute als Staat mit dem investorfreundlichsten Klima Afrikas.
Von Wolfgang Drechsler/RND