Vom Statussymbol zum Accessoire

Portemonnaies: Der Boom der Börse ist vorbei

Das Portemonnaie wird durch digitale Zahlmethoden immer unwichtiger.

Das Portemonnaie wird durch digitale Zahlmethoden immer unwichtiger.

Die Warnung des Bundeskriminalamts (BKA) vor Taschendiebstählen weckt Assoziationen mit einem Stück Weltliteratur: Oliver Twist, der Hauptfigur in Charles Dickens’ gleichnamigem Roman. Zu den gängigsten Methoden der Täter zählten „der Anrempler, der Beschmutzer oder der falsche Tourist“, heißt es auf der Website des BKA. Das klingt ganz nach den Tricks, die der Hehler Fagin der Kinderbande um den Waisenjungen Oliver beibringt, die die Straßen Londons unsicher macht. In den 1830er-Jahren wohlgemerkt.

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Seitdem scheinen Taschendiebe ihre Vorgehensweisen nicht nennenswert geändert zu haben. Vielleicht auch, weil es immer noch genügend Opfer gibt, die darauf reinfallen. Doch die Ausbeute dürfte zunehmend geringer sein. Zumindest ist die Zeit prall gefüllter Portemonnaies vorbei.

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Plastikkarten ersetzen Bargeld

Immer mehr Menschen begleichen ihre Rechnungen bei Einkäufen oder im Restaurant mit Giro- oder Kreditkarte, die sich nach einem Diebstahl schnell sperren lassen. Mehr als 6,7 Milliarden Bezahlvorgänge mit der Plastikkarte zählte die Frankfurter Einrichtung Euro Kartensysteme im vergangenen Jahr. Das waren 13,4 Prozent mehr als 2021. Hinzu kommt die wachsende Beliebtheit des kontaktlosen Bezahlens via Smartphone oder Smartwatch mithilfe von Banken-Apps oder Diensten wie Apple Pay und Google Pay.

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Zwar ist Bargeld beim Einkaufen immer noch das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel in Deutschland. Doch sinkt der Anteil stetig: Nach einer Studie der Deutschen Bundesbank wurden 2021 insgesamt 58 Prozent der Bezahlvorgänge für Warenkäufe und Dienstleistungen mit Banknoten und Münzen beglichen. 2017 waren es noch 74 Prozent. In Zeiten, da man selbst für Parkschein- oder Fahrkartenautomaten kein Kleingeld mehr parat halten muss und vom Friseur- bis zum Restaurantbesuch nur das Handy zücken muss, um zu bezahlen, kann man sich das Herumschleppen eines Portemonnaies sparen.

Portemonnaies sind ein Teil unserer Identität

Das hat auch den Vorteil, im Gedränge nicht ständig danach tasten zu müssen, um zu prüfen, ob es noch da ist. Und wer möchte nicht diesen Schreck vermeiden, bei dem einem erst heiß und dann kalt wird, wenn die Geldbörse plötzlich weg ist? Zumal mit ihrem Verlust auch immer ein Stück unserer Identität verloren geht: Ausweis, Führerschein, Krankenkassenkarte, Fotos unserer Lieben oder besondere Erinnerungsstücke in Form einer alten Kinokarte oder eines Pariser Metrotickets. Mit der Entwendung des Portemonnaies gehen oft auch ideelle Werte verloren.

Nicht umsonst heißt das Portemonnaie auch Brieftasche. Der Begriff unterstreicht noch einmal mehr die Wichtigkeit dieses Gegenstands. Denn über Jahrhunderte war die Brieftasche Aufbewahrungsort persönlicher Dokumente und kleiner, aber nützlicher Sachen. Man trug sie daher möglichst eng am Körper, so wie es die Polizei zum Schutz vor Taschendieben heute immer noch rät. Selbst Steinzeitjäger Ötzi, der Mann aus dem Eis, hatte so etwas wie einen Prototyp bei sich, als er vor mehr als 5000 Jahren in den Alpen ums Leben kam: Eine Gürteltasche, in der Forscher kleine Werkzeuge, Spuren von Zunder und Pyrit sowie eine Art Notfallmedizin in Form von blutstillenden Birkenporlingen fanden. Es waren lebensnotwendige, persönliche Dinge.

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Stoff für virtuelle Welten: Designmarken entwerfen immer öfter Kollektionen nur fürs digitale Ich im Metaverse – teils zu horrenden Preisen.

Digitale Designermode: Was Avatare anziehen

Tausende Euro für Kleider oder Handtaschen auszugeben, die man noch nicht mal anfassen kann, klingt verrückt, ist aber Realität: Luxuslabels und Textilketten schaffen eigene Kollektionen fürs Metaverse, um die Nutzerinnen und Nutzer im Netz auszustatten.

Schmale Card-Holder bei Männern beliebt

Die Gürteltasche als Depot für Wertsachen auf Reisen ist bis heute populär. Im Laufe der Geschichte von der Antike übers Mittelalter bis heute gab es mitunter originelle Ausführungen. So etwa die Geldkatze, ein schlauchartiger Geldbeutel, dessen Futter ursprünglich aus einem Katzenbalg bestand. Der Begriff „rubbeldiekatz“ als Aufforderung, schnell zu handeln, stammt noch aus Zeiten, als Geschäftemacher bei Preisverhandlungen über den Münzsack strichen, um den Inhalt zu überschlagen.

Die Verbreitung des Papiergeldes im 17. Jahrhundert in Europa brachte schließlich neue Designs: Flachere Börsen, oft mit aufwendigen Verzierungen, wurden modern. Im 19. Jahrhundert ähnelten die Modelle den zum Teil heute noch gebräuchlichen großen Kellnerportemonnaies: Männer trugen den Bargeldbehälter gern am Gürtel – und achteten darauf, dass er prall gefüllt war, denn dicke Brieftaschen galten als Prestigeobjekt. Heute setzt man auf Understatement: Schmale Card-Holder seien besonders bei jungen Männern beliebt, sagt Claudia Schulz, Sprecherin des Bundesverbands der Schuh- und Lederwarenindustrie.

Frauen setzen bei Portemonnaies auf Luxusmarken

Damenportemonnaies waren und sind vor allem vom Handtaschendesign beeinflusst. Nach dem Zweiten Weltkrieg etwa nutzte man winzige Modelle oder steckte Scheine einfach lose in die damals modernen Kuverttaschen. Lange waren Portemonnaies für Frauen grundsätzlich kleiner als die für Männer. Je größer schließlich die Handtaschen wurden, umso breiter wurden die Geldbörsen.

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Heute gibt es abseits geschlechtsneutraler und quadratisch-praktischer Versionen vor allem zwei Extreme bei den Ausführungen für Frauen: das Miniportemonnaie und die XXL-Brieftasche – beides bevorzugt mit dem Logo eines teuren Labels. „Modelle von Luxusmarken sind immer noch sehr angesagte Statussymbole“, berichtet Schulz.

Frauen hätten heute außerdem oft mehrere Geldbörsen – in Form und Design abgestimmt auf die jeweilige Handtasche, die wiederum zum Outfit passen muss. Dabei sei das Portemonnaie in Zeiten digitaler Wallets und Kartenzahlung vor allem eher schmückendes Accessoire als praktischer Begleiter, sagt Schulz. Sie ist sich aber auch sicher, dass es sich in diesem Bereich noch lange halten wird. Taschendiebe dürften dann künftig eher mit dem Portemonnaie an sich Profit machen als mit dem Inhalt.

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