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„Das Hauptmerkmal ist der Verzicht auf Logos“

Schluss mit dem Protzen: Was ist Quiet Luxury?

Auffällig unauffällig: Jeff Bezos trägt leisen Luxus.

Auffällig unauffällig: Jeff Bezos trägt leisen Luxus.

Ob der Wollmantel von The Row wirklich einige Tausend Euro gekostet hat und die Schuhe vom Luxus­label Prada waren? Als sich die Schauspielerin Gwyneth Paltrow im März dieses Jahres wegen eines Skiunfalls vor Gericht verantworten musste, interessierten sich die Medien nicht nur für die Verhandlung – sondern auch für das Outfit der Beschuldigten.

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Das ist an sich keine Seltenheit: Seit jeher wird das, was Prominente im Gerichtssaal tragen, die sogenannte Courtroom Fashion, gerne bis ins kleinste Detail analysiert. Doch Paltrows Outfits in dem Prozess lösten einen regelrechten Hype um einen vermeintlich neuen Modetrend aus: Quiet Luxury – leiser Luxus.

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Verzicht auf Luxus

„Das Hauptmerkmal für den Stil ist der Verzicht auf Logos“, sagt Fernando Fastoso, Professor für Markenmanagement für Luxus- und High-Class-Marken an der Hochschule Pforzheim. „Beim ‚leisen‘ Luxus geht es um das Produkt, um seine Qualität und um besondere, kostbare Materialien.“

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Auch ist der Stil nie übertrieben modisch. Wie jede Form von Luxus definiere sich auch der unauffällige durch Exklusivität – „und damit auch durch den enorm hohen Preis, der in keinem Verhältnis zur Funktionalität des Produkts steht“, sagt Fastoso. Neu ist der Stil nicht: „Einige Menschen, die sich Luxus leisten können, haben sich schon immer für ‚leisen‘ Luxus entschieden“, sagt der Luxusforscher. Aus seiner Sicht rücke der Stil allerdings derzeit mehr ins Auge des Betrachters.

„Old Money Style“ oder „Stealth Wealth“

Ansonsten hält Fastoso Quiet Luxury nur für ein neues Schlagwort für einen bestimmten Kleidungsstil gut betuchter Menschen, der früher mitunter auch als „Old Money Style“ oder „Stealth Wealth“ („heimlicher Reichtum“) bezeichnet wurde.

Es ist die Mode des sogenannten Geldadels: „Um sich Luxus zu leisten, braucht es erstens Vermögen und zweitens Statusbedürfnis“, sagt Fastoso. „Menschen möchten ihren Status über die Produkte, die sie kaufen, kommunizieren.“ Dabei liege ein wesentlicher Unterschied darin, ob jemand schon länger Vermögen und somit einen gefestigten Status habe oder erst in jüngerer Zeit zu Reichtum gekommen sei.

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„Menschen, die erst seit Kurzem vermögend sind, wollen ihren Reichtum meist in alle Richtungen kommunizieren, nach dem Motto: ‚Ich kann mir etwas leisten, das sehr teuer ist, und möchte das alle wissen lassen‘“, sagt Fastoso. Diese breite Kommunikation erfolge meist durch Kleider und Accessoires mit gut sichtbarem Logo.

„Aura der Kultiviertheit“

„Dagegen hat ‚leiser‘ Luxus schon seit jeher diese Aura der Kultiviertheit, es geht um subtile Abgrenzung“, ergänzt er. Neben Angehörigen des Hollywoodadels wie Gwyneth Paltrow pflegen auch Milliardäre wie Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg einen betont schlichten Kleidungsstil.

Vollendetes Understatement beherrschen aber vor allem die Royals, insbesondere jene aus der zweiten Reihe, wie etwa Prinz Edwards Frau Sophie, die Herzogin von Edinburgh, deren teure, aber dezente Outfits niemandem die Show stehlen.

All diese Menschen zeigen nach Fastosos Auffassung auch, dass sie es nicht nötig haben zu betonen, sich bestimmte Dinge leisten zu können. Die Botschaft, die sie mit ihrer Kleidung aussenden, richte sich nicht an die breite Masse, sondern an einen kleinen, exklusiven Kreis, der auf die gleiche Weise kommuniziere. Luxuslabels machen sich diese Erkenntnisse zunutze, allerdings auf unterschiedliche Weise.

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So bieten manche Marken sowohl eine „laute“ und eine „leise“ Luxusversion an, indem sie Sachen mit und ohne sichtbarem Logo verkaufen. Bei Marken wie Louis Vuitton oder Gucci zeigen hingegen viele Produkte ein Muster mit inte­griertem Logo. „Und wieder andere Marken setzen komplett auf den subtilen – und meist noch teureren – Luxus“, sagt Fastoso. Etwa bei Hermès, Brunello Cucinelli, Zegna oder Loro Piana sei das schon lange der Fall. Durch die Quiet-Luxury-Trendwelle rückten solche Labels vermehrt ins Bewusstsein.

Wirtschaftskrise und Wunsch nach Minimalismus

Als Ursache für den Hype sieht er die aktuelle wirtschaftliche Situation: „Schon während der Wirtschaftskrise in den Dreißigerjahren wandten sich reiche Menschen davon ab, ihren Reichtum zur Schau zu stellen“, berichtet der Luxusforscher und sieht Parallelen zur Gegenwart: „Wir bewegen uns in einer ökonomisch unsicheren Zeit – und Menschen, die sich zum Beispiel ein Poloshirt für 500 Euro leisten, wollen das zum Teil nicht breit kommunizieren.“

Auf den ersten Blick spielt auch der Wunsch nach Minimalismus eine Rolle: „Menschen in den reichen Teilen der Welt wollen mit weniger Materiellem leben und das oft unterstreichen“, sagt Fastoso. „Aber Konsum jeglicher Art ist nicht nachhaltig“, gibt er zu bedenken.

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Darüber hinaus sagt der Preis eines Produkts kaum etwas darüber aus, wie umweltfreundlich es ist. In Sachen Herstellungsbedingungen schneiden Marken wie Louis Vuitton, The Row oder Bottega Veneta bei entsprechenden Bewertungen auf Verbraucherschutzportalen wie „Good On You“ allenfalls mittelmäßig ab. So bleibt am Ende nicht nur die Frage, wer sich den „leisen“ Luxus leisten kann – sondern auch, ob er einen Mehrwert hat.

Fair und ökologisch produzierte Mode

„Wenn es dem Träger um Exklusivität und Ästhetik geht, braucht er nicht so viel Geld auszugeben“, sagt Fastoso. Stattdessen könne man auf Marken setzen, die fair und ökologisch produzierte Mode anbieten. „Sie heben sich durch Nachhaltigkeit und hohe Qualität, aber nicht durch Luxus­assoziationen hervor“, sagt er. „Die Einzigartigkeit dieser Marken besteht darin, dass der Träger oder die Trägerin nicht mit Reichtum prahlt, sondern durch seine oder ihre Markenwahl in wichtigen Fragen unserer Zeit Kompetenz zeigt.“ Eine weitere Option: der „Normcore“-Stil. „Dabei geht es um die bewusste Ablehnung von Opulenz, in Kreisen, in denen Opulenz die Norm ist.“

Doch egal, ob reich oder nicht: Letztlich, meint der Luxusforscher, müsse man sich immer vor Augen halten: „Luxus ist nicht notwendig.“

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