Matthias Hilmer aus Treben nennt eine seltene D-Rad R06 sein eigen
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Matthias Hilmer auf der D-Rad R06 von 1929.
© Quelle: Jörg Reuter
Lehma. Ein undichter Tank, kein einziger Bowdenzug, nicht mehr funktionierende Lager und tiefer Rostfraß – es sei nicht viel mehr als ein Haufen Schrott gewesen. Zumindest für seine Frau, erinnert sich Matthias Hilmer. Für ihn dagegen war es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, als er 2014 nach langem Suchen in Meerane ein D-Rad beziehungsweise dessen Reste fand und kaufen konnte. „Ich hatte davor eine Touren-Awo. Als die fertig restauriert war, wollte ich ein Vorkriegsmodel aufbauen. Irgendetwas um die 500 Kubikzentimeter“, erinnert sich Hilmer und zeigt seine inzwischen schmuck dastehende D-Rad R06 von 1929.
Das vergessene Massenprodukt aus Berlin-Spandau
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Matthias Hilmers D-Rad R06 von 1929.
© Quelle: Jörg Reuter
D-Rad – dafür, dass einmal rund 60 000 Motorräder dieser Marke hergestellt wurden, ist sie vergleichsweise unbekannt. "Ich kannte die auch nicht. Es war reiner Zufall", plaudert Hilmer in der Schrauber-Werkstatt des Oldtimerclubs Windischleuba. Doch zum Glück gibt es das Internet. Dort gibt es ja bekanntermaßen nichts, was es nicht gibt, also auch reichlich Informationen über die Motorräder der Deutschen Industriewerke AG mit Sitz in Berlin-Spandau, die nach dem Ersten Weltkrieg wegen der Beschränkungen des Versailler Vertrages eine alternative Produktion zu den Waffen aufbauen mussten, die in der Firma seit 1722 geschmiedet wurden.
Benno Stöcklin, ein Schweizer, habe zum Glück sein ganze Wissen über die D-Räder auf seiner Homepage veröffentlicht, erzählt Hilmer. Und natürlich habe er den Autor inzwischen schon auf D-Rad-Treffen kennengelernt. Die Fans der Marke seien wie eine Familie, meint Hilmer. Das muss letztlich auch so sein, denn um aus einem komplett verrotteten Berg Teile ein fahrtüchtiges Vehikel zu schaffen, das dann nicht nur aussieht, als sei es gerade vom Band gelaufen, sondern auch so funktioniert, ist nicht einfach. "Es fehlt eigentlich immer irgend ein Teil, und dann hilft nur geduldiges Suchen." Zumal eine Restaurierung nicht ohne bestimmte Neuteile erfolgversprechend ist.
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Neuteile aus Fernost für eine 90 Jahre alte Maschine
„Zum Beispiel sind die Reifen immer ein großes Problem.“ Der eine oder andere Tipp aus der D-Rad-Community kann da sehr hilfreich sein. Etwa, dass jene Wulstreifen, wie sei dereinst auf den neuen D-Rädern montiert waren, exakt so noch heute in Vietnam hergestellt werden und mithin dort nagelneu gekauft werden können. Wissen muss man auch, wo Verschleißteile aus dem Inneren der Maschine – wie Zahnräder oder die Lager – organisiert werden können. Die Zahnräder etwa habe ein Handwerker aus Eibenstock gefertigt, der selbst D-Rad fahre und wohl schon 100 Maschinen restauriert hat. Die Lager gab es am Ende recht einfach im Internet zu kaufen. „Es hat nur ewig gedauert, die heutigen Bezeichnungen herauszufinden. Denn mit den Original-Daten kann keiner mehr was anfangen. Darauf hieß es nur: Das gibt es schon lange nicht mehr.“
Es scheint nicht ein Detail an dem 12 PS-Viertakt-Einzylinder-Krad zu geben, zu dem Hilmer nicht eine Anekdote wüsste, die er beim Wiederaufbau erlebt hat. So erzählt er beispielsweise, dass die Sitze ein alter Sattler aufgepolstert hat, so wie er es einst in der Lehre noch gezeigt bekommen hat. Aber leider würde der Mann nicht mehr leben und habe seine Handwerkskunst mit ins Grab genommen. Hilmer berichtet, dass er die Speichen anfertigen ließ und sie dann selbst in der Räder einzog, oder von der Elektrik, die für ihn als Fachmann ein Klacks war. Ja – die Elektrik der R06 EZ. Das war damals, 1929, drei Jahre, bevor die Deutsche Werke AG im NSU-Konzern aufging, die modernste Extraausstattung. Hilmer könnte sich aber auch mit der einfachen Variante der R06 K anfreunden. Die hatte nämlich noch kein elektrisches Licht, sondern eine Karbidlampe mit Entwickler, erzählt der Oldtimerfan mit leuchtenden Augen.
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Matthias Hilmer auf der D-Rad R06 von 1929
© Quelle: Jörg Reuter
Im August kommen die D-Räder nach Windischleuba
Momentan habe er insgesamt vier fahrbereite Oldtimer. Aber weil bei Schraubern ja der Weg das Ziel ist, arbeiten er und ein Bekannter schon am nächsten Schrotthaufen, aus dem ein Buick Baujahr 1922 auferstehen soll. "Das dauert aber noch ein Weilchen." Immerhin hat er schon zwei Jahre an der D-Rad gearbeitet, um sie zum Laufen zu bringen. Wie das aussieht – und vor allem, wie es sich anhört – kann in der zweiten Augustwoche erlebt werden. Dann findet zum ersten Mal das jährliche D-Rad-Treffen in Windischleuba statt. Erwartet werden bis zu 120 D-Räder.
Von Jörg Reuter