Sprecher Helmut Nitschke startet selbst über 42,195 Kilometer
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Anlässlich des 10. Skatstadtmarathons am 9. Juni wird Mitorganisator Helmut Nitschke (rechts) nicht wie gewohnt im Start-Ziel-Bereich auf dem Altenburger Markt stehen, sondern die 42,195 Kilometer selbst absolvieren.
© Quelle: Mario Jahn
Altenburg. Manchmal spielt der Zufall bei Recherchen eine große Rolle. Auf der Suche nach prominenten Startern beim 10. Skatstadtmarathon tauchte in der Meldeliste für den langen Kanten der Name Helmut Nitschke auf. Darauf angesprochen, reagierte der gleichnamige Sprecher des Altenburger Laufevents einsilbig, murmelte etwas von einem Doppelgänger und wechselte zügig das Thema. Ein verdächtiges, weil untypisches Verhalten für den 64-Jährigen, der sonst druckreif spricht.
Nitschke macht sich selbst viel Druck
Von wegen Doppelgänger oder Namensvetter. Helmut Nitschke startet selbst – und erfüllt sich damit einen lang gehegten Traum. "Beim Skatstadtmarathon selbst zu starten, ist aus sportlicher Sicht für mich ganz, ganz oben in der Wertigkeit angesiedelt", sagt der Lödlaer, der dieses Thema aber vor dem Lauf nicht so sehr in den Fokus rücken möchte. "Denn der Druck, den ich mir selbst mache, wird dadurch nicht weniger." Nur so viel: Den Mitorganisator reizt unter anderem, dass er die eigene Veranstaltung einmal "von innen" kennenlernen kann. "Darauf freue ich mich sehr."
Doch es gibt noch mehr Gründe für Helmut Nitschke, sich auf seinen Start am 9. Juni zu freuen. Schließlich hängen für den leidenschaftlichen Läufer noch mehr Jubiläen am runden Geburtstag des Skatstadtmarathons. Zum einen feiert der Selbstständige, der mit dem Handel von Mineralölprodukten sein Geld verdient, demnächst seinen 65. Geburtstag. Zum anderen ist es sein 50. Marathon überhaupt, weswegen er auch mit der Startnummer 50 ins Rennen geht.
Mitorganisator rationalisiert sich selbst weg
„Vor etwa vier Jahren habe ich in einer ruhigen Minute überlegt, was ich in meinem ,Marathonleben’ noch alles anstellen könnte“, erzählt Nitschke. Nach dem ersten Schreck über die wenige verbleibende Zeit informierte er zunächst das Organisationsteam über seinen Wunsch. „Die Resonanz im Team war äußerst verhalten, aber ich schlussfolgerte daraus, dass das, was nicht grundsätzlich untersagt ist, automatisch als Zustimmung zu werten ist – und begann mit meinen persönlichen Vorbereitungen.“ Das hieß: fünf Marathons pro Jahr und Umstrukturierungen bei der Organisation, so dass er am Lauftag quasi überflüssig ist. „Ich habe mich also selbst wegrationalisiert und der Weg war somit frei für einen Start.“
Dass dieses Projekt bei den Organisatoren keine Jubelstürme auslöste, wundert wenig. Laufen bei Nitschke am Tag des Skatstadtmarathons auf dem Markt doch alle Fäden zusammen. "Das geht aber auch anders", erklärt er. Schließlich könne man verschiedene Dinge auch an die dafür Zuständigen delegieren. Folglich werden ihn in anderthalb Wochen mehrere Leute vertreten. "Für Außenstehende wird es nicht spürbar sein, dass an bestimmten Stellen des Marktes irgendetwas anders als sonst ist." Den Hut auf hat dabei Jens Hauser.
Wink des Schicksals bringt 64-Jährigen zum Laufen
Zum Laufen kam Nitschke übrigens nicht freiwillig. Nach einem „gesundheitlichen Wink mit dem Zaunspfahl“ entdeckte der 64-Jährige Mitte der 1990er-Jahre diesen Sport „als Ausgleich von Belastung und Entlastung“ für sich. „In den ersten Trainingseinheiten reichte meine Kondition so für 500 Meter, dann war ich total platt“, erinnert sich Nitschke. Nach einigen Wochen gab es erste Erfolge und es begann, ihm Spaß zu machen. „Die Sache entwickelte sich und ich fühlte mich sehr wohl dabei, laufend die Natur immer wieder neu kennen zu lernen.“
2004 absolvierte Nitschke dann seinen ersten Marathon in Berlin, den er niemals vergessen wird. „Es war ein einziger Kampf und Krampf und ich würde so etwas heute keinem Laufeinsteiger empfehlen“, meint er, der seinerzeit offenbar noch nicht bereit für die Königsdisziplin war. „Aber es ging alles gut und irgendwann war es dann auch wieder schön, und mit einem gewissen Stolz im Herzen wurden fortan immer neue Läufe geplant.“
Zwischen Berlin, New York und Jungfraujoch
Das Lauf-Fieber brachte ihn vier Jahre später zum Start in New York, was für den Dorfmenschen Nitschke „ein einmaliges Gesamterlebnis“ blieb. Ebenfalls weit oben sortiert er selbst den ersten Ultra-Marathon am Rennsteig 2016 ein und den Oberelbe Marathon im selben Jahr, weil er dort erstmals unter vier Stunden blieb. Nicht minder unvergessen: der Jungfraujoch Marathon 2016 in der Schweiz, „weil ich ihn im Jahr zuvor nicht geschafft hatte“. Wo er dann den 9. Juni 2018 einordnet, wird Nitschke freilich erst in anderthalb Wochen wissen.
Von Thomas Haegeler
LVZ