Borna: Leipziger Tafel gibt Lebensmittel für bis zu 70 Familien aus
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QEJ2RJ55ZOXLRGGMNKWCQXYK54.jpg)
Die Leipziger Tafel gibt jeden Dienstag in der Altenburger Straße in Borna Lebensmittel aus, beim Sortieren sind hier (v.li.) Christian Janietz, Bärbel Kettner und Monika Kraft
© Quelle: Jens Paul Taubert
Borna. Nach halb neun kommen die ersten. Dann bildet sich vor der Altenburger Straße 5 langsam eine Schlange. Leute mit Einkaufsbeuteln stehen hier vor der Bornaer Ausgabestelle der Leipziger Tafel. Innerhalb der nächsten zwei Stunden geben die Mitarbeiter Lebensmittel aus. Für bis zu 70 Familien und etwa 50 Kinder. Diese Zahlen, sagt Christian Janietz, der Leiter des Bornaer Tafel-Teams, sind seit Jahren stabil.
Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Situation vieler Kunden seit Jahren nicht ändert oder gar bessert. Es sind Leute wie die 53-jährige gelernte Küchenhilfe Theresa Kühn aus Großzössen. Sie hat auch als Reinigungskraft gearbeitet und war in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM). Nach einer Bypassoperation ist sie nicht mehr belastbar und findet keine Arbeit mehr. Was ihr mit ihrem Mann Andreas, der seinen Job als Hausmeister vor einem Dreivierteljahr verloren hat, bleibt, ist die Tafel. „Ohne die Lebensmittel von hier wüssten wir manchmal gar nicht, was wir essen sollten“, sagt die Mutter von vier Kindern.
Wer in die Altenburger Straße kommt, wo die Tafel-Mitarbeiter jeden Dienstag zwischen 9 und 11 Uhr Lebensmittelspenden aus Leipziger Supermärkten ausgeben, der hat es nötig. In der Regel sind es Hartz-IV-Empfänger oder Leute, die die so genannte Grundsicherung bekommen, „Und viele Rentner“, sagt Janietz. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Onlinehändler, arbeitet aber zwei Tage in der Woche ehrenamtlich für die Leipziger Tafel, die es seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt. Die Ausgabestelle in Borna existiert seit 2006 und befand sich zunächst in der Schulstraße und später an verschiedenen Orten in der Bahnhofstraße. Das aktuelle Domizil in der Altenburger Straße ist alles andere als optimal und bietet gleichermaßen zu wenig Platz für die Lebensmittelpaletten und die bis zu sechs Mitarbeiter.
Allesamt Leute im Ehrenamt wie Bärbel Kettner. Die ehemalige Landschaftsgestalterin ist Rentnerin und stellt sich hinter den Tresen, „um den Leuten zu helfen“. Und auch, um mal zu Hause herauszukommen. Gibt es Probleme mit der Kundschaft? „Ich kann nicht klagen.“ In der Regel ist dankbar, wer von den Lebensmittelspenden bekommt. Die stammen von Supermärkten aus Leipzig, etwa vom Konsum oder von Aldi, wo sie auch von Leipziger Tafelmitarbeitern abgeholt werden. Teamleiter Janietz holt die frischen Waren jeden Dienstagmorgen in der Tafelzentrale in der Leipziger Jordanstraße ab und bringt sie nach Borna. In der Regel Käse, Wurst und Brot sowie Toast – Waren, die ihr Verfallsdatum nahezu erreicht haben. Bisweilen aber auch Lebensmittel, die auch noch in jeder Kaufhalle liegen könnten. Angeboten werden zudem Backwaren vom Vortag, die aber kaum ein Bäcker mehr verkaufen kann. Das gilt auch für leicht beschädigtes Gemüse, Tomaten mit Druckstellen etwa, die die geneigte Kundschaft allerdings keinem Händler mehr abnimmt. Jetzt, im Juni, gibt es auch Kirschen und Beeren.
Eine spezielle Lieferung kommt aus Witznitz. Dort befinden sich die so genannten Tafelgärten, die von der FAW Akademie Leipzig betrieben werden. Diesmal liefern Maik Klingenberg und Jörg Graichen frischen grünen Salat.
Die Tafel-Mitarbeiter in der Altenburger Straße kennen längst die Vorlieben ihrer Kundschaft. „Wir wissen, was die Leute essen“, sagt Bärbel Kettner. Oder auch nicht. Speziell Asylbewerber, die vor allem im letzten und vorletzten Jahr verstärkt zur Bornaer Tafelkundschaft gehörten. Dass die Käse oder vegetarische Lebensmittel statt Produkten aus Schweinefleisch bevorzugen, ist auch für die Tafel-Mitarbeiter kein Geheimnis. Mittlerweile gibt es bisweilen sogar Lebensmittel, die halal, also aus regelgerecht geschlachteten Tieren und damit für Moslems erlaubt sind.
Für die Kundschaft, die jeden Dienstag in die Altenburger Straße kommt, sind die Lebensmittelspenden jedenfalls unverzichtbar. So wie für Familie Kühn aus Größzössen, die damit weiter kommt als über einen Tag. Der Grundgedanke der Tafel, so macht Christian Janietz klar, besteht darin, „den Leuten für einen Tag den Tisch zu decken“. In den meisten Fällen langt es aber für mehr.
Von Nikos Natsidis