Gesetz schreibt mehr Transparenz vor

Landkreis Leipzig: Wie gläsern arbeiten die einzelnen Rathäuser?

Eine Gesetzesänderung zwingt sächsische Kommunen seit 20. Februar dazu, Ratsbeschlüsse vor ihrer Beratung ins Internet zu stellen – inclusive aller zugehörigen Unterlagen.

Eine Gesetzesänderung zwingt sächsische Kommunen seit 20. Februar dazu, Ratsbeschlüsse vor ihrer Beratung ins Internet zu stellen – inclusive aller zugehörigen Unterlagen.

Landkreis Leipzig. In einigen Kommunen ist es schon lange üblich, dass öffentliche Beschlussvorlagen für Ratssitzungen im Internet einsehbar sind. Andere Rathäuser erwecken eher den Eindruck, als würden sie nicht sonderlich an einer transparenten Kommunalpolitik interessiert sein. Allerdings gilt seit 20. Februar für alle die gleiche Verpflichtung: Ratsdokumente aus allen öffentlichen Gremiensitzungen wie Stadt- und Gemeinderäten oder auch Ausschüssen dürfen nicht länger der Geheimniskrämerei unterliegen. Sie sind allen Bürgern zugänglich zu machen, und zwar nicht erst zur Sitzung, sondern sobald sie den Ratsmitgliedern zugehen.

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Ein Paragraf der neuen sächsischen Kommunalrechtsnovelle lässt den Kommunen kaum noch Spielraum: Demnach müssen sie nicht nur Zeit, Ort und Tagesordnung von Rats- und Ausschusssitzungen auf ihrer Internetseite oder in anderer geeigneter Form publizieren, sondern auch die der Tagesordnung beigefügten Beratungsunterlagen. Stadt-, Gemeinde- oder Kreisräte erhalten ihre Unterlagen in der Regel etwa eine Woche vor Sitzungsbeginn. Nunmehr sollen zeitgleich auch die Bürger erfahren, was in den bevorstehenden Sitzungen Sache ist. Der Sächsische Landtag will es so.

„Ausnahmen gelten, wenn berechtigte Interessen Einzelner einer Veröffentlichung entgegenstehen“, erläutert Brigitte Laux, Sprecherin des Landratsamtes. „Personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht offenbart werden“, heißt es in der Gesetzesnovelle.

Trebsen kommt Forderung nach mehr Transparenz nach

Trebsen reagierte sofort. "Seit dem Inkrafttreten der Änderung in der Sächsischen Gemeindeordnung werden die Ortsüblichen Bekanntgaben zu den Sitzungen und die Beratungsunterlagen auf der Website der Stadt veröffentlicht", erklärt Ute Jänicke vom Hauptamt. Das betraf schon die umfangreichen Abwägungslisten zur Erweiterung der Papierfabrik für die jüngsten Ausschusssitzungen. Bisher waren nur die Tagesordnungen in den fünf Schaukästen der Stadt und auf der Website zu lesen. Jetzt soll die Bekanntmachungssatzung angepasst werden. "Ab April wird auf der Website der Stadt über ein Ratsinformationssystem die Veröffentlichungen der Sitzungen und Beratungsunterlagen vorgenommen", kündigt Jänicke an.

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Machern sorgt für mehr Klarheit bei den Bürgern

Auch Machern sorgt seit dieser Woche für mehr Klarheit bei den Bürgern: "Wir beherzigen die Vorgabe und stellen jetzt alle Sitzungstermine inclusive der kompletten Beschlussvorlagen online", berichtet Bürgermeister Karsten Frosch (CDU). Damit komme er letztlich auch dem Versprechen nach, für mehr Transparenz in Machern zu sorgen. Kleiner Makel: Sobald die Termine verstrichen sind, verschwinden auch die Vorlagen wieder von der Homepage. "Das müssen wir uns noch einmal anschauen", stellte Frosch in Aussicht.

In Naunhof brachte die Fraktion Linke/Grüne zur jüngsten Stadtratssitzung einen Antrag ein, wonach die Beratungsunterlagen inklusive Anlagen im Ratsinformationssystem veröffentlicht werden sollen. Begründung: In der Vergangenheit war es für Zuschauer kaum noch möglich, bestimmte Tagesordnungspunkte nachzuvollziehen. Den Antrag hatten die drei Abgeordneten vor der Kommunalrechtsnovelle formuliert. Sie zogen ihn nun zurück, weil er sich erübrigt hatte. "Ich werde die neuen Bestimmungen für die künftigen Sitzungen beachten", versprach Bürgermeisterin Anna-Luise Conrad (parteilos).

Belgershain hadert und findet direkten Bürgerkontakt besser

Auch ihr Parthensteiner Amtskollege Jürgen Kretschel (parteilos) sagt zu: "Wenn wir das machen müssen, werden wir die Unterlagen in unsere Website einstellen." Der Belgershainer Bürgermeister Thomas Hagenow (parteilos) weigert sich noch. "Ich bin nicht überzeugt, dass das der richtige Weg zur Information der Einwohner ist. Ein direkter Kontakt mit dem politischen Gremium wird dadurch immer weniger. Eine Art Entfremdung findet damit noch mehr statt", sagt er. Aus Otterwisch kam gar keine Antwort auf die Anfrage der LVZ. Dort wurden bisher Tagesordnungen auf der Homepage und im Schaukasten veröffentlicht. Zu Gemeinderatssitzungen verkündete Bürgermeister Matthias Kauerauf (parteilos) noch nicht einmal die zu behandelnden Themen, geschweige denn die Beschlusstexte.

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Der Belgershainer Bürgermeister Thomas Hagenow ist noch skeptisch gegenüber der neuen Verordnung.

Der Belgershainer Bürgermeister Thomas Hagenow ist noch skeptisch gegenüber der neuen Verordnung.

Grimma: Personenbezogene Daten sind zu respektieren

Auch die Stadt Grimma wird die Regelung zeitnah umsetzen, kündigt Stadtsprecher Sebastian Bachran an. Demnächst werde ab Bekanntgabe der Sitzung nicht nur die Tagesordnung im Ratsinformationssystem auf der Webseite der Stadt einsehbar sein, sondern auch die Beschlussvorschläge. Nicht alle Beschlussvorlagen würden allerdings vollumfänglich im Wortlaut veröffentlicht werden, schränkt Bachran ein. "Denn der Schutz der personenbezogenen Daten ist zu respektieren. Die Beschlussvorlagen im Ratsinformationssystem werden fortan so gestaltet, dass ein Personenbezug oder eine Personenbeziehbarkeit ausgeschlossen werden kann. Die Möglichkeit der Anonymisierung oder Pseudonymisierung kommt zum Einsatz." Teilweise bedürfe es im Vorfeld auch einer Einwilligung.

Geithain sieht Forderung kritisch

"Ich denke, dass wir mit unseren Bürgern schon jetzt offen umgehen. Dass es Sinn macht, sämtliche Beschlüsse mit allen Anlagen schon vorab ins Netz zu stellen, bezweifele ich aber, und ich bin da nicht allein", sagt der Geithainer Oberbürgermeister Frank Rudolph (UWG). Würde alles sofort komplett in die Öffentlichkeit getragen, erübrigten sich eigentlich auch die aufwendigen Vorberatungen in den Ausschüssen: "Dann könnten wir alles gleich in den Stadtrat bringen, dort diskutieren und beschließen."

Geithains Bürgermeister Frank Rudolph sieht keinen Nutzen darin, die Ratsunterlagen vorab zu veröffentlichen.

Geithains Bürgermeister Frank Rudolph sieht keinen Nutzen darin, die Ratsunterlagen vorab zu veröffentlichen.

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Rudolph sieht auch andere Neuerungen der Gesetzesnovelle kritisch, etwa die Einbeziehung Heranwachsender in Form eines Jugendparlaments. „Zu den Ratssitzungen kommen immer die gleichen wenigen, fast durchweg Ältere“, sagt er. Ehrenamtliche für eine Mitarbeit zu finden, sei – zweitens – jetzt schon ein Problem. Vor allem aber: „Die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen und ihre finanzielle Ausstattung werden immer mehr eingeschränkt. Was nützt mir da ein zweites Parlament?“ Genauso praxisfern sei es, jährlich mehrere Einwohner-Versammlungen festzuschreiben. Er praktiziere seit Jahren je eine in der Kernstadt und in mehreren Ortsteilen: „Da kommen ein paar wenige. Wozu muss ich das jetzt auf Krampf ausdehnen?“

Rötha stellt geforderte Öffentlichkeit auf der Homepage her

Wie die neue Öffentlichkeit funktionieren kann, ist auf der Website von Rötha zu erleben. Dort können Bürgerinnen und Bürger das öffentliche Material von vergangenen und kurz bevorstehenden Rats- und Ausschusssitzungen sehen und lesen. Nicht nur die Beschlussanträge, sondern auch Material, das dazu gehört.

Die dafür erforderliche Software stammt von der Kisa, einem IT-Dienstleister, an dem die meisten Kommunen angeschlossen sind. Das System könnte daher überall gleichermaßen funktionieren. Allerdings stellt zum Beispiel die Stadt Kitzscher das Material erst seit wenigen Tagen der Öffentlichkeit zur Verfügung. Und auch nur von Stadtratssitzungen. Ausschusssitzungen behandelt die Stadt gänzlich geheim. Jedenfalls finden sich auf der städtischen Internetseite nicht einmal die Termine und die Tagesordnungen.

Neukieritzsch tastet sich an das Thema heran

Auch Neukieritzsch erfüllt die neuen Forderungen der Gemeindeordnung noch nicht komplett. Zwar arbeitet auch diese Kommune mit dem Rats- und Bürgerinformationssystem der Kisa. Hinterlegt für öffentlichen Zugriff sind aber bisher nur Tagesordnungen und die Titel der Beratungspunkte. Komplette Beschlussanträge und Anlagen fehlen. "Wir tasten uns heran", sagt Bürgermeister Thomas Hellriegel (CDU).

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Nachholbedarf hat ebenso die Stadt Böhlen: "Wir überlegen, wie wir die Forderung zeitnah umsetzen", berichtet Bürgermeister Dietmar Berndt (parteilos). "Voraussichtlich werden wir dafür unser Ratsinformationssystem nutzen."

Regis-Breitingen stellt Unterlagen ins Netz

Auch Regis-Breitingen veröffentlicht seit Kurzem Beschlussanträge und Unterlagen im Netz. Allerdings arbeitet die Pleißestadt nicht mit der Kisa-Software, und damit fehlt auf der Webseite die übersichtliche Plattform. Bis jetzt hilft man sich so, dass die Beschlussunterlagen per Link in der auf der Website veröffentlichten Tagesordnung hinterlegt werden, wo sie jeder sehen kann. Allerdings werden die Tagesordnungen bald nach Sitzungsende aus dem Netz genommen. Nachträglich kann man die Unterlagen auf der Internetseite dann nicht mehr anschauen.

Von Simone Prenzel, Frank Pfeifer, Ekkehard Schulreich und André Neumann

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