Zwei von 60 000: Warum Bärbel Kettner und Irina Simon bei der Tafel in Borna helfen
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Bärbel Kettner (links) und Irina Simon helfen ehrenamtlich in der Bornaer Ausgabestelle, die zur Leipziger Tafel gehört.
© Quelle: Jens Paul Taubert
Borna. Irina Simon stammt aus der Ukraine. Als junge Frau lernte sie dort ihren Mann kennen, einen Deutschen, der fern der Heimat arbeitete. Die beiden heirateten und lebten ab 1978 gemeinsam in der DDR. Als im Februar dieses Jahres Russland die Ukraine angriff, meldete sich die Pflegefamilie, die Irina Simon als Kind aufgenommen hatte, und bat sie um Hilfe.
Drei Erwachsene und drei Kinder aus der Ukraine nahm die 65-Jährige in ihrem Zuhause bei Borna auf. Zu Beginn erhielten die Geflüchteten keine staatliche Unterstützung, die Behörden mussten sich erst auf den Zustrom einstellen. „Da erzählte jemand, dass wir eventuell einige Lebensmittel von der Tafel bekommen könnten“, berichtete sie. So entstand der Kontakt zur Ausgabestelle in der Angerstraße in Borna.
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Die LVZ unterstützt mit der Aktion „Ein Licht im Advent“ die Tafeln in der Region.
© Quelle: LVZ
Formulare ausfüllen und übersetzen
Schnell wurde aus der Hilfesuchenden eine Akteurin. Irina Simon half ihren Landsleuten zunächst Formulare auszufüllen, sie übersetzte, packte aber auch im Arbeitsalltag immer mehr mit an. Schließlich fragte Grit Anger-Schöbel, Teamleiterin in Borna, ob sie nicht regelmäßig ehrenamtlich jeden Dienstag mit einsteigen möchte. Einmal in der Woche werden in Borna rund hundert Erwachsene und fünfzig Kinder mit Lebensmitteln versorgt.
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Irina Simon hier an der Tür der Ausgabestelle: Wegen Abstandsregelungen dürfen immer nur drei Personen in die Halle.
© Quelle: Jens Paul Taubert
„Irina ist für uns hier eine große Unterstützung“, meinte die Chefin, die ein gut eingearbeitetes Team leitet. Sieben Mitarbeiterinnen gehören dazu. Bei der Ausgabestelle in Borna, die zur Leipziger Tafel gehört, gehe es „sehr familiär“ zu, man kenne sich seit vielen Jahren, habe eine Menge gemeinsam erlebt und die Zusammenarbeit klappt „sehr gut“.
Ausgabestelle ist viermal umgezogen
Eine der langjährigen Mitarbeiterinnen ist Bärbel Kettner. Die 71-Jährige hilft seit 20 Jahren. „Damals hat mich ein Kollege von der Tafel angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, hier mitzumachen“, berichtete sie.
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Teamleiterin Grit Schöbel-Anger bei der Erfassung: Ein Bedarfsschein ist notwendig, um die Tafel nutzen zu können.
© Quelle: Jens Paul Taubert
Schon viermal ist sie inzwischen mit der Ausgabestelle innerhalb der Stadt umgezogen. Am Anfang sei vieles fremd gewesen und die Arbeit war schwerer als heute. So mussten die Kisten mit den Lebensmitteln zum Teil zahlreiche Treppen hoch- und runter getragen werden. „Damals gab es auch viel weniger Obst und Gemüse“, erinnerte sie sich.
Dankbarkeit, aber auch Aggressivität
Sie fühle sich im Team wohl, „hier sind Freundschaften entstanden“. Es sei gut, eine Aufgabe zu haben und helfen zu können. In diesem Ehrenamt hört sie mitunter „traurige Lebensgeschichten“ und lernt Elend kennen. Das habe sie am Anfang sehr mitgenommen, nach den vielen Jahren könne sie besser damit umgehen.
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„Sehr familiär“: das Team der Bornaer Ausgabestelle.
© Quelle: Jens Paul Taubert
Viele Menschen, die zur Tafel kommen, seien „sehr dankbar“, aber: „Es gibt auch andere und die Aggressivität hat leider zugenommen“, meint die Ehrenamtlerin bedauernd.
Wunsch nach Heizgerät
Derzeit ist die Ausgabestelle in einem ehemaligen Heizhaus in der Angerstraße untergebracht. Das Gebäude ist ein wenig eingerückt. Teamleiterin Anger-Schöbel findet das gut: „Da stehen die Leute nicht direkt an der Straße.“ Nach wie vor spiele Scham bei der Tafel eine Rolle.
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Eine Warteschlange vorm ehemaligen Heizhaus in der Angerstraße in Borna.
© Quelle: Jens Paul Taubert
Ein Nachteil des Gebäudes sei die Kälte. Schon bei zweistelligen Plustemperaturen draußen war es im Inneren deutlich kühler. Im Winter wird dies nun zum Problem. Aus diesem Grund wünschen sich die Helferinnen ein professionelles Heizgerät, das mit Spenden der LVZ-Aktion „Ein Licht im Advent“ gekauft werden soll.
Herzstück Ehrenamt
Die 60 000 Helferinnen und Helfer sind das Herzstück der Tafel-Arbeit, so der Deutsche Tafel-Dachverband. 90 Prozent von ihnen würden das rein ehrenamtlich tun. Sei es mehrmals in der Woche oder nur zu bestimmten Veranstaltungen – sie unterstützen die Tafel dabei, Lebensmittel zu retten und Menschen mit kleinem Geldbeutel zu helfen. In diesem Ehrenamt engagieren sich unterschiedliche Personengruppen: Zu ihnen gehören Seniorinnen und Senioren, Jugendliche, Menschen mit Fluchtgeschichte und Menschen, die gleichzeitig als Kundin oder Kunde zur Tafel kommen. Das Ehrenamt sei vielseitig: Spenden mit dem Tafel-Fahrzeug abholen, Lebensmittel sortieren und verteilen, Projekte organisieren, sich um das Fundraising kümmern oder die Website pflegen. Etwa zehn Prozent der Helferinnen und Helfer – bei kleineren Vereinen sind es oft weit weniger – sind bei den Tafeln angestellt. Sie arbeiten in Voll- oder Teilzeit, in Ein-Euro-Jobs oder im Bundesfreiwilligendienst, teilte der Dachverband weiter mit.
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