Wie einst Markgraf Wiprecht: Groitzscher Natur- und Heimatfreunde gärtnern wie im Mittelalter
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Sie bringen das Projekt „Wiprechts Garten“ maßgeblich in Schwung (von links): Dietmar Schäfer, Roland Meyer und Olaf Günther vom Groitzscher Naturfreunde- und Heimatverein, Katrin Scholz von der Fabelwerkstatt Hohendorf sowie Sylva und Ingo Thienemann von der Nabu-Regionalgruppe Südraum in Groitzsch.
© Quelle: Kathrin Haase
Groitzsch. An Markgraf Wiprecht II. führt in Groitzsch kein Weg vorbei. Reste seiner imposanten Burganlage sind bis heute erhalten geblieben. Es gibt eine Graf-Wiprecht-Straße, das Gymnasium trägt seinen Namen, auf der Autobahn 38 weist ein Schild auf den mächtigen Burgherrn des 11./12. Jahrhunderts hin und sogar der Carnevalsverein Schnaudertaler Burgnarren skandiert in der fünften Jahreszeit den Schlachtruf „Wiprecht Hellau“.
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Reste der Groitzscher Wiprechtsburg sind bis heute erhalten geblieben und erinnern an den mächtigen Burgherrn des 11. und 12. Jahrhunderts.
© Quelle: Jens Paul Taubert
Das Leben und Wirken Wiprechts II. näher beleuchten
Im nächsten Jahr jährt sich zum 900. Mal der Todestag Wiprechts. Der Pegauer Klostergründer erlag am 22. Mai 1124 seinen schweren Verbrennungen, die er sich auf seinem Besitz in Halle zugezogen hatte. Da war er 74 oder 75 Jahre alt, sein genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert. „Wir möchten das Jahr 2024 Wiprecht widmen“, sagt Dietmar Schäfer, der Vorsitzende des Groitzscher Naturfreunde- und Heimatvereins. Mit „wir“ schließt er alle städtischen Vereine und Einrichtungen, die Stadtverwaltung sowie interessierte Bürger mit ein. Gemeinsam wollen sie ein Konzept erarbeiten, um den Alltag im Mittelalter, das Leben und Wirken Wiprechts II. als auch dessen Bedeutung für Mitteldeutschland näher zu beleuchten.
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Die Groitzscher Heimat- und Naturfreunde sowie die Winzer vom Bürgerverein Stadtmühle beim Arbeitseinsatz auf dem Groitzscher Burgberg.
© Quelle: Dietmar Schäfer
Konferenz beschäftigt sich mit dem einstigen Burgherrn
Ein Grundgerüst zeichnet sich bereits jetzt ab. So wird sich die Touristisch-Historische Elster-Schnauderauen-Konferenz im Januar mit dem einstigen Markgrafen beschäftigen. Schon seit vielen Jahren studiert der Röthaer Heimatforscher Helmut Hentschel die Schriften über Wiprecht II., wie es auch der verstorbene Pegauer Chronist Tylo Peter getan hat, und wird daraus vortragen. Darüber hinaus sind über das Jahr verteilt Vorträge, Gesprächsrunden, Wanderungen, Filmabende und andere Veranstaltungen vorgesehen. An Wiprechts Todestag selbst wird das Vocalensemble Groitzsch unter der Leitung von Michael Rentzsch das Requiem von Gabriel Fauré in der Frauenkirche aufführen.
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Diese Skulptur Wiprechts von Groitzsch steht vor dem gleichnamigen Gymnasium. Angefertigt hat sie der Steinmetz Danny Schellenberger.
© Quelle: Jens Paul Taubert
10 000 Euro gewonnen beim Simul+-Mitmachfonds
Im Mittelpunkt des Gedenkjahres steht das Projekt „Wiprechts Garten – Gärtnern wie im 12. Jahrhundert“. An dessen Realisierung arbeiten seit Herbst 2022 vier Partner, der Naturfreunde- und Heimatverein, die Nabu-Regionalgruppe Südraum, die Winzerfreunde des Bürgervereins Stadtmühle und die Fabelwerkstatt aus Hohendorf. Gemeinsam möchten sie um Wiprecht herum den Alltag sowie die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten des Mittelalters neu erkunden. Dafür hat der Naturfreunde- und Heimatverein im Herbst vergangenen Jahres ein Preisgeld in Höhe von 10 000 Euro beim simul-Mitmachfonds des Sächsischen Ministeriums für Regionalentwicklung gewonnen.
Von Burggärten, Klostergärten und Bauerngärten
„Die Idee dahinter ist, eine Zeitreise ins 12. Jahrhundert zu unternehmen und zu veranschaulichen, wie ein mittelalterlicher Garten angelegt war und welchen Zwecken er diente“, erklärt Olaf Günther, der das Projekt federführend in den Händen hält. Es geht um Fragen wie: Welche Pflanzen wurden vor 900 und 1000 Jahren angebaut? Was sammelten die Menschen in der Aue und was brachten sie aufs Feld? Welche Arbeitsgeräte hatten sie zur Verfügung? Wie gingen sie mit Dürreperioden und Hungersnöten um? So dienten die mittelalterlichen Klostergärten in erster Linie der Wissenschaft und der Selbstversorgung. Burggärten waren Orte der Lust, der Freude und des Müßiggangs, während die Bauern- oder Kohlgärten ausschließlich für die Selbstversorgung der Landbevölkerung gedacht waren.
Alles dreht sich um die Rosen
„Wir sind bestrebt, in Groitzsch ein Netzwerk an Gärten zu knüpfen, um die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten aufzuzeigen“, erklärt der Ethnologe und verweist auf einen bunten Strauß sich ständig erweiternder Gärten. Eine Blume davon ist der Schmetterlingsgarten in der Kleingartensparte „Erholung“, im Volksmund auch „Frosch“ genannt. Die Parzelle wird von der Nabu-Regionalgruppe bewirtschaftet und soll Schritt für Schritt in einen Rosenhaag und einen Strauchgarten umgewandelt werden. Olaf Günther denkt hier an alte Kletterrosenarten und verschiedene Beerenfrüchte, die im Mittelalter überaus beliebt waren. „Man hat damals einen regelrechten Rosenkult betrieben“, weiß der Heimatfreund aus alten Überlieferungen, „Minnegesang, Marienverehrung, alles drehte sich um die Rosen.“
Tiergehege gehören zum Vergnügen bei Hofe
Weitere Blumen im Strauß sind der Weinberg und die Streuobstwiese am Fuße der Wiprechtsburg. Die Winzerfreunde bauen hier seit Jahren ihren eigenen Wein an, keltern ihn im Weinkeller der Stadtmühle und laden zu Weinabenden und Verkostungen ein. Aber auch außerhalb der Stadtgrenzen setzt sich „Wiprechts Garten“ fort, etwa im Wildgehege Gatzen/Profen. Tiergärten oder Tiergehege gehörten im 12. Jahrhundert zum Vergnügen bei Hofe. Sie boten den Tieren nicht nur einen geschützten Lebensraum, sondern bewahrten auch die traditionelle Jagdkultur. Daran wollen die Groitzscher erinnern. Auf dem weitläufigen Gelände an der Landesgrenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt leben heute Dam-, Muffel- und Rotwild. Eine Informationstafel soll an den historischen Hintergrund und an Wiprechts Gartenprojekt erinnern.
Kräuterbeet mit Brunnenkresse, Rosmarin und Petersilie
Eine weitere Blume soll auf dem Gelände der Friedhofsgärtnerei Klemm in Form eines Kräutergartens erblühen. Bei den Kräutern verschwimmen die Grenzen zwischen Zier- und Heilpflanzen, erklärt Olaf Günther und nennt als Beispiele die Schlüsselblume, den Eisenhut und die Pfingstrose. Die Gärtnerei unterstützt das Gartenprojekt mit einem Beet von 14 Meter Länge, auf dem Kräuter angepflanzt werden, die zu Wiprechts Zeiten gebräuchlich waren. Das waren Kräuter zur Beruhigung (Schwarzkümmel, Raukenkohl, Echte Brunnenkresse), Kräuter zur Entwässerung (Wiesenknöterich, Anis, Saat-Siegwurz), Frauenkräuter (Polei, Erzengelwurz, Petersilie, Sellerie) oder Abführmittel (Gurke, Melone, Flaschenkürbis, Rosmarin, Kümmel).
Gartenpreis 2023 in Groitzsch ausgelobt
„Wir freuen uns sehr auf das Projekt, weil es so vielseitig ist“, sagt Dietmar Schäfer, „aber die Gärten sind nur eine Seite der Medaille. Wir möchten auch regelmäßig Veranstaltungen anbieten. Da geht es mal ums Brotbacken, mal ums Imkern oder die Bierherstellung, genauso planen wir Kräuterwanderungen und Vorträge.“ Außerdem haben die beteiligten Vereine den Gartenpreis Groitzsch 2023 ausgelobt. „Unser Ziel ist es, dass die Groitzscher ihre Stadt- oder Vorgärten möglichst naturnah gestalten“, erklärt Ingo Thienemann von der Nabu-Regionalgruppe Südraum. Für den schönsten Stadtgarten winkt ein Preisgeld in Höhe von 300 Euro. Er soll im Herbst dieses Jahres verliehen werden.
www.wiprechtsgarten.de
LVZ