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Mensch ärgere Dich nicht

Kreismuseum Grimma zeigt Ausstellung zum Würfelspiel

Die Ausstellung „Gott würfelt nicht – Die Menschheit schon“ zeigt Exponate aus der Privatsammlung von Jakob Gloger (26).

Die Ausstellung „Gott würfelt nicht – Die Menschheit schon“ zeigt Exponate aus der Privatsammlung von Jakob Gloger (26).

Grimma. Ein Brett, ein Würfel, ein glückliches Händchen. Jeder hat es schon gespielt. Kaum einer aber kennt den Erfinder von „Mensch ärgere Dich nicht“. Es heißt, der Münchner Familienvater Josef Friedrich Schmidt wollte nur seine drei lebhaften Lausebengels zum Stillsitzen bewegen. Doch sein um 1907 entwickeltes Spiel war zunächst mehr Flop als top. Bis dem Unternehmer die Idee seines Lebens kam: Während des Ersten Weltkrieges schickte er 3000 Exemplare in die Lazarette. Mehr als nur ein Trostpflaster. Die Verwundeten würfelten von früh bis spät, schlugen damit die Zeit tot. Als der Frieden ausbrach, würfelten sie in Familie weiter. Und siehe da: Das Spiel eroberte die Welt, ganz ohne Blutvergießen.

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Soldaten an der Ostfront 1942 mit einem Würfelspiel von Josef Friedrich Schmidt, der Erfinder von „Mensch ärgere Dich nicht“

Soldaten an der Ostfront 1942 mit einem Würfelspiel von Josef Friedrich Schmidt, der Erfinder von „Mensch ärgere Dich nicht“.

Papa André und Mama Franka hatten von Anfang an wenig Mühe, ihre quicklebendigen Kinder Marie und Jakob um einen Tisch zu versammeln. In jeder freien Minute spielte die Leipziger Familie Gloger „Mensch ärgere Dich nicht“. Statt Fernsehen zu gucken, schaute der siebenjährige Jakob lieber dem Würfel tief in die Augen. Er fing an, Würfel zu sammeln und sie in kleine Setzkästen zu sortieren. Der Beginn einer großen Leidenschaft.

Auswahl von 200 Exponaten aus 10 000 Objekten

Inzwischen gilt der 26-jährige studierte Betriebswirt als einer von Europas führenden Privatsammlern rund ums Würfelspiel. Am Sonntag, 15 Uhr, eröffnete der Leipziger seine mit Spannung erwartete Ausstellung im Kreismuseum Grimma. Zur Feier des Tages spielen Lucas Berger und Lucas Manske von der Musikschule Fröhlich auf ihren Akkordeons. Bis zum 8. Juli sind in verschiedenen Vitrinen um die 200 Exponate zu bewundern. Eine kleine, aber feine Auswahl aus mehr als 10 000 Objekten.

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Jakob Gloger (26) mit dem mechanischen Würfelautomaten L'Epatant aus  Frankreich (um 1910), mit Geldeinwurf

Jakob Gloger (26) mit dem mechanischen Würfelautomaten L'Epatant aus Frankreich (um 1910), mit Geldeinwurf.

Fündig wird Jäger und Sammler Jakob Gloger auf Trödelmärkten, Auktionen und im Internet. Spielwürfel passen genauso wie Würfelspiele ins Beuteschema. Nicht zu vergessen die mechanischen Würfelautomaten: Über Drücker, Federn und Zahnräder setzt sich eine Würfelwalze in Bewegung. Die so zufällig ermittelten Augen werden wie bei einer Registrierkasse angezeigt. Gloger gilt als Intimkenner der 1931 gegründeten Leipziger Firma Rovo. Die Abkürzung steht für die Anfangsbuchstaben der Unternehmerfamilien Röber und Volkrodt. „Mensch, hatten die sich geärgert, wenn die Würfel immer unter den Tisch fielen und sie lange suchen mussten. Also gingen sie in den Keller und entwickelten den Prototypen aus Metall.“ Schnell stieg die Firma zum Weltmarktführer auf, ihre Bakelit-Würfelmaschinen im Taschenformat wurden in über 40 Länder exportiert. Ob Rovo-Drehspiel, Rovolette oder Rovo-Derby – jede Neuerscheinung war auf der Leipziger Messe heiß begehrt. Mit Nachfahre Frank Röber ist Jakob Gloger gut befreundet: „Von ihm hab’ ich originale Arbeitsverträge, ein Foto vom 25-jährigen Firmenjubiläum und die Familienchronik bekommen“, sagt Gloger. Zu vielen seiner Sammlerstücke kann er Geschichten erzählen. Etwa über den Würfelautomaten der Firma Kuic, den der deutsche Obergefreite Max Richter in Frankreich dem Feuer entriss: „Die Rückseite ist komplett rußgeschwärzt.“ Er besitzt auch größere, weit über 100 Jahre alte Würfelautomaten mit Münzeinwurf. Diese standen früher in Gaststätten und Casinos sowie auf Jahrmärkten.

Ausstellungen führten den Sammler bereits ins Naturalienkabinett Waldenburg, ins Stadtgeschichtliche Museum Leipzig, ins Turmuhrenmuseum Naunhof und ins Schloss Lauenstein. Dort wurde er von Marita Pesenecker, der Leiterin des Grimmaer Kreismuseums, von der Stelle weg engagiert: "Er hatte dort persönlich durch die Schau geführt. Ich muss sagen, ich war sofort begeistert und freue mich sehr, dass er zugesagt hat", so Pesenecker.

Siegeszug des Würfels begann vor 5000 Jahren

In Grimma ist erstmals ein jüdischer Dreidel zu sehen. Das konkrete Exponat, eine Mischung aus Würfel und Kreisel, wurde im damaligen Ghetto Litzmannstadt (heute Polen) aus Holz gefertigt. Quadratisch. Praktisch. Gut. Dass das nicht zwangsläufig auf Würfel zutrifft, zeigt auch ein Blick weit zurück. Vor etwa 5000 Jahren begann der Siegeszug des Würfelns. Das Spiel ähnelte damals vermutlich der Platzwahl beim Fußball. Lupft der Schiedsrichter heute die Münze, war es früher Baumrinde oder ein Blatt. Vierseitige Stabwürfel wurden gerollt oder in den Sand geworfen. Zudem würfelte man mit Fußgelenkknöchelchen von Schafen und Ziegen. Zum Beweis zeigt Gloger einen solch originalen Spielstein aus der Antike, ein sogenanntes Astragal. Er besitzt außerdem einen römischen Soldatenwürfel aus der Zeit etwa 100 vor Christus: „Er besteht aus Tierknochen, sieht aber dem Würfel von heute schon sehr ähnlich.“ Ebenfalls in Grimma zu sehen: Eine sogenannte Inkunabel, ein Holzschnitt von 1482 und damit aus der Anfangszeit des Buchdrucks. Die Abbildung auf handgeschöpftem Papier zeigt Soldaten, die um das Gewand des gekreuzigten Jesus würfeln.

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Vielfalt der Würfel ist unendlich

Würfel unter der Käseglocke. Würfel als Orakel. Würfel fürs Tischgebet. Zu den Attraktionen der Sammlung gehört auch ein vermutlich als Amulett getragener römischer Würfel, aus Silber und mit Loch. Nicht zu verwechseln mit manchem Würfel aus der Zockermetropole Las Vegas, lacht Jakob Gloger: „In den dortigen Casinos sind absolute Präzisionswürfel im Gebrauch. Da geht es bei der Herstellung – ich übertreibe – um 0,00001 Millimeter. Ist er einige Stunden in Benutzung, wird der Würfel aussortiert und zusätzlich mit einem Loch entwertet.“ Kuriose High Heels mit integriertem 3-D-Würfel und Lollys in Würfelform finden sich genauso in der Vitrine wie eine der ersten transportablen Graviermaschinen aus den USA. Der deutsche Auswanderer Norbert Schimmel hatte sie entwickelt, um Seriennummer oder Name des Casinos im Würfel zu verewigen.

Würfelschuhe aus Las Vegas

Würfelschuhe aus Las Vegas.

Würfel sind eben nicht nur etwas für Nostalgiker. Ein neueres Modell aus Fernost hat keine Punkte, sondern Linien. Ein anderer neumodischer Würfel der Glogerschen Sammlung ist aus Nylon und in 3 D gedruckt. „Die Würfelschmiede“ besticht mit Produkten aus Gießharz in fetzigem Design, das an Leiterplatten erinnert. Ein Mathematiker hat gar einen 120-seitigen Würfel entwickelt – auch den zeigt Gloger, der in der Geschäftsstelle der Kindervereinigung Leipzig arbeitet. Der Freie Träger betreut Kindergärten, Jugendclubs und offene Freizeittreffs. Noch sind die Würfel nicht gefallen: Sein Traum ist es, so Gloger, später mal Bücher übers Würfelspiel zu schreiben oder gar ein eigenes Museum zu eröffnen. Wie er sein kostspieliges Hobby finanziert, darüber will er nicht reden. Als er die Enttäuschung des Reporters bemerkt, sagt er: Mensch ärgere Dich nicht.

Die Ausstellung

„Gott würfelt nicht – Die Menschheit schon“ ist Titel der neuen Ausstellung im Kreismuseum Grimma. Sie wird am 11. März, 15 Uhr, eröffnet und ist bis zum 8. Juli zu sehen. Die Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags und sonntags 10 bis 17 Uhr. Das Kreismuseum Grimma befindet sich in der Paul-Gerhardt-Straße 43 und ist unter Telefon 03437/ 91 11 32 zu erreichen. An drei Tagen führt Sammler Jakob Gloger persönlich durch die Ausstellung: Am Tag der Eröffnung sowie am 27. Mai und am 10. Juni, jeweils 15 Uhr. Erwachsene zahlen wie immer zwei Euro Eintritt, Kinder die Hälfte.

Von Haig Latchinian

LVZ

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