Rechte Gewalt in Sachsen stark gestiegen
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Um 38 Prozent ist die Zahl rechter Gewalttaten in Sachsen innerhalb eines Jahres gestiegen. (Symbolbild)
© Quelle: Patrick Seeger/dpa
Leipzig.Sachsen hat ein wachsendes Problem mit rechtsextremen und rassistischen Gewalttaten. Drohungen, Einschüchterungsversuche und Angriffe von rechts gehörten auch 2018 zum Alltag. Insgesamt 317 Gewalttaten hat das Projekt „Opferberatung Support“ des Vereins Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Sachsen gezählt, ein reichliches Drittel (38 Prozent) mehr als 2017. 480 Menschen waren von den Übergriffen betroffen, darunter auch Frauen und Kinder.
Am deutlichsten stach Chemnitz heraus, wo sich die gewaltsamen Übergriffe von 20 im Jahr auf 79 fast vervierfachten. Dies hänge in erster Linie mit den Ereignissen im Spätsommer 2018 zusammen, wo "bei Demonstrationen von AfD, Pro Chemnitz und Pegida die Tötung eines Menschen instrumentalisiert wurde, um gegen Geflüchtete, Migranten, Linke und Medien zu hetzen und Gewalt auszuüben", sagte Andrea Hübler von der Opferberatung. Wurden 2018 deutlich weniger Angriffe auf Asylbewerberheime verübt, so nahmen stattdessen rassistische Angriffe auf Wohnungen von Flüchtlingen und politischen Gegnern zu, so Hübler.
Landkreis Leipzig und Nordsachsen auffällig
Neben den anderen bekannten Hochburgen rechter Gewalt wie Leipzig und Dresden (je 60 Angriffe) fielen auch die Landkreise Leipzig (24) und der Vogtlandkreis (16) auf. In Nordsachsen hat sich die Zahl der Gewalttaten 2018 gegenüber dem Vorjahr sogar verdreifacht, von sieben auf 23 Taten. Dazu zählten Nötigung, Bedrohung und Körperverletzungen.
Im April 2018 wurde der homosexuelle Christopher W. von drei bekannten Rechtsradikalen im erzgebirgischen Aue so bestialisch misshandelt, dass er seinen schweren Verletzungen erlag. „Das war bereits das 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen“, mahnte RAA-Geschäftsführer Robert Kusche.
Völkisch-nationalistische Ansichten führten zunehmend zur Bedrohung von Menschen mit anderer sexueller Orientierung, warnte Martin Wunderlich von der Landesarbeitsgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen. Vor allem auf dem Lande entluden sich Hass und Gewalt.
Rechte Gewalt Teil der Lebensrealität
„So bitter es auch ist: In Sachsen gehören rechte und rassistische Gewalt zur Lebensrealität“, konstatierte Integrationsministerin Petra Köpping (SPD). Es gebe nichts zu beschönigen. „Die Kräfte und Strukturen von rechts bedrohen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, so die Ministerin. Demokratinnen und Demokraten in Sachsen müssten eng zusammenstehen und sich für ein solidarisches und friedliches Zusammenleben einsetzen.
Der Freistaat unterstütze das Demokratie-Zentrum, zu dem der Träger die Opferberatung, die RAA Sachsen ebenso zählt wie die Mobile Beratung und die Koordinierungsstelle Radikalisierungsprävention (KORA). „Weitere Unterstützung stellen wir mit dem Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘ seit Jahren zur Verfügung“, so Köpping.
Auch antisemitische Straftaten gestiegen
Die Linke im Landtag spricht angesichts der Zunahme rechter Gewalt von einer beunruhigenden Gesamtentwicklung. „Aber nach wie vor hat die Staatsregierung kein Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten“, sagte die Abgeordnete und Extremismusexpertin Kerstin Köditz. Die erfassten Zahlen seien nur die Spitze des Eisbergs, da nur erfasst werde, was der Polizei bekannt sei. Köditz vermutet ein „großes Dunkelfeld“ und rief alle demokratischen Kräfte zum politischen Handeln auf.
Auch die Zahl antisemitischer Straftaten in Sachsen war im vergangenen Jahr gestiegen - um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit insgesamt 138 Fällen erreichten die Übergriffe einen neuen Höchststand. 24 Fälle hatten sich 2018 allein in Leipzig ereignet.
Von Winfried Mahr/jhz