Universitätsbibliothek Leipzig

3500 Jahre alt: Der „Papyrus Ebers“ soll eigenen Schauraum erhalten

Erster Versuch: So ungefähr könnte auch die Replik des „Papyrus Ebers“ aussehen, die bis Sommer gefertigt werden soll. Das Original bleibt sicher verwahrt im Tresor.

Erster Versuch: So ungefähr könnte auch die Replik des „Papyrus Ebers“ aussehen, die bis Sommer gefertigt werden soll. Das Original bleibt sicher verwahrt im Tresor.

Leipzig. Gegen Schmerzen im Zeh wussten sich bereits die alten Ägypter zu helfen: "Roter Ocker und das Gärungsprodukt des Honigs" per Druckverband mit Hilfe der "Scherbe eines neuen Topfs" auf das Gliedmaß – und schon würden die Beschwerden gelindert, empfiehlt der "Papyrus Ebers". Das Dokument entstand vor 3500 Jahren vermutlich in der Umgebung von Theben. 18,63 Meter lang, 30 Zentimeter hoch, in schwarzer und roter Schrift teilweise beidseitig beschrieben mit 879 Rezepten und Ratschlägen in 110 Kolumnen sowie einem Kalender: Es handelt sich um die umfangreichste und einzige komplett überlieferte Schriftrolle aus der altägyptischen Heilkunde.

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Seit 1873 gehört der Fund der Universitätsbibliothek Leipzig – und soll jetzt in der Albertina einen öffentlich zugänglichen Ehrenplatz erhalten. "Das älteste vollständige Medizinkompendium der Welt", jubelt Bibliotheksdirektor Ulrich Johannes Schneider. Die Ausstellung solle zu "einer wunderschönen Illusion" werden, sagt er, denn das wertvolle Original bleibt im Tresor verwahrt. Stattdessen laufen bereits die Vorbereitungen, eine Replik in gleicher Größe und aus ägyptischem Papyrus – demselben Material also – herzustellen.

In Luxor für 300 ägyptische Pfund gekauft

Bei ihrem Jahresempfang hat die Unibibliothek am Mittwochabend damit begonnen, um Spenden für das Vorhaben zu werben. 100 000 Euro werden nicht nur zur Fertigung des Ausstellungsstücks, sondern vor allem auch für eine elf Meter lange Vitrine samt Kurve veranschlagt, in der die künftigen Besucher das originalgetreue Schriftstück von allen Seiten beäugen können. Unter der Eingangstreppe der Albertina, wo momentan Schließfächer sind, soll ein Schauraum entstehen. In den Ecken der geplanten Dauerausstellung will man nicht nur das „Papyrus Ebers“ selbst und seine historische Bedeutung erklären, sondern auch die Aufbewahrung thematisieren und schildern, wie der Schatz vor knapp 150 Jahren den Weg nach Leipzig fand.

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Für 300 ägyptische Pfund kaufte der Forscher und Schriftsteller Georg Ebers die vollständig erhaltene Rolle 1873 in Luxor von einem koptischen Händler. Es war damals eine Zeit, in der viele europäischen Museen ihre Agenten auf die Suche nach attraktiven Exponaten in den Orient schickten. Aber anders als die meisten seiner Kollegen war Ebers nicht wahllos, sondern hatte es auf genau diesen Papyrus abgesehen. Seine Hartnäckigkeit wurde belohnt. 300 ägyptische Pfund waren damals zwar nicht gerade wenig Geld, aber gleichwohl schon seinerzeit ein Schnäppchen. Heute lässt sich der Wert kaum abschätzen. „Kulturgeschichtlich ist der Papyrus unendlich wertvoll“, sagt Schneider.

Von 1870 bis 1889 forschte und lehrte Ebers als Ägyptologie-Professor an der Uni Leipzig und machte sich nach der Rückkehr aus Ägypten umgehend daran, ein gedrucktes Faksimile der Quelle anzufertigen, das 1875 erschien. Ein großes Glück für die Forschung bis heute, denn das Originaldokument ist mittlerweile nicht mehr vollständig erhalten: Der Zweite Weltkrieg zerstörte vier Meter der Rolle. Ebers hatte sie in 29 Teile zerschnitten und unter Glas aufbewahrt, um den Papyrus unter mitteleuropäischen Klimabedingungen zu konservieren.

Bei der Unesco will die Unibibliothek den Titel eines „Weltdokumentenerbes“ beantragen. Die Chancen sind offenbar gut: Der Erwerb war im 19. Jahrhundert nicht kommerziell, sondern wissenschaftlich motiviert und legal. Zudem fordert niemand in Ägypten den Papyrus zurück. Vielmehr erhielt die Albertina im Mai zweifach Besuch aus dem Land: Sowohl Ismail Serageldin, Direktor der Bibliotheca Alexandrina, als auch Hisham al-Azmi, Leiter der ägyptischen Nationalbibliothek, unterstützten das Ansinnen, berichtet Schneider. Die Unesco trifft ihre Entscheidung frühestens kommendes Jahr.

Rinderfett, Maulbeer-Feige und unterägyptisches Salz

Bis dahin wollen die Leipziger einiges auf den Weg bringen. Bis Sommer soll die Replik fertig, bis Herbst die jetzige Garderobe zum Schauraum umgebaut sein, im Frühjahr 2020 die Vitrine stehen. Dokumentarfilmer Ulli Wendelmann begleitet das Ganze mit der Kamera. Falls ihm beim Dreh zwischenzeitlich die ruhige Hand fehlt, weiß der „Papyrus Ebers“ auch dafür Rat: Wer „Samen der twn-Pflanze, Rinderfett, Milch, unterägyptisches Salz, Maulbeer-Feige kocht“ und daraus eine „einheitliche Masse“ mache, beseitige das „Zittern in den Fingern“, ist dort zu erfahren.

Die Unibibliothek hat das Faksimile des "Papyrus Ebers" digitalisiert und stellt das Ganze samt deutscher und englischer Übersetzung online zur Verfügung: papyrusebers.de. Dort auch Details zum Fundraising samt Sponsoren-Paketen. Informationen zudem unter 0341 9735006.

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Von Mathias Wöbking

LVZ

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