Autonome fahnden nach Polizisten – mit Hilfe von Abgeordnetenbüro der Linken
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„Terroristen-Fahndung“ im Linxxnet: Das Abgeordnetenbüro in der Bornaischen Straße stellt hier via Plakat mehrere Politiker und Polizeibeamte, die beim G20-Gipfel im Einsatz waren, an den Pranger. Auch in der Wolfgang-Heinze-Straße hängt ein Fahndungsaufruf (kleines Foto).
© Quelle: Fotos: André Kempner/Armin Kühne
Leipzig. „Terroristen“ steht ganz oben auf dem Plakat. Darunter die Bilder von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), vom Innensenator der Hansestadt, vom Polizeipräsidenten. Und: Fotos von Polizeibeamten, die beim G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg im Einsatz waren. Es ist eine Art Fahndungsaufruf, den „Autonome Gruppen“ gestartet haben, um das ganz persönliche Lebensumfeld von Einsatzkräften auszuforschen. Ausdrücklich wird auf dem Plakat gefragt: „Wer kann Angaben insbesondere zu Aufenthalts- und Wohnorten der gesuchten Personen machen?“
Die linksextremen Plakate kleben keineswegs nur in den Nebenstraßen von Leipzigs Szenevierteln. Auch im Schaufenster des Linxxnet in der Bornaischen Straße – immerhin Sitz der Wahlkreisbüros mehrerer Linken-Abgeordneter von Bundes- und Landtag sowie Europaparlament – wird per Aushang an exponierter Stelle nach Polizeibeamten gefahndet. Die abgebildeten Personen, heißt es da, „stehen im dringenden Verdacht, während der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg schwerste Straftaten begangen zu haben u.a. Bildung einer terroristischen Vereinigung zum Zweck des versuchten Totschlags, schwere Körperverletzung, Misshandlung, Menschenraub“. Einige Anwohner halten dies für „empörend“ und wandten sich an die LVZ.
Juliane Nagel spricht auf Anfrage von einer „Reaktion auf die überzogen empfundene Ermittlungsarbeit in Richtung linker Menschen, die in Hamburg protestiert haben“. Es habe während der G20-Proteste Gewalttaten gegeben, die auch sie verurteile. „Aber es gab auch eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams, die ich auf jeden Fall unterstützen würde“, so die Landtagsabgeordnete und Stadträtin, die wie Susanna Karawanskij, Axel Troost, Marco Böhme und Cornelia Ernst ebenfalls ihr Büro im Linxxnet betreibt. „Viele Beobachter fanden das Handeln der Polizei nicht einwandfrei, es gab Mittel der Polizeigewalt, die nicht mehr verhältnismäßig waren“, sagt Nagel. Die Plakataktion sei aus ihrer Sicht allerdings „überzogen und spiegelt in der Form nicht meine Meinung wider“.
Doch warum hängt das Plakat dann überhaupt hier? Weil offenbar jeder hier mal kleben darf: „Wir haben eine Aufteilung der Schaufenster, dieses mittlere wird von allen Initiativen und Politgruppen relativ freimütig für ihre Ankündigungen genutzt.“ Das Linxxnet sei ja „eine andere Form von Abgeordnetenbüro“, so Nagel. „Es ist ein Raum, der nicht nur durch Abgeordnete geprägt und genutzt wird, sondern es gibt vielfältige Ehrenamtliche, Initiativen und Gruppen, die bei uns Postfächer haben.“ Bei streitbaren Plakaten sollten sich Anwohner direkt ans Linxxnet wenden, meinte sie.
Aus Sicht der Polizei sind die Fahndungsplakate der Linksautonomen allerdings mehr als nur streitbar. Bereits Ende August 2017 seien erste Plakate dieses Inhalts in Connewitz aufgetaucht, berichtet Behördensprecher Uwe Voigt. „Im Dezember 2017 wurden dann an mehreren Stellen in den Stadtteilen Lindenau und Plagwitz Plakate festgestellt.“ Bislang seien zwei Fälle vom Dezernat Staatsschutz bearbeitet und zur weiteren rechtlichen Würdigung an die Staatsanwaltschaft übergeben worden. Zusätzlich habe man die Soko „Schwarzer Block“ in Hamburg darüber informiert, so Voigt. Bisher seien den Ermittlern keine Namen von darauf abgebildeten Beamten bekannt. Die Leipziger Polizeidirektion war ohnehin nur mit einem kleinen Personalbestand bei G20, die hiesige Bereitschaftspolizei hingegen mit mehr als 520 Beamten. Und gerade diese Kräfte würden bei Demo-Einsätzen immer wieder bedroht mit Worten wie: „Wir wissen, wo du wohnst!“, hatte Cathleen Martin von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) kürzlich der LVZ berichtet. „Unsere Beamten haben die Sorge, dass sie auch privat angegriffen werden.“
Juliane Nagel glaubt allerdings nicht, dass es das Ziel der Plakate sei, „Daten von Polizisten zu generieren. Das dürfte ja auch schwer werden, weil die Polizisten ja weder durch Nummern noch durch Namen erkennbar sind“. Aus ihrer Sicht sei das Privatleben von Menschen „total tabu“ und es wäre mithin „nicht legitim das auszuforschen oder Leute an den Pranger zu stellen“. Ob das Linxxnet-Plakat nun wieder entfernt wird, war gestern noch unklar. Nagel ist heute wieder vor Ort, will es im Büro zur Diskussion stellen.Vage erklärte sie: „Ich würde wahrscheinlich eher dafür plädieren, dass es abgenommen wird.“
Von Frank Döring