Besetztes „Black Triangle“: Bei Räumung stehen Zeichen auf Sturm
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Seit fast zwei Jahren besetzt: Das alte Umspannwerk der Deutschen Bahn am Gleisdreieck in der Arno-Nitzsche Straße ist für Leipzigs linke Szene von großer Bedeutung. Sofern geräumt wird, rechnet die Polizei mit gewaltsamen Protesten.
© Quelle: André Kempner
Leipzig. Droht dem „Black Triangle“ nun doch die Räumung? Seit Juni 2016 halten Linksautonome das alte Umspannwerk der Deutschen Bahn AG (DB), ein etwa 10 000 Quadratmeter umfassendes Areal am Gleisdreieck an der Arno-Nitzsche-Straße, besetzt. Doch jetzt, da der Bundesgerichtshof (BGH) im Rechtsstreit um die umkämpfte Immobilie entschieden hat, schließt das Unternehmen auch ein härteres Vorgehen am „Schwarzen Dreieck“ nicht mehr aus. „Wir halten uns alle Optionen offen“, sagte DB-Sprecher Holger Auferkamp auf LVZ-Anfrage.
Bislang nur zivilrechtliche Schritte
Bislang hatte das Unternehmen ausschließlich zivilrechtliche Schritte favorisiert. Nach DB-Angaben befinden sich auf dem Grundstück "für den Bahnbetrieb notwendige Anlagen, die eine ständige Zugänglichkeit erfordern". Zudem würden erhebliche Gefahren dadurch bestehen, dass die ursprünglich gesicherten und von der Deutschen Bahn ungenutzten Gebäude nicht verkehrssicher sind. Auch deshalb betrieb die DB, die nach eigenen Angaben keinen Verkauf des lange verwaisten Areals plant, die Zwangsvollstreckung aus einer am 25. Juli 2016 erlassenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts. Den Besetzern – damals war von "40 männlichen und weiblichen Personen" die Rede – wurde aufgegeben, die Grundstücksfläche "zugänglich zu machen, zu räumen und herauszugeben sowie es zu unterlassen, sie zu betreten oder zu befahren". Doch die Obergerichtsvollzieherin lehnte den Antrag der Bahn auf Zustellung des Beschlusses und Zwangsräumung am 9. August 2016 ab – die Antragsgegner seien nicht identifizierbar und eine Zustellung wegen Unbestimmtheit nicht möglich. Eine Bahn-Beschwerde dagegen wies das Landgericht zurück: Tatsächlich müsse die Gerichtsvollzieherin sicher feststellen können, wer zum "Kulturkollektiv Arno-Nitzsche", wie sich die Besetzer nennen, gehöre.
Zwangsvollstreckung schwierig, Räumung möglich
Diese Rechtsauffassung bestätigte jetzt der I. Zivilsenat des BGH. „Das Erfordernis der eindeutigen Bezeichnung der Schuldner im Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel besteht auch dann, wenn die Räumungsvollstreckung ein rechtswidrig besetztes Grundstück betrifft“, heißt es in dem Beschluss. Völlig rechtlos wäre der Eigentümer bei einer solchen illegalen Hausbesetzung deshalb jedoch nicht, so die Bundesrichter. „Eine Räumung gegenüber Hausbesetzern kann vielmehr nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen“, so der BGH. Dem Beschluss zufolge sei das widerrechtliche Eindringen und Verweilen in Wohnungen, Geschäftsräumen oder befriedetem Besitztum als Hausfriedensbruch strafbar, die Beseitigung dieser Störung der öffentlichen Sicherheit falle in die polizeiliche Aufgabenzuständigkeit. Bei solcherart Haus- und Grundstücksbesetzungen lägen auch die Eingriffsvoraussetzungen des Polizei- und Ordnungsrechts für den polizeilichen Schutz privater Rechte vor, befand der BGH.
Deutsche Bahn prüft in alle Richtungen
Die Deutsche Bahn sieht sich durch den höchstrichterlichen Beschluss bestätigt. Bisher hatte das Unternehmen moniert, es sei ohne rechtlichen Schutz und ohne staatliche Unterstützung bei der Wahrung seiner Rechte gegen illegale Hausbesetzer. „Es wurde jetzt eindeutig festgestellt, dass das Gelände unrechtmäßig besetzt wurde“, betonte DB-Sprecher Auferkamp. Das Urteil stelle auch für die Polizei Rechtssicherheit her. Ob eine Räumung deshalb unmittelbar bevorsteht, ließ er allerdings offen. „Wir prüfen in alle Richtungen und sind mit den zuständigen Behörden in Kontakt“, sagte er. Eine Duldung, ein Überlassen des Areals an die Besetzer sei zwar ebenfalls in der Diskussion, aber eher unwahrscheinlich.
„Der Repression entgegentreten!“
Im „Black Triangle“ an der Arno-Nitzsche-Straße macht sich nach Monaten der Ruhe offenbar Nervosität breit. „Wir sind wieder akut räumungsgefährdet“, schrieben die Besetzer Ende März auf ihrer Internetseite. „Lasst uns alle gemeinsam für den Erhalt unserer selbstverwalteten Projekte kämpfen und entschlossen ihre absurden Eigentumsansprüche, ihre Stadtaufwertung, der daraus resultierenden Verdrängung und der staatlichen Repression entgegentreten!“
Polizei befürchtet gewaltsame Proteste
Das Bahngelände fällt zwar in die Zuständigkeit der Bundespolizei. Doch auch die Leipziger Polizeidirektion beobachtet die Entwicklungen sehr genau. Und da stehen die Zeichen im Falle einer Räumung auf Sturm. „In Connewitz werben schon seit Längerem Plakate für eine Demo Tag X + 1“, schilderte Polizeisprecher Andreas Loepki. Heißt: Wann auch immer das „Black Triangle“ geräumt werden sollte – am nächsten Tag wollen sich Sympathisanten am Wiedebachplatz treffen. „Es ist davon auszugehen, dass diese Demo keinen friedlichen Verlauf nimmt“, so Loepki. „Das ist ein offenes Geheimnis.“ Auf Twitter hatten Linksextreme bereits unmissverständlich angekündigt, was droht, wenn die Ordnungshüter anrücken: „Räumt – wenn ihr wollt, dass die Stadt brennt!“
Von Frank Döring
LVZ