Polizeieinsatz am Kindertag: Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel in Handschellen abgeführt
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Am Donnerstag (01.06.2023) gab es unter Titel "Tag der Jugend" eine Demo in Leipzig, an der sich zahlreiche junge Menschen beteiligten. Mit dabei war auch Linken Politikerin Juliane Nagel. Sie wurde nach einem Vorfall von der Polizei festgenommen.
© Quelle: NEWS5 / DESK
Leipzig. Leipzig steht unter Spannung. 30 Polizeiwagen, die nur etwas mehr als 100 Personen flankieren, und ein Hubschrauber, der stundenlang am Himmel seine Kreise zieht: Nach einer Demonstration am Donnerstagabend sind einige Personen Teil „polizeilicher Maßnahmen“ geworden, wie ein Polizeisprecher am Abend bestätigte – darunter auch Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke).
Die Polizei Sachsen teilte dazu auf Twitter mit: „Es steht die Störung einer Amtshandlung im Raum. Aktuell laufen zu den genauen Umständen Prüfungen.“ Ein Polizeisprecher sagte, es habe sich nicht um eine Festnahme gehandelt. Nagel sei „Teil einer polizeilichen Maßnahme geworden“. Es stehe der Vorwurf eines tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte im Raum.
Aus dem Weg geschubst?
Nagel, die auch Stadträtin in Leipzig ist und die Demonstration aus Anlass des Kindertages angemeldet hatte, äußerte sich am späteren Abend in einem auf Twitter verbreiteten Video. Sie habe eine Maßnahme beobachtet, in der die Polizei die Identitäten zweier Menschen festgestellt habe. „Ich stand dort, ein Polizeibeamter hat mich erst beleidigt oder beschimpft. Dann hat er mich aus dem Weg geschubst. Dann ist ihm eingefallen, dass ich ihn angeblich tätlich angegriffen haben soll.“
Sie sei in Handschellen gelegt und relativ brutal zu einem Polizeiauto geschleppt worden. „Im Polizeiauto ist mir auch gesagt worden, dass es den Beamten scheißegal ist, ob ich eine Abgeordnete bin.“ Dann habe ihre Anwältin Telefonate geführt und die Polizei darauf hingewiesen, „dass sie so nicht vorgehen kann“, sagte Nagel. Sie sei schließlich nach einer Identitätsfeststellung wieder freigelassen worden.
Jugendliche protestieren zum Kindertag
Unter dem Motto „Kämpfe verbinden, für ein besseres Morgen!“ protestierten am frühen Abend laut Polizei rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Chancengleichheit in der Schule, stärke Maßnahmen gegen den Klimawandel und gegen Polizeigewalt. Zu der Versammlung auf dem Johannisplatz aufgerufen hatten die Initiative „Fridays for Future“ Leipzig, die Aktion Antifa Leipzig und die Leipziger Jugendgruppe „Jugend im Kampf“.
„Der 1. Juni ist nicht nur Kindertag, sondern auch Tag der Jugend“, erklärte ein Sprecher der Gruppe „Jugend im Kampf“. Doch die Jugendlichen wolle keine Geschenke, wie es am Kindertag oft üblich sei, sondern Klimagerechtigkeit, Bildung für alle sowie das Ende von Polizeigewalt und Jugendarmut.
Deswegen sei es nun an der Zeit, „unsere eigenen Geschichten zu schreiben“, so der Sprecher. „Die Jugend hat durch Widerstand am wenigsten zu verlieren und am meisten zu gewinnen“, setzte er fort und erntete dafür tosenden Applaus. Auch Juliane Nagel und Stadtrat Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen), der sich ebenfalls vor dem Grassi-Museum eingefunden hatte, applaudierten mit.
Der Demonstrationszug setzte sich kurz nach 18 Uhr in Bewegung – mit Transparenten, die zuvor gründlich von den Polizeibeamten geprüft worden waren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen durch die Innenstadt über den Dorotheenplatz bis zur Sachsenbrücke.
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Landtagsabgeordnete Juliane Nagel von Polizei abgeführt
Begleitet wurde die Demo vor allem von zahlreichen Polizistinnen und Polizisten aus Berlin, die die Leipziger Kräfte in Vorbereitung des „Tag X“ im Zuge des Lina-E.-Protestes unterstützen. Die Beamtinnen und Beamten sicherten die Gruppe von allen Seiten ab. Etwa 30 Einsatzfahrzeuge hatten sich dazu zuvor am Johannisplatz positioniert. Auch an der Sachsenbrücke warteten bereits weitere Einsatzkräfte.
Laut Polizei seien einige Demo-Teilnehmer vermummt gewesen. Die Versammlungsleiterin habe mehrmals auf die Versammlungsauflagen hinweisen müssen. Vereinzelt sei auch Pyrotechnik gezündet worden. Nach Angaben der Polizei gab es Anzeigen aufgrund von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und wegen Widerstands gegen Polizeibeamte.
Nachdem die Demonstration beendet wurde, führte die Polizei dort einige Maßnahmen durch, von denen auch Juliane Nagel betroffen gewesen sei, wie Polizeisprecher Chris Graupner am Abend bestätigte. Nur wenige Minuten nachdem das Video, das zeigt, wie sie von Berliner Polizisten abgeführt wird, veröffentlicht wurde, zeigten sich bereits viele Social Media-Nutzerinnen und Nutzer entsetzt. So schrieb Rico Gebhardt, ebenfalls Landtagsmitglied der Linken: „Ich hoffe, dass die [Polizei Sachsen] ihren Kolleginnen und Kollegen mal erklärt, wie man mit einer Landtagsabgeordneten des [Sächsischen Landtags] umgeht. So nicht.“
LVZ