Volkshochschule Leipzig

Dozenten-Initiative wirbt mit wackeligem Stuhl für bessere Honorare

Honorarlehrer der Volkshochschule besuchen Stadträte im Rathaus mit ihrem wackeligen Stuhl.

Honorarlehrer der Volkshochschule besuchen Stadträte im Rathaus mit ihrem wackeligen Stuhl.

Leipzig. Es ist ein alter, hölzerner Stuhl, den sie an der Lehne festhalten müssen, damit er nicht zur Seite kippt. Sie nennen ihn den „DozentInnen-Stuhl“ und beehren damit dieser Tage vor und nach der Kommunalwahl die Stadtratsfraktionen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. „Drei Beine sind intakt und tun ihren Dienst. Wir können sagen, es sind die Beine Professionalität, Engagement und Qualifikation. An ihnen ist nichts auszusetzen. Und deswegen ist das Niveau unseres Unterrichts an der Volkshochschule auch so hoch“, sagt Karl Kirsch, Deutschdozent an der Volkshochschule (VHS) und Sprecher der Dozenten-Initiative. „Aber das vierte Bein ist unsere Bezahlung und unsere soziale Absicherung. Leider ist es viel zu kurz. Daran ändern auch die jüngst vom Stadtrat beschlossenen Honorarerhöhungen so gut wie nichts, sie verlängern das kurze Bein nur um ein paar Millimeter. Doch die Beine müssen gleich lang sein, damit der Stuhl nicht wackelt.“ Die VHS Leipzig beschäftigt um die 800 Freiberufler, von denen ein Großteil allein von dieser Lehrtätigkeit lebt.

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Wackeliger Stuhl steht für Lebensgefühl

Natürlich: Eine Etatdebatte steht derzeit nicht an. Die Initiative möchte gern, dass die Stadträte und künftigen Stadträte das Lebensgefühl verstehen, das ein Mensch hat, der viele Jahrzehnte und ohne Aussicht auf Änderung auf so einem Stuhl sitzt. „Es ist klar“, sagt der Deutschdozent, „wer sich ständig so ausbalancieren muss, kann nie zur Ruhe kommen. An ein Leben voller Einschränkungen und Unsicherheit schließt sich unweigerlich die Altersarmut an, das Wackeln und Zittern nimmt einfach kein Ende.“

Hintergrund: Es gibt eine Honorarbreite von 23 Euro pro Unterrichtseinheit bis 35 Euro in Integrationskursen. Klingt zwar nach viel, davon gehen aber die Sozialabgaben ab. Viele befürchten, in die Altersarmut abzurutschen, weil sie nicht genügend Rentenpunkte erwerben können. Die VHS ist bemüht, vor allem die niedrigsten Honorare anzuheben, um die größten Unterschiede zu verringern. 30 Euro im Schnitt – das dürfte die Zielmarke sein. Die vom Stadtrat bewilligten 400 000 Euro im Etat 2019/20 sind dafür laut Dozenteninitiative noch zu wenig.

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Gewerkschaft weist auf unsichere Lebensverhältnisse hin

„Die Dimensionen des Problems sind größer und gehen weit über den Horizont der Volkshochschulen hinaus“, ergänzt Olaf Broszeit, Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung bei Verdi. „Unsichere Lebensverhältnisse durch kleine Einkommen und prekären Beschäftigungsstatus sehen wir in erschreckend vielen Bereichen. Aber ein Arbeit- und Auftraggeber wie die Stadt Leipzig sollte tunlichst zusehen, dass so etwas in seiner Verantwortung nicht vorkommt.“ Broszeit ergänzt: „Eine beständige Sorge – das Sitzen auf dem wackeligen Stuhl – die alle Lebensbereiche und -äußerungen überschattet, verbunden mit existentiellen Zukunftsängsten, sollte keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“

Von Mathias Orbeck

LVZ

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